Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps. Doch in Cafés und inzwischen sogar in Restaurants stehen auf den Tischen bald mehr Computer als Tassen und Teller. Das Arbeiten in Gaststätten ist eine Seuche. Höchste Zeit, etwas dagegen zu tun.

Seit fast 15 Jahren ist Farsin Khamseh Gastwirt. Zusammen mit seiner Ehefrau betreibt er in Düsseldorf das „Nikan“, ein Café mit eigener Rösterei. Mehr als 60 verschiedene Kaffeesorten bietet er an.
Laptops sind bei ihm verboten.
Das war nicht immer so, erzählt er der Zeitung „Rheinische Post“ (RP). Am Anfang hat er den Gästen sein Café gerne sozusagen als Ersatz-Home-Office zur Verfügung gestellt. Doch schnell wurden dann, wie selbstverständlich, Verlängerungskabel durch den halben Laden gelegt. Gäste setzten sich mit ihren tragbaren Computern ungefragt auf die Kaffeesäcke – was bei Lebensmitteln strikt verboten ist und den Wirt in Teufels Küche bringen kann.
Und: Wer mit seinen elektronischen Geräten zum Arbeiten ins „Nikan“ kam, blieb lange und bestellte wenig. Oder manchmal auch überhaupt nichts. Für einen so kleinen Betrieb sind ewig blockierte Tische mit minimalem Umsatz eine ökonomische Katastrophe.
Die Laptop-Kundschaft hatte zudem die durchaus nervtötende Neigung, unaufhörlich mit dem Smartphone zu telefonieren – gerne auch laut. Soll heißen: deutlich zu laut. Es entstand eine „komische Kultur“, sagt Farsin Khamseh. Insgesamt glich sein eigentlich sehr gemütliches und liebevoll eingerichtetes Café irgendwann mehr einem Großraumbüro als einem Ort der Kontemplation.
Der Wirt zog die Konsequenzen: Jetzt ist sein Café homeoffice-frei.
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Das, was wir heute unter „Kaffeehauskultur“ verstehen, und dessen Ursprung viele in Wien vermuten, stammt tatsächlich aus Afrika. Dort wurde die stimulierende Wirkung der Kaffeebohne entdeckt. Im 14. Jahrhundert entwickelten die Araber die Bearbeitung der Bohnen durch Rösten und Zerkleinern.
Im Jahr 1554 kamen zwei Händler aus Aleppo (im heutigen Syrien) nach Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) und eröffneten jeweils ein Kaffeehaus. Die wurden schnell sehr populär und nachgeahmt. Damals galt das Kaffeehaus als „Weisheitsschule“, weil sich dort die Gelehrten trafen. Angeregt durch den Genuss von meist viel zu viel Kaffee, stritten sie lebhaft über Politik und Philosophie. Nicht selten wurden die Dispute so temperamentvoll, dass die Behörden ein Kaffeehaus wegen „aufwieglerischer Aktivitäten“ zeitweise zusperrten.
Über Wien, Budapest und Prag, Venedig und Paris trat das Kaffeehaus seinen Siegeszug durch ganz Europa an.
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Der Tradition des Kaffeehauses ist man sich auch im „Stoak“ durchaus bewusst. Der Coffeeshop in Düsseldorf legt Wert auf sorgfältig Heißgebrautes.
„Wer am Laptop arbeitet, bestellt leider oft nur ein Getränk, bleibt aber stundenlang sitzen“, sagt einer der Betreiber. Unter der Woche ist das meist kein Problem, weil niemand auf einen Tisch warten muss. Aber am Wochenende ist der Andrang so groß, dass die Computer-Arbeiter zu einem großen Verlustgeschäft werden.
Deshalb sind Laptops hier nur unter der Woche erlaubt, am Wochenende und an Feiertagen nicht.
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„Ich bin nun zwei Abende nicht im Café gewesen, ich fühle mich etwas unwohl im Herzen. Dr. Döblin kam mit seiner lieblichen Braut, um eine Diagnose zu stellen. Er meinte, ich leide an der Schilddrüse, aber in Wahrheit hatte ich Sehnsucht nach dem Café.“
Das schrieb Else Lasker-Schüler 1912 in ihrem Briefroman „Mein Herz“. Sie drückte aus, was viele Künstler und Intellektuelle empfanden. Die Liste der berühmten Kaffeehaus-Gäste ist endlos:
In Wiener Cafés trafen sich regelmäßig Sigmund Freud, Peter Altenberg und Leo Trotzki sowie Theodor Herzl und Egon Friedell. In Paris verbrachten Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir ebenso einen großen Teil ihrer Lebenszeit in Cafés wie Ernest Hemingway und Pablo Picasso. Sie alle gingen ins Kaffeehaus, um zu reden, um sich zu sammeln, um zu beobachten, um sich inspirieren zu lassen, um in angenehmer und entspannter Umgebung in Ruhe zu denken.
