Die Mär der Bosse vom Wirtschaftswunder durch Asylbewerber

Den großen Worten einiger Konzernbosse folgen nur magere Taten. Deutschlands Großunternehmen betreiben Rosinenpickerei bei der Zuwanderung.

Als Angela Merkel die Grenzen für den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen öffnete, gaben sich einige Wirtschaftsvertreter begeistert. Der Flüchtlingszustrom könnte „die Grundlage für das nächste deutsches Wirtschaftswunder“ legen, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. Mancher Manager äußerte sich enthusiastisch über die wirtschaftlichen Chancen der Asyl-Migrantenwelle. Endlich kämen die angesichts des Fachkräftemangels dringend benötigten, einsatzfreudigen (und noch dazu günstigen) Arbeitskräfte!

Der Zustrom von etwa einer Million Asyl-Zuwanderer sei „das Beste, was Deutschland seit der Wiedervereinigung passiert ist“, jubelte der Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts Landau Ende 2015 – denn die vornehmlich jungen, muslimischen Migranten könnten seiner Ansicht nach der altersmüden deutschen Gesellschaft auf die Sprünge helfen.

Wenn erst mal die Anlaufschwierigkeiten überwunden seien, würden die Asylzuwanderer einen regelrechten Boom auslösen, schwärmte Folkerts-Landau in einem Gastbeitrag für die linksliberale Wochenzeitung „Zeit“. „Deutschland hält die Chance in den Händen, seinen Ruf als globales wirtschaftliches ‚Powerhaus‘ zu festigen und kann längerfristig wieder zu dem wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum werden, das es einmal war.“

Nach großen Worten von Bossen mickrige Taten

Im Ernst? Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank behauptet, dass der Zuzug von einer Millionen weitgehend ungebildeter arabischer Menschen ein Land zu einem „wissenschaftlichen und kulturellen Zentrum“ machen kann? „Im Grunde sind es Analphabeten“, urteilte kürzlich Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen über den Bildungsstand von zwei Dritteln der syrischen Zuwanderer. Doch viele Wirtschaftsvertreter haben lange Zeit die Asylzuwanderung rosarot gezeichnet. Statt die Asylgewährung humanitär zu begründen, wurde eine ökonomische Hilfsargumentation bemüht.

„Genau solche Menschen suchen wir bei Mercedes und überall im Land“, sprach Zetsche im Oktober auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt, als er auf den Zustrom der Flüchtlinge angesprochen wurde. Auch viele Ökonomen betonen, dass unter Zuwanderern viele besonders risikofreudige, unternehmerische Typen sind – genau solche, wie sie eine Wirtschaft brauche. Doch ein unternehmerischer Charakter allein ist nicht ausreichend: Man braucht auch fachliche Qualifikationen. Und man muss die Sprachbarriere überwinden, um im neuen Land einen Job zu finden und sich selbst finanzieren zu können. Andernfalls werden die Asyl-Zuwanderer zur dauerhaften Belastung für die Sozialsysteme.

Inzwischen zeigt sich, dass die Flüchtlingsvisionen vieler Wirtschaftsbosse reine Luftschlösser waren. Den großen Worten folgten mickrige Taten. Der Daimler-Konzern hat bislang 40 Asylanten ein Praktikum ermöglicht, einige weitere sollen dieses Jahr folgen. Die Zahl entspricht bisher weniger als 1 Prozent der Daimler-Lehrlinge – ein eher homöopathische Beitrag zur Jahrhundert-Herausforderung Integration. Entschuldigend heißt es dann bei Daimler, dass die bürokratischen Hürden zur Einstellung zu hoch seien. Das stimmt. Aber auch die fachlichen Voraussetzungen und Vorkenntnisse für eine anspruchsvolle Lehre fehlen den allermeisten Asylzuwanderern.

Mit großem Getöse hat eine Gruppe von Unternehmen vor einigen Wochen die Kampagne „Wir(tschaft) zusammen“ gestartet. Zeitungsanzeigen und TV-Spots werben für die Asylbewerber-Integration in den Arbeitsmarkt. Bezahlt wird die Kampagne vom Internetunternehmer Ralph Dommermuth. Konzipiert hat sie ein Senior Partner der einflussreichen Kommunikationsagentur Hering Schuppener. Auf einer Internetseite präsentieren die Unternehmen, was sie tun – doch es ist oft erschreckend wenig, was dort steht.

