Andreas Böhme fragt sich als Rezensent der „WAZ“ stellvertretend für viele Zuschauer, ob das denn überhaupt noch ein Krimi ist. Die Antwort fällt bei ihm eindeutig aus: „Dieser Tatort ist eher gut gespieltes Sozialdrama.“

Das ist beim Sonntagskrimi, speziell der Dortmunder Variante, gut geübte Praxis: Hier hat so ziemlich alles Schlagseite. Vom schrägen Peter Faber (Jörg Hartmann) über seine verdruckste Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) bis hin zur zwielichtigen Kommissariatsleiterin Ira Klasnic (gespielt von Alessija Lause, schmust mit albanischen Gangstern in Folge 1298) und dem untercharismatischen Staatsanwalt Matuschek (Moritz Führmann).
Krimi-Shoppen ohne Gewähr: Ermittler, Verdächtige, Zeugen – alle mit deutlichen Gebrauchsspuren
Weit und breit niemand, der beim Tatort Dortmund über ein ansatzweise geregeltes Familien- oder Liebesleben verfügen würde. Auch nicht der dank eines vom Bundesland Bayern abgekupferten polizeiinternen Förderprogramms (Faber dazu, ironisch: „wenn es aus BY kommt, muss es ja gut sein“) neu zur Kripo gestoßene Streifenpolizist Otto Pösken (Malick Bauer), der Herzog offenbar im Auftrag von Klasnic bespitzelt, anbaggert („du kriegst das hin, bist so gut darin, Leute zu lesen“) und endlich im nächtlichen Büro rumkriegt.
Wie bei dieser Ausgangslage zu erwarten, steht auch der neue Fall unter keinem guten Stern: Zoe Gebken (Tesla Tekin) irrt in der Eröffnungsszene (erdacht von Regisseurin Nana Neul) rußgeschwärzt wie ein untotes Wesen durchs frühmorgendliche Dortmund. Ihre tränenüberströmte Mama Meike Gebken (Nadja Becker) wird, an Rauchgasen erstickt, in ihrem Vorstadthäuschen (Nachbarin: „in der Gegend sind schonmal nachts Autos aufgebrochen worden“) gefunden. Da wohnte sie aber schon länger nicht mehr, lebte wegen der brutalen Angriffe ihres Lebensgefährten Jens Hielscher (Sebastian Zimmler) schon seit einiger Zeit in einem Frauenhaus im Stadtteil Dorstfeld.
Richterliche Vorurteile gegenüber Aussagen von Frauen als Filmvorlage?
Wie Rainer Tittelbach in seiner Rezension andeutet, basiere dieser Tatort wohl auf einer „Recherche von Correctiv und Süddeutscher Zeitung vom März 2023“ in der die auf den ersten Blick fragwürdige Praxis, dass einer Frau, die vom Partner geschlagen wird und dies vor Gericht eindringlich geltend macht, das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden kann. Die bloße Schilderung der Gewalt könne als „Belastungseifer“, also als übertriebene, theatralische Bezichtigung des Prozessgegners ausgelegt werden. Auch Meike Gebken hatte aus Furcht vor solchen Konsequenzen, wie eine Mitbewohnerin des Frauenhauses (Gudrun Haus, gespielt von Martina Eitner-Acheampong) andeutet, nach Belastungsmaterial gegen Jens Hielscher gesucht.
Der schlimme Jens: „wirklich nett, wenn er wollte“?
Wenn jemand als Bösewicht aufgebaut werden soll, macht der Tatort kurzen Prozess. Selbst im Kreise der Ermittler wird von ihm nur als dem „Ar…ch“ gesprochen, mehrfach wird er aufgefordert, doch mal seine „Fr…e zu halten“. Schon bei der Vernehmung durch Faber macht sich der Partner von Meike Gebken durch sein Verhalten unsympathisch, lümmelt übernächtigt und mit Hangover auf einer Schmuddel-Couch in seiner windigen Import-Export-Firma herum. Rückblenden zeigen, wie er seine Frau wie ein Sex-besessener Neandertaler durch die Wohnung zerrt. Niemand wundert’s, dass er und seine zwielichtigen Geschäftsfreunde (Henrik Grooten, gespielt von Jean-Luc Bubert) möglichweise in Hehlerei verwickelt sind, er Verträge nicht einhält, säuft und sich eines liederlichen Liebeslebens befleißigt. Seine Tochter Zoe allerdings scheint ihn anzuhimmeln, ganz im Gegensatz zu „Stiefsohn“ Finn aus Meikes erster Ehe (Caspar Hoffmann), der ihn am liebsten umbringen würde.
Klasnic, die Faber nur noch „Frau Dingenskirchen“ nennt, schleust Rosa Herzog gegen ihren Willen und ohne Matuscheks Segen „undercover“ ins Frauenhaus ein, was die, obwohl ihre Legende vorher noch wie beim BND durch peinliches Befragen getestet wird (Beruf? „Ich mach’ was freischaffend mit Lektoraten“), an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt. Schrecklich sind die dort Schutz suchenden Frauen zugerichtet, haben allesamt üble Erfahrungen gemacht, weshalb das Haus nachts von Schluchzen und Weinen widerhallt. Wie Amelie Schreiners (Katharina Behrens), deren Mann damit drohte, „die Hunde zu verprügeln, wenn sie ihm nicht zur Triebabfuhr zur Verfügung stünde“. Herzog hält die traurige Atmosphäre nicht mehr aus, flieht zurück in ihr Kommissariat, damit wieder Frauen, die den Platz dringender brauchen, einziehen können.