Keiner von ihnen ging ins Kaffeehaus, um hektischen Freiberuflern in prekären Arbeitsverhältnissen beim Programmieren der fünften Dating-App zuzusehen – oder um heimatlosen Wichtigtuern beim schamlos lauten Telefonieren zuzuhören.
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Auch die Kaffeebar „Roasted“ in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt ist am Wochenende eine Laptop-freie Zone. „Manche Gäste wurden einfach immer fordernder“, sagt Wirt Marco Tausch etwas betrübt. „Wenn ich gesagt habe, dass wir kein W-LAN und keine Steckdosen haben, war die netteste Reaktion noch ein geschockter Blick.“
Auch Tausch kann sich die „Laptopper“ betriebswirtschaftlich nicht mehr leisten. Die meisten bestellen über mehrere Stunden nur ein Getränk und blockieren derweil den Platz. Das „Roasted“ hat aber nur neun Tische und ist auf die Rotation der Gäste angewiesen.
Jetzt sind Laptops unter der Woche nur an vier Sitzplätzen im Schaufenster erlaubt. Eigentlich wollte er gar keine Regeln machen, sagt Tausch der RP. „Aber es reguliert sich einfach nicht von selbst.“
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Wenn Sie, lieber Leser, das nächste Mal in ein Kaffeehaus gehen: Lassen Sie den Laptop einfach mal zuhause – selbst wenn die Gaststätte das gar nicht verlangt. Man kann den Kaffee und ein Gebäck viel besser bei einem guten Buch genießen. Und denken Sie an die Worte von Marco Tausch, dem Wirt des „Roasted“ in Düsseldorf:
„Dabei entsteht komischerweise eine ganz andere Sorte Stille.“
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„höchste zeit, etwas dagegen zu tun?“ – höchste zeit, verbote zu erlassen? deutschland ist ja bekannlich diesbezüglich am verarmen. „mein“ grieche, „mein“ italiener, „mein chinese“, „mein türke“, „mein“ deutscher verbieten mir nicht, das smartphone zu benutzen, wenn still und leise von mir benutzt. btw.: wozu bitte freies wlan, wenn … aber ok, das hat was mit logik zu tun – erinnert mich an die verblödungsrate meiner „studierenden“. lassen sie mich raten: das wlan noch für den notfall, wenn ich ein syrisches messer im ranzen *) habe … ginge aber auch über mobilfunk dann. nun: der markt wird es ja bekanntlich… Mehr
Es ist sein Laden, also darf er auch bestimmen. Er war gutmütig, aber wurde wie üblich ausgenutzt.
Die Laptops (nicht Handys!) sind außerdem trotzdem nur am Tisch untersagt, man kann sie immer noch am Schaufensterplatz benutzen.
Als Alternative könnte man z.B. auch unverschämte Strompreise verlangen, wenn die den Laptop einstecken (1€ pro angefangener 15min), was wohl eher abschreckend wirkt.
Was hätten Sie denn als Lösung gegen unverschämte Schmarotzer im Sinn?
Es gibt sicher auch in Düsseldorf die Möglichkeit, temporär einen Büroplatz zu mieten. Da gibt es sicher auch WLAN (gesichert), LAN-Anschluss und andere IT-Infrastruktur. Vielleicht auch einen Kaffee-Automaten. Blöd nur, dass das Ganze stunden- oder tageweise auch noch Geld kostet. Warum soll also der Kaffeehausbesitzer dem Büroraumvermieter kostenlose Konkurrenz machen, nur weil manche es immer noch „Geiz ist geil“ finden?
Das erste Kaffeehaus entstand meines Wissen im Jemen.