Ausbildungs- und Praktika-Plätze für weniger als ein Prozent der Asylbewerber

Nehmen wir Thyssen-Krupp (60.000 Mitarbeiter in Deutschland, davon 3.000 Auszubildende): Der Stahlkonzern kündigt an, in den nächsten zwei Jahren ganze 150 Ausbildungsplätze und 230 Praktikumsstellen bereitzustellen. Der Volkswagen-Konzern (270.000 Beschäftigte in Deutschland) kündigt 100 Praktikumsplätze für Flüchtlinge an. Zusätzlich biete VW für 100 Asylbewerber Sprachkurse. Die Deutsche Bank preist „1.000 Deutschbanker als Integrationspaten“ an, diese „helfen bereits heute im Rahmen von Social Days bei der Einrichtung von Unterkünften, organisieren Sammelaktionen, Begegnungsfeste, integrative Kochevents oder gemeinsame Sportveranstaltungen“, heißt es auf der Internetseite. Ob das Engagement der Mitarbeiter die Bank selbst Geld kostet und wenn ja wie viel, darüber schweigt man diskret.

Alles in allem stellen die sich als Integrationsmacher aufplusternden Konzerne nur eine kleine vierstellige Azubi- oder Praktika-Zahl bereit. Damit kommen dort wohl nicht einmal ein Prozent der Asylbewerber für eine Ausbildung oder ein Praktikum unter.

Der Eindruck bleibt, dass Konzernlenker und Arbeitsgeber-Lobbyisten zwar laut von Notwendigkeit und Nutzen der Zuwanderung reden – doch die Kosten für jene Immigranten, die kaum für den Arbeitsmarkt geeignet sind, sollen andere bezahlen. Mehr als 20 Milliarden Euro im Jahr werden allein für die Unterbringung und Versorgung von etwa einer Million Asylbewerbern fällig, hat das Ifo-Institut errechnet. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat den Finanzbedarf über zwei Jahre gar auf 55 Milliarden Euro geschätzt.

Auch dem der Wirtschaft wohlgesonnenen Beobachter drängt sich der Verdacht auf, dass die Merkels Asylpolitik unterstützenden Großunternehmen insgeheim eine „Rosinenpickerei“ betreiben wollen, wie es der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, genannt hat. Die großen Unternehmen schöpfen dabei die dünne Sahneschicht der halbwegs oder besser qualifizierten Asylmigranten ab. Die Hauptlast der Integration in den Arbeitsmarkt stemmen dagegen Tausende Kleinunternehmer, das mittelständische Rückgrat der Wirtschaft.

Nicht alle Realisten trauen sich an die Öffentlichkeit

Nicht alle Wirtschaftsführer haben große Töne wie Daimler-Boss Zetsche zum angeblichen ökonomischen Wunder durch den massiven Flüchtlingszustrom gespuckt. Viele schwiegen, weil sie ahnten, dass überzogene Prognosen ihnen später auf die Füße fallen können. Einige waren schon früh besorgt. Ein Dax-Vorstandschef, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte: „Von mir werden Sie gar nichts hören zur Flüchtlingspolitik.“ Warum? „Weil ich sonst harsche Kritik äußern müsste.“ Und er wolle nicht in der Öffentlichkeit als „Rechtsradikaler“ gelten.

Der Chef des Bayer-Konzerns Marijn Dekkers sagte indes schon im November, es werde „sehr viel Zeit und Mühe kosten, die Flüchtlinge auf das Niveau zu bringen, das man in Deutschland als Arbeitnehmer mitbringen muss, um eine Beschäftigung zu finden“. Er warne vor Illusionen: „Bis die große Mehrheit der Asylsuchenden wirklich unabhängig von staatlicher Hilfe sein wird und eigenes Einkommen verdient, werden mindestens 15 Jahre vergehen“, so der gebürtige Niederländer.

Die Fakten, die man bisher über die Qualifikationen der Asyl-Zuwanderer weiß, sind ernüchternd. Mehr als zwei Drittel von ihnen haben nach Angaben der Bundesarbeitsagentur „keine formale Qualifikation“, keinen berufsqualifizierenden Abschluss; nur etwa 10 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Von wegen, es kämen massenweise syrische Ärzte und Fachkräfte nach Deutschland. Und selbst die wenigen Akademiker scheitern nicht selten an der Sprachbarriere.

