Wanderwitz‘ Rückzieher: Ein Gespräch über die Diktatur mit der Partei, die sie betrieb

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung sprach über "Diktatursozialisation" ausgerechnet mit einem Politiker der Partei, die diese Diktatur zu verantworten hat. Das Gespräch hätte im "Spiegel" erschienen sollen. Doch Wanderwitz gab es nicht frei.

IMAGO / Metodi Popow

Manchmal übertrifft die Realität jede Glosse. Noch vor kurzem fidel an der Mauerbaustelle anzutreffen, fehlt von dem Ostbeauftragten Marco Wanderwitz an dem nun mehr verwaisten Bauplatz plötzlich jede Spur.

Ein Streitgespräch, das Wanderwitz mit einem Abgeordneten der Linkspartei im Landtag von Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, im Spiegel geführt hatte und in dem es um die „Diktatursozialisation“ gehen sollte, wird nicht erscheinen. Der Grund: Wanderwitz, der sich laut Gallert noch für das gute Gespräch bedankt hatte, gibt seine Antworten nicht frei. Gallert twitterte enttäuscht: „Hatte vorgestern ein Streitgespräch mit @wanderwitz zur „Diktatursozialisation“ + Situation im Osten. Er hat sich für das gute Gespräch bedankt. Heute schreibt mir der @spiegel, dass sie das Gespräch am Sonnabend nicht drucken können. Er gibt seine Antworten nicht frei.“

— Wulf Gallert (@WulfGallert) June 4, 2021

Man könnte spotten, dass Marco Wanderwitz, der sich für das gute Gespräch bedankte, sich offensichtlich im Gespräch mit der Linkspartei wohlgefühlt hatte, vielleicht kam auch so eine gewisse Blockparteien-Nostalgie auf.

Dass sich Marco Wanderwitz über die vermeintliche „Diktatursozialisierung“ ausgerechnet mit der Partei unterhält, die die Diktatur in Ostdeutschland zu verantworten hatte, ist seltsam und versteht wahrscheinlich nur Wanderwitz, der Brandmauernbaumeister. Möglich, dass er mit einer Partei, die Erfahrung im Mauerbau hatte, sich über die Spezifik des Brandmauerbaus austauschen wollte, vielleicht auch schon mal vorzufühlen hoffte, wie man im Schatten der Mauer regieren könnte.

Warum sprach Wanderwitz nicht mit den Grünen oder mit der SPD oder mit der FDP oder mit der AfD, um Kraft seiner Argumente die AfD „bloßzustellen“, „zu entzaubern“ und Wählern die Augen zu öffnen? Warum ausgerechnet mit den Linken?

Wanderwitzens Parteifreunde zeigten sich über die Thesen zur Diktatursozialisierung der Ostdeutschen, über die Ostdeutschenbelehrung und über die Wählerbeschimpfung alles andere als erfreut. Sachsen Ministerpräsident übte harsche Kritik am Ostbeauftragten – und das aus gutem Grund, denn Marco Wanderwitz ist auch Spitzenkandidat der sächsischen CDU für die Bundestagswahl 2021.


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