Bei Illner: Merz in der Höhle des Löwen

Ein demütiger Merz lauscht im Weißen Haus Trumps Monolog und deutsche Medien feiern es schon als Erfolg, dass es nicht zum Eklat gekommen ist. Während Trump längst seine Agenda verfolgt, bleibt Deutschland im transatlantischen Schattenspiel Statist ohne Einfluss. Von Fabian Kramer

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Donald Trump ist in den westlichen Gazetten als das personifizierte Böse verschrien. Umso erstaunter war vor allem die deutsche Presse, dass der erste Besuch von Kanzler Merz im Weißen Haus recht gesittet ablief.

Zwar blieb Merz über weite Strecken abgemeldet, weil Trump die meiste Zeit sprach. Aber es hätte doch weitaus schlimmer kommen können. Zur Wahrheit gehört aber, dass das Treffen von Trump und Merz in der amerikanischen Öffentlichkeit eher eine Randnotiz darstellt. Amerikanische Nachrichten sind nicht wie die Tagesschau, in der sich mehr als die Hälfte der Beiträge um Auslandsberichterstattung dreht. In Amerika interessieren sich Medien und Politiker fast ausschließlich für lokale Themen. Im Übrigen wird das Interesse an amerikanischen Themen auch von den ausländischen Staatsgästen erwartet. Für Merz dürfte es ein Leichtes sein, da er jahrelang für einen amerikanischen Vermögensverwalter gearbeitet hat.

Die abendliche Talkrunde bei Illner hat den ersten Besuch von Merz im Weißen Haus als thematischen Schwerpunkt. In der Runde ist man allgemein erleichtert, dass es zu keinem Eklat wie bei Selensky gekommen ist. Größeren Erkenntnisgewinn bringt die Runde allerdings dann auch nicht.

Der Stand der Dinge ist immer noch derselbe. Die deutsche Politik ist nach wie vor um ein gutes Verhältnis zu Amerika bemüht, hat aber wenig Vertrauen in Trump. Die Geldspeicher für Rüstungsausgaben sind weit geöffnet, es wird sich nur um die Milliarde hinter dem Komma gestritten. Es ist also alles beim Alten.

Grundsatzdebatten über den richtigen Weg werden unterlassen und stattdessen streitet sich Politik über Detailfragen. Ob das ZDF dafür 60 Minuten Sendezeit opfern muss, sollte kritisch hinterfragt werden.

Findet Merz einen persönlichen Draht zu Trump?

Durch das politische Berlin dürfte an diesem Tag ein großes kollektives Seufzen bei weiten Teilen von Politik und Medien gegangen sein. Bundeskanzler Friedrich Merz hat Donald Trump besucht und er wurde nicht gedemütigt oder vorgeführt. Allerdings durfte Merz nur wenig sagen. Die meiste Zeit sprach Donald Trump und das vor allem über innenpolitische Themen.

In der Runde bei Illner sind die Gäste mehrheitlich zufrieden mit dem Besuch von Merz. Außenminister Johann Wadephul meint: “Es war wichtig für das persönliche Verhältnis.” Damit dürfte der Norddeutsche recht haben. Wenn man sich ein wenig mit der Vita des Donald Trump beschäftigt hat, dann weiß man, dass es Trump sehr darauf ankommt, dass er von seinem Gegenüber als starker Mann respektiert wird. Trump erwartet, dass das Gegenüber sich fügt und möglichst wenig Widerworte gibt. Am Beispiel Elon Musk sieht man exemplarisch, dass Trump ganz schnell eine gute persönliche Beziehung beendet, wenn es zu öffentlicher Kritik kommt.

Für Wadephul ist das Treffen ein gelungenes. “Trump nimmt Merz ernst”, analysiert der CDU-Politiker. In der Tat hat Trump offensichtlich Respekt vor Merz. Trump nannte Merz in der gemeinsamen Pressekonferenz einen “schwierigen Typen”. In der Welt von Trump ist solch eine Bezeichnung ein Kompliment. Merz dürfte bei vorangegangenen Telefonaten durchaus einen ernstzunehmenden Eindruck bei Trump hinterlassen haben. Ob die USA unter Trump wirklich der verlässliche Partner sind, den man sich wünscht, so weit will Wadephul nicht gehen. Er wünsche sich die USA an Deutschlands Seite, so der Minister.

Viel Lob von linker Medienseite

ZDF-Mann Elmar Theveßen in Washington bewertet den Auftritt von Trump und Merz ebenfalls positiv. “Merz hat heute seine Chance genutzt”, findet Theveßen. Da Theveßen in den Vereinigten Staaten lebt und arbeitet, weiß er aber, wie man das Treffen richtig einordnet. Gut, er wusste auch schon, dass Biden auf dem Höhepunkt seiner Fitness war, als die Welt mit eigenen Augen seit Jahren etwas anderes sehen konnte, aber nun denn. Trump gehe es vor allem um seine heimischen Themen und weniger um die Belange der Europäer, berichtet der herausragende Präsidenten-Experte Theveßen von der Pressekonferenz.

