Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine

Das britische Magazin „The Spectator“ bringt aktuell einen Bericht über den desolaten Zustand der Bundeswehr – das meldet sogar die BILD! Josef Kraus und Richard Drexl haben bereits im Juni ihre gründliche und schonungslose Bestandsaufnahme vorgelegt. Am 11. September lesen sie in Berlin aus ihrem Buch: eine Empfehlung.

© Thomas Starke/Getty Images
Symbolbild

Im Jahre 1962 führte ein Beitrag des ehem. Fallschirmjägeroffiziers Conrad Ahlers über den Zustand der Bundeswehr zur „Spiegelaffäre“ und schließlich zu einer Regierungskrise, in deren Verlauf der Verteidigungsminister zurücktrat. Sein Titel: „Bedingt abwehrbereit.“ Die darin enthaltenen Mängelbeschreibungen galten damals als „Abgrund von Landesverrat“. Kürzlich erschien ein Bericht über Mängel und Fehlentscheidungen in der heutigen Bundeswehr, der Stoff für ein ganzes Buch bot. Sein Titel: „Nicht einmal bedingt abwehrbereit“. Dass bald darauf wiederum ein Wechsel im Verteidigungsministerium stattfand, ist zwar diesem Buch weder anzulasten noch zugute zu halten. Doch mit dem Wechsel in der Führung liest es sich plötzlich wie die Leistungsbilanz einer Ära.

Dass sich die Autoren noch auf freiem Fuß befinden, sagt nichts über die Brisanz des Mängelberichts aus. Eher über die Entwicklungen des Sicherheitsverständnisses seit 1962.

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Da gingen die Autoren noch zur Schule. Der Ältere, Josef Kraus, Jahrgang 1949, wurde Reserveoffizier, danach Lehrer. Als Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und in weiteren Ämtern machte er sich einen Namen als unerschrockener Mahner und Kämpfer gegen kulturellen und sittlichen Verfall sowie gegen Erscheinungen des Zeitgeistes im Bildungs- und Schulwesen. Im „Beirat Innere Führung“ gewann er Einblicke in das innere Gefüge von Ministerium und Streitkräften.

Der andere, Oberst Richard Drexl, Jahrgang 1952, kennt das BMVg aus dessen innerstem Bereich, die Bundeswehr aus langjährigen Truppenverwendungen und das Materialwesen und seinen Entstehungsgang ebenso wie die anspruchsvolle Ausbildung in der Instandsetzung modernsten Geräts. Was beiden Verfassern gemein ist, sind ihre Orientierung an soldatischen Grundsätzen, ihr unabhängiges und sachkundiges Urteilsvermögen, ihre Zuwendung zur Truppe und ihr klares Verständnis militärischer Erfordernisse der Gegenwart.

Zweihundert Seiten detaillierter Beschreibungen von Entwicklungen, Zuständen, Sachverhalten oder Strukturen können auch neugierige oder mit einzelnen Themen vertraute Leser ermüden. Dem wirken die Verfasser methodisch geschickt mit einer detaillierten Untergliederung der sieben Kapitel entgegen. Kaum eine Einzelbeschreibung erstreckt sich über mehr als vier Seiten. Das erlaubt dem Leser, sich einzelne Themen bevorzugt herauszugreifen, ohne im Anfang steckenzubleiben. Die damit verbundene Verkürzung ist nicht überall vorteilhaft: Etwa im Kapitel „Strategische Lage“ sind Verzerrungen nicht zu vermeiden, und die Geschichte der Bundeswehr kann auf zwanzig Seiten Wikipedia-Niveau kaum verlassen. Das entspricht offensichtlich der Absicht, eine Art Nachschlagewerk über die Bundeswehr zu schaffen und dürfte heutigen Lesegewohnheiten eher entgegenkommen.

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Auch wenn der Titel auf eine Momentaufnahme schließen läßt, die das Buch auch darstellt (wie zahlreiche Quellenhinweise belegen), fehlt es nicht an Darstellungen politischer und geschichtlicher Epochen und organisatorischer oder technischer Entwicklungen. Sie münden jeweils in Bilanzen aus heutiger Sicht und geben Rechenschaft. Mit den sich jeweils anschließenden „Folgerungen“ wagen sich die Autoren weit in das Gebiet fachlicher Empfehlungen vor.

