Campino, der Staatspunk

Diese Glosse enthält: einen Staatspunk, ein halbes Dutzend popkultureller Anspielungen und 15 „... ist mehr Punk als Campino“-Vergleiche – sowie Spuren von Sid Vicious.

IMAGO / Future Image

Es ist klein, trägt einen Frack, aus dem es herausquellt, und watschelt über die Treppe von Schloss Bellevue. Aber es herrschen mehr als zehn Grad Außentemperatur. Der Pinguin aus Gotham City kann es also nicht sein. Zumal der in den Batman-Filmen von Danny DeVito gespielt wird. Und der ist cool. Und Punk. Zumindest mehr Punk als Campino.

Um genau den geht es auf den Treppen von Schloss Bellevue. Den Campino. Der Staatspunk ist eingeladen zum Empfang von King Tut oder wie die Königin in England jetzt auch immer heißt. Warum er eingeladen ist? Weil der Staatspunk eine ganz besondere Beziehung zu England hat, so mit Sex Pistols, FC Liverpool und anderen öden Geschichten von früher, die Campino jetzt erzählt, da er 60 und Johnny Thunders tot ist. Im Übrigen ist King Tut mehr Punk als Campino.

Gegen jede Cancel Culture
Warum ich in diesem Text nicht über Herbert Grönemeyer schreibe
Der Staatspunk trägt jetzt Frack. Big News. Die Deutschen mögen es, wenn Wilde brav werden. Vor allem, wenn sie sich dann ordentlich anziehen. Steinewerfende Taxifahrer, die statt Turnschuhen italienische Treter tragen. Österreichische Aquarellisten, die ihre Parteiuniform zugunsten eines Anzugs – aber halt, das läuft auf einen Nazivergleich raus. Und die sind übel, böse und unangemessen. Andererseits sind Nazivergleiche immer noch mehr Punk als Campino.

Wie bitte? Warum Campino jemals als Wilder gegolten hat? Gute Frage, berechtigte Frage. Der hat so Worte wie „pisst“ und „Scheiße“ gesungen. Das war schon ganz schön hart. Frech. Na, wild halt. Also für deutsche Verhältnisse. Im Land des ZDF-Fernsehgartens gilt das schon als hart und frech und so weiter. Natürlich ist der ZDF-Fernsehgarten auch mehr Punk als Campino.

Monty Python
„Always Look on the Bright Side of Life“ – Eric Idle wird 80 Jahre alt
Nun hat also der Staatspunk den Frack übergestreift. Big News. Der harte Punk lädt nicht mehr die Bravo zu einer Homestory dazu ein, wie er in einem Kloster in Klausur geht. Sondern der harte Punk watschelt jetzt als schlechte Pinguin-Kopie verkleidet den englischen Royals hinterher. Mit anderen Worten: Der unglaubwürdige Darsteller eines zornigen jungen Mannes bleibt ein unglaubwürdiger Darsteller eines zornigen jungen Mannes. Big News. Wobei die Bravo, Homestory, Kloster, Klausuren und Royals mehr Punk sind als Campino.

Eigentlich ist die Erzählung damit zu Ende. Was jetzt noch zu sagen wäre: Bausparverträge sind mehr Punk als Campino. Das Kleine Latinum ist mehr Punk als Campino. Duftsteine für die Toilette sind mehr Punk als Campino. Heino ist mehr Punk als Campino. Ladestationen für E-Autos sind mehr Punk als Campino. Orangensaft aus der Papptüte ist mehr Punk als Campino. Um weitere Vorschläge wird gebeten.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 124 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

124 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Sebbi
1 Monat her

Liebes TE-Team, so sehr ich eure gut recherchierten und investigativen Artikel schätzen und lieben gelernt habe, sowenig Stimme ich diesem Artikel zu. Wer sich mit Campino und seinem Leben beschäftigt merkt schnell, dass er schon immer „zwischen den Stühlen“ stand. Beispiele sind hier die Staatsangehörigkeit (Mutter Engländerin, Vater Deutscher) sowie seine Erwerbstätigkeit (Vater Anwalt, Mutter Lehrerin, er rebellierte gegen das bürgerliche Leben). Campino hatte schon immer eine enge Beziehung zu England und den englischen Punks der ersten Stunde. Nur so ist auch das legendäre Album „Learning English Lesson 1″zu erklären. Zur Info: Das ist ein Cover-Album mit Punk-Klassikern, hier war… Mehr

Ohanse
2 Monate her

Kartoffelanbau im Schrebergarten ist mehr Punk als Campino je gewesen ist.