Die Zeit-Journalistin Mariam Lau lobte das souveräne Auftreten von Merz. “Es gab keine Unterwerfungsgesten”, resümiert Lau ihre Sicht der Dinge. Aus deutscher Perspektive könne man durchaus zufrieden sein mit dem Besuch von Friedrich Merz. Man sollte nur nicht allzu viel hineininterpretieren. Denn Donald Trump hat im Moment für ihn wichtigere Angelegenheiten zu regeln. Er will neue Steuergesetze durch den Kongress bringen und ist mit seinen Zöllen beschäftigt. Da interessiert ihn Deutschland nur peripher. Ja, das haben auch alle eindrucksvoll gemerkt, die dem Antrittsbesuch live gefolgt sind.

Fünf Prozent des BIP für Verteidigung

Die Schleusen für gigantische Summen für Aufrüstung wurden von der Bundesregierung und oppositionellen Helfern weit geöffnet. Außenminister Wadephul spricht in der Sendung über das Volumen der finanziellen Belastungen. “Die NATO hat ausgerechnet, dass man fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts braucht”, erläutert der Außenminister. Im Fall der Bundesrepublik wären das jährlich über 200 Milliarden Euro, die in die Aufrüstung des Landes fließen sollen.

Man fragt sich, ob diese extreme Summe tatsächlich sein muss? Deutschland ist Teil Europas, in dem die meisten Staaten Teil der NATO sind. In Zeiten des Kalten Krieges mag es ja noch Sinn gemacht haben, dass die Bundesrepublik bis zu vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben hat. Schließlich gab es nicht nur Russland, sondern den Warschauer Pakt inklusive ganz Osteuropa als potenzielle Bedrohung, die man ernst nehmen musste. Heutzutage sind die meisten Staaten des Warschauer Pakts in der NATO. Deshalb verwundert Wadephuls Analyse.

Der britische Historiker Adam Tooze widerspricht dem deutschen Außenminister deshalb. “Es liegt nicht am Geld”, entgegnet Tooze. Er erklärt: “Viel wichtiger ist die Organisation.” Deutschland leistet sich zusammen mit den anderen Europäern jeweils eigene nationale Waffensysteme, obwohl gemeinsame Waffensysteme naheliegend wären. “Es ist ein Skandal, dass in Deutschland hunderte Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben wurden, ohne dass es eine Abschreckung gibt”, kritisiert Tooze. Leider wird die Diskussion an dieser Stelle nicht vertieft. Obwohl es gerade an dieser Stelle interessant ist.

Es stellen sich viele Fragen. Warum gibt es kein gemeinsames europäisches Beschaffungswesen? Wie kommt die Bedarfsanalyse der fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zustande? Wie will man in Zukunft dafür sorgen, dass das hart erarbeitete Steuergeld nicht wieder planlos zum Fenster hinausgeworfen wird? Es hätte dem Talk gut getan, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen.

Alles in allem ist der Talk eine Ansammlung von altbekannten und substanzlosen Talking-Points. Wenn deutsche Talkshows der Maßstab für die Milliarden Ausgaben der Regierung wären, dann sollte die Bundesregierung diese Ausgaben besser sein lassen. Am Ende würde nicht viel dabei herumkommen.

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Kommentare ( 13 )

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13 Comments
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November Man
18 Tage her

Über eine „Logorrhoe“, auch bekannt als Redesucht oder Rededrang von Merz konnte sich die auserlesene Runde der Experten gestern nicht unterhalten. Also hat man mit dem üblichen, altbekannten Trump- Bashing, Hass und Hetze weitergemacht.  

November Man
18 Tage her

Unter einem Staatsbesuch eines deutschen Kanzlers stellt man sich was anderes vor. So einen üblichen Empfang von wichtigen Staatsgästen mit militärischen Ehren und so weiter. Und nicht einen Empfang und Begrüßung durch einige untergeordnete Beamte und dem Flughafenpersonal. Wiki: Der Empfang mit militärischen Ehren als militärisches Zeremoniell ist ein auf langer Tradition fußender Bestandteil des diplomatischen Protokolls bei Staatsbesuchen. Zwei historische Entwicklungslinien spielen dabei eine Rolle: Zum einen ist der Gastgeber eines Staatsbesuches dazu verpflichtet, während des Aufenthalts für dessen Sicherheit zu sorgen, was in früherer Zeit üblicherweise durch das Stellen einer militärischen Wache erfolgte, die zu Beginn des Besuches… Mehr

November Man
18 Tage her

Der absolut lustigste ist CDU-Röttgen der gesagt hat: „Friedrich Merz hatte einen souveränen Auftritt im Weißen Haus und konnte einige für Deutschland und Europa entscheidende Punkte ansprechen.“
Da fällt man vom Glauben ab.