Die kritische Auseinandersetzung reicht bis in Themen der an Mißverständnissen und Zweckinterpretationen überreichen „Inneren Führung“. Dabei werden bürokratische Exzesse, soziale Experimente und andere Fehlentwicklungen klar benannt, die den Soldaten die Ausübung des Dienstes völlig unnötig erschweren.

Jeder wird in diesem lesenswerten Buch etwas finden, das er bereits wusste oder kannte, aber jeder auch interessante Einzelheiten und Bewertungen.

Für Politikerinnen, die ohne jegliche Vorkenntnisse zur Sicherheitspolitik gelangen, eignet sich dieses Buch vorzüglich zur Analyse, wo anzusetzen, wo fortzufahren ist und was es tunlichst abzuschaffen, zu ändern oder zu vermeiden gilt. 


Jürgen Reichardt ist Generalmajor a.D. des Heeres der Bundeswehr, war bis 2014 Vorsitzender des Bayerischen Soldatenbundes und wurde u.a. mit dem Bayerischen Verdienstorden und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.


Josef Kraus und Richard Drexl lesen aus ihrem Buch am Mittwoch, den 11.9.2019 um 19.00 Uhr in der Bibliothek des Konservativismus.

Die Berichte im SPECTATOR und in BILD finden sich über die hier eingebauten Links.


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Kommentare ( 24 )

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Strange
4 Jahre her

Man sollte auch ein Auge auf die Moslems in der Bundeswehr haben. Viele davon laufen mit „islamischen Bärten“ rum. Auf wen werden die im Falle X hören und gegen wen werden sie kämpfen bzw. nicht kämpfen? Etliche sind Offiziere/Unteroffiziere, haben also Zugang zu vertraulichen Informationen und Waffen. Das schreckt sicherlich auch viele von einem Dienst an der Waffe ab. Hier wäre ein Statement von Kennern der Armee hilfreich.

Fui Fujicato
4 Jahre her

Die Bundeswehr gehört nicht in alle möglichen Länder! Für derartige Einsätze ist jeder aufgewendete Euro rausgeschmissenes Geld! Unsere Freiheit und Demokratie wird nicht am Hindukusch oder sonstwo verteidigt, sondern einzig und allein an unseren Landesgrenzen!
Und zur Landesverteidigung und Sicherung unserer Staatsgrenzen benötigen wir auch kein neues und fehleranfälliges, sondern nur altes und einfach zu wartendes Material! Auch 30 Jahre alte Panzer und mit altem Gerät ausgerüstete Truppen würden eine effizienze Abwehr gegen die effektiv, von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnte, unerwünschte und grundgesetzwidrige Zuwanderung unerwünschter Subjekte aus aller Herren Länder in unsere Sozialsysteme verhindern!

Sonny
4 Jahre her

Die Bundeswehr ist an ihrem eigenen Personal gescheitert. Es geht halt nicht, bei der Bundeswehr einerseits die Liebe zu Deutschland und dessen Verteidigung zu verinnerlichen, in der Politik aber so gut wie nicht vertreten zu sein. Für mich gefühlt hat es seit Peter Struck keinen ordentlichen Verteidigungsminister mehr gegeben, aber ich bin kein Experte. Die Ursache ist wohl, dass die Maxime „Vaterlandsliebe und dessen Verteidigung“ in Deutschland kontinuierlich von oberster Regierungsstelle boykottiert und herabgewürdigt wurde. Man konnte ja voller Entsetzen dabei zuschauen, wie halbseidende Verteidigungsminister und besonders Verteidigungsministerinnen ohne jeglichen Verteidigungsbezug Deutschlands „Wehr“ verkommen ließen und lassen und zu einer… Mehr

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Sonny

…..struck inclusiv, oder exclusiv?

Sonny
4 Jahre her
Antworten an  friedrich - wilhelm

Ohne Struck. M.E. fing danach die Misere an.