Freundin über Meike: „Zu früh geheiratet, dann Scheidung und wieder zum Falschen …“
Übel zugerichtete Frauen gibt es aber nicht nur im Frauenhaus: Fanny Bellmes (Karolina Lodyga) war eine gute Freundin (naja, wenn man davon absieht, dass sie sie mit Jens betrogen hat) Meikes, und hatte großes Mitleid mit ihr. Ihre Freundin sei „ein Wrack gewesen“, aber trotz aller Misshandlungen immer wieder zu ihrem Lebensgefährten zurückgegangen. „Soll das Schwein die Kinder wieder kriegen?“, fragte sie sich, und kümmerte sich trotz ihrer Alkohol- und Drogensucht manchmal um Finn und Zoe. Als sie merkt, dass Meike wieder in Jens’ Haus ziehen wird, schüttet sie eine brennbare Flüssigkeit durchs gekippte Fenster und will damit wenigstens dessen Immobilie die Attraktivität nehmen. Leider stirbt Meike dabei.
Wenn der Schutzmann ums Eck kommt … Großstadtrevier revisited
Obwohl die Großtadt Dortmund beteuert, dass ihr Vielfalt wichtig ist, spiegelt sich das in diesem Tatort nicht wider. Vielleicht hat das etwas mit dem sensiblen Thema zu tun, um das sich eine Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3527 vom 18. März 2024 drehte: „… mit Bezug auf einen Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes darauf hinweist, dass laut einer Statistik aus dem Jahre 2023 rund 69 Prozent aller Frauen in Frauenhäusern Ausländerinnen waren …“ und die Zahl deutscher schutzsuchender Frauen kontinuierlich zurückgehe, wohingegen die Zahl insbesondere bei Migrantengruppen aus dem Nahen Osten ansteige. „Die meisten von ihnen stammen dabei aus Syrien, der Türkei, aus Afghanistan und dem Irak.“
Also sind offenbar hauptsächlich Frauen mit sogenanntem „Migrationshintergrund“ betroffen.
Diese Konstellation lässt der Tatort mit der auch Schutz suchenden Nayla Akgün (Hannah Gharib), die Faber den Rat gibt, „wenn Du eine Frau brauchst, such’ am Bahnhof“, nicht völlig außer Acht.
Jedoch geht Regisseurin Nana Neul im WDR-Interview darauf mit keinem weiteren Wort ein: „In ‚Feuer‘ geht es um Femizide und um Frauen, die vor häuslicher Gewalt ins Frauenhaus flüchten. Da in Deutschland jeden Tag eine Frau umgebracht wird, ist das Thema gerade hoch aktuell. Und der Tatort eignet sich ganz wunderbar, um gesellschaftlich relevante Themen einem breiten Publikum zugänglich zu machen.“
Auch Drehbuchautor Markus Busch redet irgendwie um den heißen Brei herum: „Es ist ein furchtbares Problem, also ist es extrem wichtig. Ganz egal, wie nah einem das Thema schon einmal persönlich gekommen sein mag. Was mir darüber hinaus am Herzen lag, war der Versuch, in dieser Tragödie (zwangsläufig – es ist ja die Geschichte eines Verbrechens) nicht ‚nur‘ so etwas wie Wege zu einer Ermutigung zu suchen, sondern auch herauszufinden und zu erzählen, warum es so verdammt schwierig ist, aus den Gewaltspiralen auszubrechen oder auch, den Betroffenen (in der weit überwiegenden Zahl der Fälle Frauen und Kinder) aus ihnen herauszuhelfen. Und zu erzählen, wie weit diese Form der Gewalt wirkt, wie tief und unsichtbar das Gift in das Leben einsickert. Und so zumindest eine Ahnung für die Gründe zu bekommen, warum es so dramatisch unausrottbar scheint. Und ich hoffe einfach, dass dieser Film auch quasi in die andere Richtung funktioniert: dass er auch Täter nicht unberührt lässt.“
Und so vermeidet es der Film, auf die gesamte Bandbreite von Tätern einzugehen, ebenso wie vier Jahre zuvor das „Großtadtrevier“ zum selben Thema, in dem es weit und breit keine anderen Protagonisten zu geben schien, als ganz urtypische Norddeutsche. Ausnahme: Polizist Lukas Petersen (Patrick Abozen), den „zwei Kollegen aus eindeutig rassistischen Motiven aufgreifen“.
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Der Krieg bestimmter Männer gegen ihre Frauen&Mädchen ist in vollem Gange. Alles für den finanziell-demografischen Jihäd. Die UNO weiß das: Weltbevölkerungskonferenz: Neuer Anlauf für Frauenrechte – DW – 12.11.2019 und UNICEF prangert Kinderehen an – DW – 07.06.2019. Sagst du was, dann: AG München, Urteil vom 04.09.2018 – 824 Cs 112 Js 101229/18 – openJur
> „Dieser Tatort ist eher gut gespieltes Sozialdrama.“
Geht es hier um fiktive Verbrechen? Vielleicht um eine Krimiserie wie „Castle“ oder „Navy CIS“? Ist diese noch schwarz-weiß oder gab es in dieser Zeit bereits Farbfernsehen? Vielleicht hat es mal meine Oma geschaut, aber die ist vor über 20 Jahren gestorben.