Grüne und Atomkraft: Mit dem Ausblenden von Antworten Kurs halten

Der Twitter-Account der Grünen wollte den Bundesvorsitzenden Omid Nouripour mit einem Anti-Kernkraft-Zitat in Szene setzen. Widerspruch duldeten die Grünen nicht, als die Nutzer mit Statistiken konterten. Doch die Ausblendung unliebsamer Meinungen ging nach hinten los.

IMAGO/S. Simon, Screenprint: Twitter/Die Gruenen, Collage: TE

Wir haben kein Wärme-, sondern ein Stromproblem, behauptete Robert Habeck. Mit jedem Tag, an dem aber die gegenteilige Wahrheit sich in Graphen, Rechnungen und zuletzt Schulden und Armut Bahn bricht, werden die Füße grüner Parteivertreter kälter – selbst in den gut beheizten Spätsommerstuben. Irgendwann könnten die Menschen fragen: Warum hat man in der Energiekrise nicht die Kernkraftwerke weiterlaufen lassen?

Die PR-Manager der Partei werden um dieses drohende Szenario wissen. Aber solange der Tag nicht gekommen ist, spielen sie ihre Rolle weiter. Das Lebenswerk einer Partei steht auf dem Spiel. Die alten Granden meldeten sich zu Wort. Kurz vor Torschluss darf kein Fehler passieren. Bei einer solchen Vorgabe – Zitat Michael Schroeren: „Jetzt, kurz bevor die letzten vom Netz gehen, lass ich mir den Erfolg nicht klauen!“ – erreicht der ostentative Pippi-Langstrumpf-Modus neue Höhepunkte.

— BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (@Die_Gruenen) August 28, 2022

Omid Nouripur, Bundesvorsitzender der Partei, nutzte daher das ZDF-Sommerinterview, um neuerlich die Kernkraft zu diskreditieren. Gerne nahm es der offizielle Twitter-Account der Bundespartei auf. Dass die Gas-Strategie uns in die Krise gebracht hat, die mit nicht-grundlastfähigen „Erneuerbaren“ zusammenhängt, musste durch ein Täuschungsmanöver überspielt werden. Die Direktive lautete: Kernkraft bringt auch nichts. Nouripour: „In Frankreich, da wo die AKW nicht laufen können, weil es nicht genug kaltes Wasser gibt in den Flüssen, sieht man: Atomkraft ist Vergangenheit.“

Rund 1.200 Antworten bekam der Tweet – und damit deutliche Reaktionen vonseiten der User, die diese Darstellung als „Fake News“ betitelten. Hintergrund: Zwar gibt es tatsächlich einige Anlagen, die wegen der Wassertemperaturen gedrosselt wurden. Die meisten von ihnen sind jedoch schlicht im Wartungsmodus.

Dass die französische Kernkraft zudem in der Vergangenheit häufig genug einsprang, wenn Wind und Sonne in Deutschland nicht so wollten, wie sie sollten, steht dabei noch auf einem ganz anderen Blatt. Der Kniff, ausgerechnet die Atomkraft als unzuverlässig darzustellen, ging demnach nach hinten los.

Die Grünen konterten auf bewährte Weise. Die störenden Antworten wurden schlicht ausgeblendet – auch die von der Technikhistorikerin und Energiebloggerin Anna Veronika Wendland. Diese hatte es gewagt, die grünen Behauptungen mit Statistiken zu kontern. Die Stummschaltung erwies sich aber als Bumerang. User kopierten die Aussage und setzten sie darunter – darunter auch welche, die ideologisch eher dem linken als dem rechten Lager zuzuordnen waren. Später wurde Wendlands ausgeblendete Antwort als „Fehler“ eingeräumt und wieder sichtbar geschaltet.

Es ist eine kleine Episode aus den sozialen Medien. Sie zeigt aber überdeutlich Akzentverschiebungen. Dass die Grünen mit buchstäblicher Ausblendung unangenehmer Fakten reagieren, mag zwar nicht überraschen, manifestiert sich aber in einer erstaunlich klaren und für alle sichtbaren Weise, die im Internet einem Offenbarungseid gleichkommt.

Twitter ist ein eher links beherrschtes Medium; doch selbst auf Twitter gibt es mittlerweile deutliche Gegenkräfte auch aufseiten der politischen Linken, die die Betroffenen entweder dazu zwingen, die Scheuklappen per Block, Stummschaltung und Ausblendung herunterzufahren – oder sich als Opfer eines vermeintlichen „Shitstorms“ zu gerieren, um nach der eigenen Blamage nebulöse rechte Mächte für das eigene Scheitern verantwortlich zu machen.

Dass nicht nur konservative, sondern auch potenzielle Grünen-Wähler die Geduld mit dem Atomkraftkurs verlieren, zeigt, dass der Partei der eigentliche „Wut-Winter“ noch bevorsteht.

Warum auch zahlreiche sachliche wie informative Antworten wie diese hier aktuell weiter ausgeblendet bleiben?

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