Thomas Hellerberger
4 Jahre her

Jede Analyse des desolaten Zustandes der Bundeswehr, dem auch viele Menschen rechts der Mitte mit Gleichgültigkeit begegnen, ist sinnlos, wenn sie nicht die tieferen Ursachen, nämlich den deutschen Haltungspazifismus nach 1945, beleuchtet. Nur ein Volk, das in seiner Breite eigentlich keine Armee will und gelernt hat, daß rasche und bedingungslose Kapitulation am Ende die größere Rendite zu bringen scheint, kann sich so eine Trümmerarmee (die ja eigentlich gar keine ist) leisten. Das war 1962 kein bißchen anders als 2019, egal ob der Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß hieß oder heute AKK. Nun bin ich überzeugt, daß Strauß nicht die „Spiegel-Affäre“ zu Fall… Mehr

Hans Druchschnitt
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

@ Thomas Hellerberger
Mich langweilen Ihre ständigen Fehlinterpretationen der geschichtlichen Hintergründe, die unter anderem vernebeln, das wir seit 45 nicht Herr im eigenen Haus sind und ihre Begeisterung dafür am Halsband einer räuberischen Finanzelite den Kampfhund für geopolitische und wirtschaftliche Raubzüge des Hegemons zu geben, um Länder und Völker Welt weit auszuplündern.
Vielleicht saßen sie auch nur zu oft auf dem Schoß eines den Krieg verherrlichenden Großvaters aus der Etappe. Andere hörten Geschichten ihrer Großmütter vom Leid zwar das Eiserne Kreuz posthum, aber nicht den geliebten Ehemann und Brüder zurück zu bekommen.

Schwabenwilli
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Können sie sich vorstellen das ein Rentner mit 850 € dem schon zustimmen würde, unser Herr Kraus mit xxxx € Rente aber nicht? Egal was der Flaschensammler denkt.

Timur Andre
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

USA und andere wollten die Pazifierung des dt Volkes und haben es erreicht

Fui Fujicato
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Wieso die Rentner auf Rente verzichten lassen ??? Wenn überhaupt, müßte zuerst allen Bediensteten und Pensionären des öffentlichen Dienstes, allen Ministern, allen Parlamentariern, allen Abgeordneten, etc., p.p., die Bezüge um mindestens 50% gekürzt werden! Diese Personengruppe hat niemals in die Sozialsysteme eingezahlt, bedient sich aber hemmungslos -überproportional – an diesen Systemen (aus Steuermitteln). Der Rentner erwirtschaftet seinen Rentenanspruch im Laufe der Jahre und erhält seine Rente auf Basis der eingezahlten Beiträge, der Pensionär erhält seine Pension auf Basis des letzten Einkommens (wo er kurz vor Erreichen der Pensionsgrenze noch einmal – aus absolut unerfindlichen Gründen – noch einmal befördert wurde,… Mehr

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Sehr guter Beitrag, Herr @ Hellerberger. Die Bundeswehr war dem deutschen Politiker immer ein ungeliebtes Kind. Gezeugt von den Amerikanern, einst immerhin mit 12 Heeresdivisionen, gesamt 500 000 Mann (ja, Mann) . Ein sensibles Geschöpf, „die Armee auf der Erbse“ hies es einst. Auch für Leute, die heute als „gute BMVg´s gehandelt werden , wie Strauß, nur ein Steinbruch für eigene Interessen (schauen Sie sich z.B. die Firma Diehl an). Die Hispano-Suiza und Starfigter-Affairen sind längst aus dem nationalen Gedächtnis verdrängt. Außer an Leber-Schorsch kann ich mich an keinen bemerkenswerten BMVg erinnern, nicht einmal H. Schmidt mit seinem flappsigen Spruch… Mehr

mmn
4 Jahre her

Denazifizierung (ja, offenbar noch nicht abgeschlossen), Demilitarisierung, Deindustrialisierung, Demolierung, Demotivierung …

Timur Andre
4 Jahre her
Antworten an  mmn

Bei der BW ist das anders, diese ist in den letzten 10 Jahren vorsätzlich vernachlässigt worden. Es soll eine von Grundauf neue Armee unter französischer Führung und Ausstattung her. Dann heisst der Kampfpanzer halt Le Opard Deux

Herbert
4 Jahre her

„Das deutsche Militär ist ein Witz“
Ich erinnere mich. Die rotgrünen Spinner und Fantasten wollten diesen Zustand schon immer erreichen. Sie haben es geschafft!