November Man
18 Tage her

Wadephul hat schon große Erfahrung. Er hat es bei seinem Amtskollegen Rubio gerade mal auf 15 Minuten Gesprächszeit gebracht. Dann wurde er wieder nach Hause geschickt. Sein Besuch in Washington hatte vor allem einen Zweck: formvollendet keinen Fehler zu machen. Für so was fliegt ein deutscher Außenminister nach Amerika. Das hätte man sicher auch am Telefon besprechen können.

Der Person
18 Tage her

„Wie kommt die Bedarfsanalyse der fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zustande?“ Weil man nur mit dieser eher harmlos klingenden Zahl auf entsprechend horrende Summen kommt. Die 5% entsprechend dann nämlich 215 Milliarden Euro. Würde man dagegen die Einnahmen des deutschen Bundeshaushaltes als Bezugsgröße (440,6 Milliarden € im Jahr 2024) nehmen, dann würde man wohl kaum durchkommen mit einem saloppen: „Hej Leute, wir geben ab jetzt die Hälfte der Einnahmen für Rüstungsunternehmen und deren Aktionäre aus; Bildung, Infrastruktur, Forschung, Umweltschutz, Arbeit und Soziales müssen aus der anderen Hälfte finanziert werden“. Zudem kann man das BIP künstlich aufblähen, indem man einfach Definitionen ändert,… Mehr

Dr. Rehmstack
18 Tage her

Aber das ist doch der zentrale Punkt: die EU, angeblich das größte Friedensobjekt, ist nicht in der Lage eine gemeinsame Verteidigungsstrategie auf die Beine zu stellen, eine originäre Aufgabe der EU, nebenbei auch nicht auf dem Energiesektor, aber ganz groß sind sie dabei Hass im Netz zu verfolgen, Milliarden für Impfstoffe auszugeben, Europas Wirtschaft durch Green Deals, Hausdämmung und Verbrennerverbot zu ruinieren und das Eigenleben von Milchkartons Deckel zu verhindern. Ja, ich weiß, es gibt die NATO, aber die Wirtschaftsunion EU sollte eben auch eine gemeinsame Rüstungswirtschaft zu Stande bringen.

TruthHurts
18 Tage her

Lob von linken Medien müsste jeden normal denkenden Mensch in Alarmbereitschaft versetzen, Merz hingegen fühlt sich dann in seinem „Tun“ bestätigt. Medien und die guten Demokraten ziehen ein ganzes Land ins Verderben.

Marcel Seiler
18 Tage her

„Viel Lob von linker Medienseite“ (für Merz) lautet hier eine Zwischenüberschrift. Ich bin kein linkes Medium, aber gemessen an der Ausgangsposition, geschaffen durch solche „Genies“ wie Ex-Kanzler Scholz und Ex-Außenministerin Baerbock und ihren Hinterleuten der alten Ampel, hat Kanzler Merz einen guten Job gemacht: Er hat keinen Antiamerikanismus verbreitet. Er hat Gesprächskanäle geöffnet. Er hat vor US-Medien von einem vorwiegend importierten Antisemitismus gesprochen! Dass man gegenüber Trump nicht viel zu Wort kommt, liegt nun nicht an Herrn Merz.

Ob das insgesamt ein guter Anfang war oder nicht, kann man noch nicht beurteilen. Mal sehen, wie es weiter geht.

Last edited 18 Tage her by Marcel Seiler
Silverager
18 Tage her
Antworten an  Marcel Seiler

Ja, ein guter Job. 😊
Bei seinem Antrittsbesucht saß Merz neben einem US-Präsidenten, der fast ununterbrochen über innenpolitische Themen redete. Merz durfte zu allem eifrig nicken und hat tatsächlich dabei keinen Antiamerikanismus verbreitet.
Wie Sie sagen, ein „guter Anfang“.

Marcel Seiler
18 Tage her
Antworten an  Silverager

Wenn Sie, Herr Silverager, im Oval Office vor laufender Kamera Herrn Trump 45 Minuten lang ihre echte Meinung gesagt haben, ohne unterbrochen worden zu sein, werde ich meine Einschätzung gern revidieren.

Okko tom Brok
18 Tage her

Vielleicht betrachtet man es bei der CDU schon als Erfolg, dass Merz nicht wie Selenski und Ramaphosa von Trump live im TV “zerlegt” wurde…

Hieronymus Bosch
18 Tage her

In der Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan gab es Luftkämpfe, bei denen die französischen Rafale der Inder gegen die chinesischen Maschinen der Pakistaner gewaltig den Kürzeren gezogen haben. Offenbat können die europäischen Waffensysteme schon jetzt gegen die chinesischen wenig ausrichten; die französische Abschreckungsszenarien sind nichts als heiße Luft! Da man sich hier einzig auf die Russen als militärische Gegner fixiert, scheint den Herrschaften im Verteidigungsministerium dieser Sachstand noch gar nicht aufgefallen zu sein. Aber vielleicht wird Pistorius‘ dritter Staatssekretär daran etwas ändern!