Bei Maischberger: Zwei Interviews – aber wozu?

An diesem Abend sitzen ein politisches Leichtgewicht und ein Schwergewichts-Weltmeister in Maischbergers Studio. Beide Interviews sind verschenkt, denn den einen will Maischberger nicht angehen. Und mit dem anderen führt sie nur das neueste Gespräch zum Krieg in der Ukraine.

Screenprint ARD
Sandra Maischberger weicht an diesem Abend von ihrem gewohnten Schema ab. Statt einer mehr schlecht als recht moderierten Diskussion zwischen zwei Gästen und einem Interview hat Maischberger am Dienstagabend zwei Einzelinterviews. Das Problem ist, dass trotzdem keine Spannung aufkommt.

Es ist die sechste Episode ihrer Talkshow in Folge, in der Maischberger sich mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt. Und vielleicht die erste unter all diesen Folgen, in der ein Schimmer eines Mehrwerts entsteht. Wladimir Klitschko ist im Studio. Er sucht weitere Unterstützung für die Ukraine, um sich der russischen Invasion zu erwehren. Kaum einen Tag, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron öffentlich erklärte, man wolle den Einsatz französischer Soldaten, von Nato-Truppen, in der Ukraine nicht ausschließen, deeskaliert der ehemalige Box-Weltmeister: „Wir brauchen keine Deutschen, wir brauchen keine Nato-Soldaten. Wir brauchen Waffen.“

Es ist eine absurde Situation, wenn der Ruf nach Marschflugkörpern eine Deeskalation ist, aber das ist der Wahnsinn im Europa dieser Tage.

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern weiterhin strikt ab. Sein Argument: Um das System zu steuern, müsste Deutschland Soldaten in die Ukraine schicken. Das würde die Bundesrepublik zur Kriegspartei machen. Was Scholz nicht erklärt: Warum ukrainische Soldaten nicht in der Benutzung des Systems ausgebildet werden. Hat man Angst um Militärgeheimnisse oder werden wieder lange Ausbildungszeiten vorgeschoben? „De facto, wenn man sich zwischen Leben und Tod entscheiden muss, kann man das, was man sonst in einem Jahr lernt, in vier Wochen lernen“, kommentiert Klitschko. Bei den Marder- und Leopardpanzern sei es auch nicht anders gewesen.

Ständiges Trommeln führt zu Taubheit

Klitschko plädiert auch offen für eine „Mobilisierung“ der Bevölkerung in der Ukraine. Konkret meint er damit, dass noch mehr Männer zum Kriegsdienst eingezogen werden sollen. Die Truppen an der Front müssten dringend ausgetauscht werden, ist sein Argument. Dass Männer aus dem Ausland zurück kämen, sei „eine moralische Pflicht“, um das Land zu verteidigen. Martialische Sprache, die Maischberger sichtlich überfordert. Die auch in Deutschland viele vor den Kopf stoßen könnte – doch bis zum Ende des Kalten Krieges war in Deutschland jeder Mann zum Wehrdienst verpflichtet. Neu ist das nicht.

Die Diskussion wäre aber wirkungsvoller, wäre der Zuschauer nicht schon erschöpft: von fünf Wochen davor, in denen auch immer und immer wieder der Krieg Thema ist. Das beständige Trommeln für die Ukraine – die einen finden es abstoßend, die anderen verständlich. Aber die ewigen Diskussionen auf dem Niveau Ralf Stegner gegen Serap Güler, Amira Mohamed Ali gegen Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Sie machen einen taub, wenn das Zuhören sich lohnen könnte. Es ist frustrierend, wenn Politiker weniger spannend diskutieren als ein ehemaliger Box-Weltmeister. Denn nur eine dieser Professionen verdient ihr Geld mit unglaubwürdigen Reden und die andere ist ein respektabler Kontaktsport.

Ampel-Minister: Keine problematischen Fragen bitte!

Der zweite Interviewgast an diesem Abend ist Bundesjustizminister Marco Buschmann. Er ist Ampelpolitiker, nicht AfD-Vorsitzender, also wird er von Maischberger gewohnt vorsichtig angefasst, statt gegrillt zu werden wie Tino Chrupalla vor wenigen Wochen.

Auch ist Maischberger ein Nebenschauplatz der Arbeit Buschmanns extrem wichtig: Die EU-Unterhändler haben sich auf die „Richtlinie zu Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ geeinigt. Es ist ein umfassendes Paket, das gewisse Regelungen vereinheitlichen soll. Der für Maischberger sichtlich schockierende Skandal: Deutschland weigert sich, der EU das Recht zu geben, über das deutsche Strafrecht zu entscheiden. Denn ursprünglich wollte die Richtlinie den Straftatbestand von Vergewaltigung und die Strafen dafür EU-weit vereinheitlichen. Doch das geht nicht, versucht Marco Buschmann Maischberger vergeblich klarzumachen.