Timur Andre
4 Jahre her
Antworten an  Herbert

Man zahlt immer für eine Armee, die Eigene oder eine Fremde

IJ
4 Jahre her

Es ist zutiefst verwerflich, die deutschen Soldaten, die uns Deutsche mit ihrem Leben beschützen, mit einem derartig miserablen, veralteten Material auszustatten. In den USA ist es über alle politischen Parteien hinweg eine Selbstverständlichkeit, dass ihre Soldaten zum Schutz ihres eigenen Lebens und zur Erfüllung ihrer gefährlichen Aufgaben mit der jeweils bestmöglichen und modernsten Technik auszustatten sind. Dass man diesem Ziel auch durch geschicktes Management näher kommen kann, zeigen uns zu aller Schande wer? Etwa die Russen, über deren angeblich geringe Effizienz ansonsten in deutschen Chefetagen und Parteibüros gern gelächelt wird.

Helmuth Herterich
4 Jahre her

Man sollte die Bundeswehr abschaffen und mit dem eingesparten Geld Kinderspielplätze und Radwege bauen. Nach 3 Angriffskriegen in den vergangenen hundert Jahren sollte eigentlich kein Deutscher mehr eine Waffe in die Hand nehmen dürfen. Geschweige denn im Ausland damit schießen! Als ich in den 60ern beim Bund war, war der Sinn der NATO klar: Angriffe des Warschauer Paktes abzuwehren. Doch seit 1991 gibt es keinen Warschauer Pakt mehr. Damit hat die NATO ihre Daseinsberechtigung verloren! Wenn mir ein böser Nachbar seinen Müll über den Zaun in meinen Garten wirft, ziehe ich auch nicht mit meinen Freunden los, um ihn zu… Mehr

Schwabenwilli
4 Jahre her
Antworten an  Helmuth Herterich

Super Idee, wir „Outsourcen“ das ganze Militär und überlassen für die Milliarden die Sicherheit Putin und oder Trump. Stationieren in den leeren Kasernen Russen und Amis oder wenns noch etwas billiger sein soll einfach mal 200000 Chinesen oder, fürn Appel und ein Ei Afrikanische Söldnertrupps, die kosten fast nix und, ganz großer Vorteil, die sind hälftig schon im Land.

Kleiner Tipp, schauen sie mal nach Frankreich da erleben sie wofür das Militär in Zukunft in Deutschland gebraucht wird.

friedrich - wilhelm
4 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

….die afrikaner und asiaten sind ja schon da! manche bewohnen noch oder haben kasernen (teile) bewohnt!

Stefferl
4 Jahre her
Antworten an  Helmuth Herterich

Die UN-Blauhelmtruppen rekrutieren ihre Weltpolizisten aus ……………………………………………………………. Soldaten. Oh, welch eine Überraschung. Wenn wir die Bundeswehr heute abschaffen würden, dann hätten die Russen bereits heute Abend die Oder überquert. Sie können gar nicht so schnell schauen, wie die ihre Chance ergreifen. Gut, vielleicht sind es aber auch nur irgendwelche grünen Männchen, wie in der Ostukraine oder auf der Krim.

der_chinese
4 Jahre her
Antworten an  Helmuth Herterich

Wieso sollte die NATO ihre Daseinsberechtigung mit dem Untergang des Warschauer Paktes verloren haben?

Der Warschauer Pakt war die Antwort AUF die NATO, nicht umgekehrt.

Schwabenwilli
4 Jahre her

Der zusätzliche Skandal ist wo bleiben die 40 Milliarden jährlich für eine 170T Personen starke Truppe? Teure Großgeräte wie Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe praktisch nicht angeschafft werden, die Alten sogar nicht alle Einsatzfähig sind. Wer stopft sich da die Taschen voll?

Sonny
4 Jahre her
Antworten an  Schwabenwilli

„Berater“. Siehe McKinsey und UvdL´s Sohnemann.

Der nachdenkliche Paul
4 Jahre her

Mein Dank an die beiden Autoren Josef Kraus und Richard Drexl für diese schonungslose Bestandsaufnahme.