Or
2 Monate her

Andreas Frege aca. Campino war nie wirklich Punk gewesen.
Er hat, wo er nur konnte sich dem linken Zeitgeist angedient. Charakterlich ist er wie der Pseudo Irokese der für den SPIEGEL schreibt, ein echter Spieser. 

F. Hoffmann
2 Monate her

Reich geboren, reich geblieben. Die Luisa Neubauer des Punk.

Teiresias
2 Monate her

Punk hatte eine gute Saison 1976/77.
Danach war es eigentlich obsolet.
Punk in Deutschland war nicht mehr als ein verspätetetes Nachspielen dessen, was es einige Jahre vorher in England aktuell war.
Wobei das nicht ganz billig war. In Düsseldorf gab es in der Altstadt und am HBF einige Boutiqen, die die nötigen Insignien wie Doc Martins oder Nietengürtel feilboten zu verblüffend hohen Preisen.
Was die Toten Hosen gemacht haben, war im Kern dasselbe wie die beliebten Ballermann-Schlager. Sie könnten Jürgen Drews beerben.

Deucide
2 Monate her

Bei DSDS wäre diese pseudowilde Campino-Stimme bei Runde eins schon raus und sogar für Punk reichts nicht !

Juergen P. Schneider
2 Monate her

Campino sehnt sich eben nach der Liebe des Establishments. Endlich wird sie ihm zuteil. Früher wollte er als Pseudorevoluzzer Aufmerksamkeit durch angeblichen Widerstand gegen die Etablierten erlangen. Wer so nach Aufmerksamkeit giert, will eigentlich nur eines – von denen da oben geliebt werden. Jetzt nach vielen Jahren würdeloser Arschkriecherei hat er es endlich geschafft. Er darf mit den vermeintlich Großen an einem Tisch sitzen, nach deren Liebe und Anerkennung er ein Leben lang gegiert hat. Ich gönne ihm seinen „tollen Erfolg“ und seine Millionen. Mit so einem armen Würstchen möchte ich nicht tauschen, für kein Geld der Welt.

SB
2 Monate her

„Die Toten Hosen geben ’ne Party, und wir kommen nicht rein… Die Toten Hosen geben ’ne Party, der Türsteher schickt uns heim“ – so sang es Jürgen Engler mit seiner Punkband „Male“ 1991. Auch wenn es wohl nur ein liebevolles Gekabbel zwischen zwei befreundeten Bands aus dem „Ratinger Hof“ – Umfeld war, ist da doch was Wahres dran. Mir waren die immer schon zu abgehoben. Spätestens mit deren Kochshow-Auftritten bei „Alfredissimo“ war dann wohl auch für etliche Die-Hard-Fans der Ofen aus. In meiner Klasse waren die „Ärzte“ oder die „Hosen“ sowieso eher was für offen belächelte Schülersprecher-Typen; der große Rest… Mehr

Fieselsteinchen
2 Monate her

Was soll man dazu sagen: eine drittklassige Gästeauswahl, wie sie den Politikern und in weiten Teilen dem Land entspricht. Campino? Sieht aus wie Mecki der Igel. Bärbel auf einem Empfang im Hosenanzug, wer hat der Frau nicht mal einen Hinweis gegeben, dass das blamabel/unpassend ist? Merkel, zusammengestückelt: senffarbener Blazer aus der Merkel-Mao-Kollektion und schwarzer Islamistenrock, dazu Gesundheitstreter. Muss die schon so sparen? Wenigstens trug sie eine Bernsteinkette, wie BILD vermeldete. Und dann sollte wohl die Goldgruben-Özlem eingeladen worden sein. Hat vielleicht kurz nachgefragt, ob das Angebot der Firmenverlegung noch steht und ob Subventionen abzugreifen sind. Ich gehe mal frecherweise davon… Mehr

Rudi Ruessel
2 Monate her

Am Ende meines Kommentars möchte ich ein paar Liedzeilen von Campino selbst zitieren. Diese sind aus dem Jahre 1987, also der Zeit, als die Toten Hosen wirklich noch Punk waren. Sie sind dem heutigen Campino wie auf den Leib geschnitten. Nun gestehe ich jedem Menschen zu, dass er sich im Laufe des Lebens verändert, weiser wird, seine Meinung ändert, vielleicht auch alte Werte über den Haufen wirft. Das ist ok. Was ich allerdings nicht verstehe, ist wie man sich morgens beim Bundespräsidenten zum Büttel macht und abends beim Konzert als Möchtegernpunk das System anprangert, ohne beim Anblick des eigenen Spiegelbilds… Mehr