Die Kontrolle über das Strafrecht sei ein elementarer Bestandteil der Souveränität eines Landes: Deutschland darf also der EU Entscheidungen über das Strafrecht nicht überlassen.

Aber Buschmann ist von der FDP und nicht von den Grünen. Ganz ungeschoren kommt er daher nicht davon: Weil er sich einem Treffen mit einer „Frauenrechtlerin“ verweigert, versucht Maischberger ihm unterschwellig Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen. Buschmann ist nur perplex: Warum sollte er sich mit einer Frauenrechtlerin treffen, wenn ihre Forderung nach einer Vereinheitlichung des Strafrechts nicht umsetzbar ist? So zumindest seine Darstellung der rechtlichen Probleme. Dass die Interpretation der Ampel und das tatsächliche Gesetz manchmal auseinandergehen, daran hat man sich in diesem Land gewöhnt.

Was Maischberger nicht aufklären möchte mit Buschmann: Wer die North-Stream-Pipeline 2 in die Luft gesprengt haben könnte. Der Anschlag ist zwei Jahre her und immer mehr Staaten stellen ihre Ermittlungen leise ein. Wonach Maischberger nicht fragt: Warum Marco Buschmann, anscheinend Mitglied der FDP, einem illiberalen Gesetz wie dem Selbstbestimmungsgesetz zustimmt. Oder warum die FDP die Versuche von Nancy Faeser, Demokratie und Meinungsfreiheit auszuhöhlen, mitträgt. Aber das wären ja auch schwierige Fragen.

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Kommentare ( 42 )

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Der Person
1 Monat her

„Wir brauchen keine Deutschen, wir brauchen keine Nato-Soldaten. Wir brauchen Waffen.“

Nachvollziehbar. Deutsche oder Nato-Soldaten lassen sich nicht so leicht weiterverkaufen wie Waffen. Positiv: einige dieser Waffen kommen wieder nach Nord- und Westeuropa zurück, so z.B. nach Finnland, Schweden, Dänemark oder den Niederlanden (laut finnischer zentraler Polizeibehörde).

Autour
1 Monat her

Hat man Angst um Militärgeheimnisse oder werden wieder lange Ausbildungszeiten vorgeschoben? Also ich weiss jetzt nicht ob sie Ihren Wehrdienst geleistet haben, aber in einem modernen Panzer sind sie scheinbar noch nicht gesessen… Klar kann man in 4 Wochen lernen einen Panzer zu bewegen, aber damit ist es ja nicht getan! Wussten sie, dass Ex-Marines und Amerikanische Reservisten, die Jahrelang ihren Militärdienst geleistet hatten nach einer „Urlaubsunterbrechung“ auch erst mal für mind. 6 Monate eine „Auffrischung“ bekommen bevor sie in ein „Krisengebiet“ geschickt werden? Und diese Menschen haben auf dem Kriegsmaterial gelernt! Und jetzt sollen diese Superukrainer in einem Monat… Mehr

Michael Palusch
1 Monat her

Der gute Herr Klitschko sieht für sich selbst diese „moralische Pflicht“ offenbar nicht, sonst würde er ja nicht durch deutsche Fernsehstudios tingeln.
Die Ukraine braucht also keine Soldaten sondern „nur“ Waffen?! So, als hätte es diese bislang nicht schon in Unmassen gegeben. Es erscheint etwas merkwürdig, dass diese Unzahl an westlichen Waffen plus die riesigen Vorkriegsbestände der Ukraine wohl ohne damit korrospondierende personelle Verluste abhanden kamen.

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
Logiker
1 Monat her

Der Westen hat jetzt die Wahl, ob nur die Ukraine verloren hat, oder ob wir alle verlieren.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Logiker

Ja. Sie könnten endlich die Diplomatie einschalten und auf Verhandlungen drängen.
Geht halt nicht mit Baerbock. In einem Interview mit ZDF Sievers zeigt sie sich knallhart und alternativlos – sowohl gegenüber Menschenmaterial, das weiter verheizt werden soll als auch gegenüber denen, die das mit Milliarden ihrer Steuergelder weiter zu finanzieren oktroyiert sind: https://twitter.com/tomdabassman/status/1761534707689210171
Die das RAND-Papier schrieben, schätzten sie genau so ein. Bis zum bitteren Ende. Was heißt, auch wir werden noch mehr verlieren als bislang schon deutlich.