„Hier leider keine Laptops erlaubt“
Wieso leider? Will der die Laptops nun von den Tischen loswerden oder nicht? Immer dieses Rumgedruckse, statt einfach klar dazu zu stehen…
Der Café-Besitzer nennt nicht den wahren Grund: die Wegnahme von Strom für die Geräte, die ihn zum Subventionieren des Home-Offices für eine andere Firma macht. Ein Computer läuft nicht viele Stunden von der Batterie. Ich hatte das schon Anfang der 2000er, wenn ein Rechtsanwalt meine Tochter einstellte, ihr aber erklärte, daß für sie kein weiterer Schreibtisch ins Office paßte. Sie müsse bis auf weiteres von Zuhause arbeiten und die Ergebnisse einmal wöchentlich abliefern. Natürlich, praktisch gesehen, auch unter Benutzung meines gemieteten Raumes, meines Stroms, meiner Kimaanlage, des von uns gekauften Laptops und meines Autos einmal die Woche. Ich habe meiner… Mehr
Früher hingen in Kaffeehäusern überall Zeitungshalter (Stöcke mit eingeklemmten Zeitungen) an der Wand, später lagen auch Zeitschriften aus oder es gab Bücherregale.
Presse und Literatur sollten die Attraktivität erhöhen und zum längeren Verweilen einladen. Heutzutage bringen die Leute selbst ein Buch oder eben ein Notebook mit.
Somit war immer schon ein gewisser Mindest-Umsatz pro Sitzplatz und Stunde zum Überleben des Kaffeehauses notwendig. Damals wie heute kommt es wohl auf eine gesunde Misch-Kalkulation zwischen Preisen und Attraktivität an.
Alternativ zu Presse und Literatur hatten sich früher auch Aquarien in Lokalen etabliert, inzwischen erhöhen auch Katzen die Attraktivität von Cafes.
Hab ich früher auch mal gemacht… jetzt kann ich mir Kaffee und Kuchen in einem besseren Cafe nicht mehr leisten. Da ist man schnell mit fast 10,- Euro dabei. So Leid es mir tut; ohne mich!
Die sich aufgeklärt und tolerant gebende, in ihrem Selbstverständnis liberale Gegenwartskultur ist kaum mehr als eine überbordende egoistische Anspruchshaltung. Zumal die Grenze zwischen Toleranz und Gleichgültikeit sehr schmal ist.
Leider reichen hierzulande weder neun noch dreizehn Schuljahre aus, den Absolventen die Erkenntnis nahezubringen „There is no free lunch“ / „Es gibt kein Freibier„.
Denn irgend jemand zahlt dafür.
Das sind dann die, die einen Platz vier Stunden lang besetzen und währenddessen eine einzige Tasse Kaffee konsumieren.
Ich nehme demnächst meinen Schraubstock mit ins Café Roma. Da schraube ich ihn an einem Tisch fest und flexe die Rohrstücke auf Länge, die ich im Geschäft brauche. Dazu genieße ich einen Latte und die entspannte, mediterrane Atmosphäre
Ich verstehe nicht, wo überall Home-Office gemacht wird. Auch im Home-Office gilt die Arbeitsstättenverordnung, das geht auch nicht am Küchentisch, sondern nur mit professioneller Büroausstattung…
Wo kein Kläger, da kein Richter.
Ich kenne Software-Entwickler, die brauchen einen gewissen Hintergrund-Geräuschpegel und eine anregende Atmosphäre, um in einen Flow zu kommen.
Denen ist es zu Hause zu leise, zu einsam und zu langweilig. Deshalb gehen sie zum Arbeiten in ein Cafe oder setzen sich in einen belebten Park.
Man liest diesen Vergleich des Literaten-Kaffeehauses von anno 1900 mit heutiger Systemgastro a la Starbucks und damit verbundesnes Wehklagen ja öfter. Das wird auch mit Laptopverbot nicht richtiger. Da könnte man auch einen intellektuellen Kaffeehausgänger von damals mit einem heutigen InfluenzX vergleichen.
PS: Man kann übrigens nachlesen, wie glücklich schon damals die Kaffeehausbetreiber mit den „einen Kaffee trinken und den halben Tag die Zeitungen lesen und sich aufwärmen“ – Literaten waren und wie entsetzt diese Literaten, wenn der Kellner die fast ausgetrunkene Tasse einfach abräumte und man gehen musste oder neu bestellen, weil Sitzplätze nun mal für Kunden sind … also auch hier nichts Neues unter der Sonne.
Mutig, die These. Sagen Sie mal einem Wiener direkt ins Gesichts, das seine Kaffeehaus- Kultur aus Afrika stammt. Wahrscheinlich auch die Sachertorte ? Die Herkunft der Bohne ist doch heutzutage wirklich nicht mehr von Interesse und hat selbst nichts mit Kultur zu tun. Dem Gastronom aus Düsseldorf ist aber für seine mutige Entscheidung zu danken. Das ist Kultur !