In vielen Herkunftsländern der Asylanten sind die Bildungssysteme miserabel. Aus Syrien (30 Prozent aller Asylbewerber im vergangenen Jahr) kommen überwiegend Menschen, die kaum lesen und schreiben können. OECD-Studien zeigen, dass 65 Prozent der Syrer nicht die absoluten Grundkompetenzen der Pisa-Kompetenzstufe 1 erreichen, erinnert der Ifo-Bildungsforscher Ludger Wößmann. Von den Albanern, der zweitgrößten Asylanten-Gruppe im vergangenen Jahr, liegt die Quote bei 59 Prozent.

Statt einer schnellen Integration in den Arbeitsmarkt stehen jahrelange, oft qualvolle Nachhilfekurse an Schulen bevor. Viele der jungen arabischen Männer müssen erst nochmal die Schulbank drücken, bevor sie halbwegs das Niveau erreichen, das den Beginn einer Ausbildung erlaubt. Ob sie das machen werden?

Eine Ausbildung erfordert Disziplin und Durchhaltevermögen. Daran scheint es vielen Flüchtlingen, aus welchen Gründen auch immer, zu mangeln. Wie die Handwerkskammer München und Oberbayern bei einem Modellversuch festgestellt hat, haben fast 70 Prozent der Auszubildenden aus Syrien, Afghanistan und Irak, die dort vor zwei Jahren eine Lehre begonnen hatten, diese vorzeitig abgebrochen. Viele wollten lieber direkt als Hilfsarbeiter ein paar Euro verdienen als den mühsamen Weg von Sprachkursen und Ausbildung zu gehen.

Von 70% der Bleibeberechtigten wird ihre Arbeitsmarkt-Integration nach 15 Jahren für möglich gehalten

Der BA-Vorstand Detlef Scheele, ein ehemaliger SPD-Politiker, hat angedeutet, wie mühsam die Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt sein wird. „Wenn es gut läuft, werden im ersten Jahr nach der Einreise vielleicht 10 Prozent (der bleibeberechtigten Flüchtlinge) eine Arbeit haben, nach fünf Jahren ist es die Hälfte, nach 15 Jahren 70 Prozent“, sagt Scheele.

Und selbst diese Erfahrungen von früheren Immigranten sind vielleicht zu optimistisch. Denn eine solche hohe Welle an Zuwanderern aus fremden Kulturkreisen hat es noch nie gegeben. Freilich stimmt es, dass der deutsche Arbeitsmarkt derzeit aufnahmebereit wäre – aber nur für Menschen mit Qualifikation. Die meisten Jobs in Deutschland, auch im Handwerk, verlangen heutzutage erhebliches fachspezifisches Wissen und Können.

All das zeigt, wie überzogen, geradezu lächerlich das Gerede war vom großen Wachstumsschub durch die Million junger, motivierter Asylzuwanderer. Das politisch-korrekte Luftschloss weicht hingegen einem Geisterhaus, in dem die absehbar scheiternde Integration eines großen Teils der Zuwanderer einen Berg an sozialen Problemen produzieren wird. Angela Merkel, sagt der Entwicklungsökonom Paul Collier (Oxford), hat durch falsche Signale eine verhängnisvolle Migrationsdynamik ausgelöst. „Sie hat Deutschland und Europa damit definitiv ein gewaltiges Problem aufgebürdet“, kritisiert Collier.

Die Entstehung neuer islamischer Parallelgesellschaften durch die ungesteuerte Zuwanderung wird eine der Folgen sein, mit der Deutschland zu kämpfen haben wird – noch lange nachdem die „Wir schaffen das“-Kanzlerin schon abgetreten sein wird.

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Kommentare ( 1 )

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Schwabenwilli
5 Jahre her

„Von 70% der Bleibeberechtigten wird ihre Arbeitsmarkt-Integration nach 15 Jahren für möglich gehalten“

Wenn einer 5, 10 oder 15 Jahre ohne Arbeit gut ausgekommen ist, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit das er/sie jemals ein ernsthaftes Interesse haben wird einer Beschäftigung nachzugehen?