Inana
1 Monat her

Das Problem der Taurus ist doch etwas ganz anderes. Es ist nicht diese eine Forderung – aber es wird nicht bei der Forderung nach Taurus bleiben, sondern auf diese Lieferung wird die nächste und nächste Forderung folgen. Und dadurch rutscht Deutschland natürlich immer tiefer in den Ukraine-Krieg. Hinter all diesen Waffensystemen steht eine weitreichende Logistik und immer mehr politisches, militärisches und ökonomisches Kapital. Der Bruch mit Russland wird immer massiver – und ein immer größerer Teil der Eliten hat seine Karriere an die Ukraine und ihren Sieg gebunden. Im Ergebnis kann man immer weniger raus und gerade wenn es schlecht… Mehr

November Man
1 Monat her

Vom FDP Buschmann können sogar die AfDler noch was lernen. Der hat jede Antwort oder Stellungnahme zu Aussagen von Anderen rigoros abgelehnt. Darin ist Buschmann Weltmeister. So sollten die AfDler auch reagieren, wenn sie permanent zu Aussagen anderer Politiker, wie z.B. von Herrn Höcke oder Herrn Krah, von der AfD Stellung nehmen sollen.
Wenn die Lügenpresse was wissen will, soll sie diese Leute persönlich in ihre Shows einladen.
Am besten beide gemeinsam.  

Dr. Rehmstack
1 Monat her
Antworten an  November Man

Herr Chrupalla hat Herrn Lanz gebeten, doch zu den Aussagen Jan Böhmermanns Stellung zu nehmen, danach war Ruhe.

Dr. Rehmstack
1 Monat her

Informativer war eigentlich die Sendung bei Lanz, in der der Hamburger Bürgermeister Tschentscher, Sozialdemokrat und Mediziner, kein gutes Wort an Lauterbachs und Buschmanns Legalisierung von Cannabis lies. Mit drastischen Bildern und Informationen über die Macht von Drogenkartellen in Amsterdam, die die Staatsgewalt offen herausfordern, wurde deutlich, welche Büchse der Pandora die beiden Herren geöffnet haben. Tschentscher verweigerte ganz offen die Zustimmung zu dem Gesetz seines Berufs- und Partei Kollegen.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Bei mir fand ich heute schon welche im Park, die bereits ganz offen „konsumierten“.
Nun denn. Vielleicht wollen sich Lauterbach wie Buschmann auch nur schützend vor unsere Polizisten stellen – denn die sind ja betroffen, wenn Menschen aus aller Welt auf ihre Untat aufmerksam gemacht werden müssen und nicht damit einverstanden sind und sich wehren, wegen solcher „Ordnungswidrigkeit“ angemacht zu werden?

Memphrite
1 Monat her

In der NYT wurde jetzt bekannt geben, das die CIA mehrere „Geheimdienstbasen“ in der Ukraine in direkter Nähe zu Russland unterhielt.
Dort wurden ukrainische „Patrioten“ in diversen geheimdienstlichen „Unternehmungen“ gegen Russland ausgebildet.
Aber das die USA „Gottes auserwähltes Volk sind“ und nur das Gute wollen und verbreiteten, sollte man das nicht als mögliche Aggression sehen.
Würde mich fragen wie die USA auf solche Basen von China und Russland in Mexiko reagieren würden?

Mayor Quimby
1 Monat her
Antworten an  Memphrite

Und das schon vor zehn Jahren!

Michael Palusch
1 Monat her
Antworten an  Memphrite

In der westlichen „Wertegemeinschaft“ gilt der Satz:
Wenn zwei das Gleiche tun ist es noch lange nicht dasselbe.

Die schlaue Loni
1 Monat her

Ich staune, dass der Spartenkanal ARD und talk-shows, die niemand sieht, die journalistisch langweilig und ideologisch einseitig sind, immer noch wahrgenommen und kommentiert werden. Ich frage mich, was der wirkliche Aufreger ist? Dass ARD+ZDF tatsächlich demnächst ihre GEZ-Beiträge erhöhen? Oder, dass es immer noch Leute gibt, die bereit sind, diesen Gebühren-Irrsinn zu bezahlen?

goatuppes
1 Monat her

Klitschko plädiert auch offen für eine „Mobilisierung“ der Bevölkerung in der Ukraine. Konkret meint er damit, dass noch mehr Männer zum Kriegsdienst eingezogen werden sollen. Die Truppen an der Front müssten dringend ausgetauscht werden, ist sein Argument.“
Warum ist der Herr Klitschko denn nicht an der Front???