Steuerpläne der SPD: Verharmlost und falsch gerechnet

Die SPD-Steuerpläne werden verharmlost. Das Handelsblatt meint, in der Einkommensteuer nehme Schulz nur „kosmetische Korrekturen“ vor, spricht von „leicht höheren Steuern“ für Gutverdiener. Können Redakteure nicht mehr rechnen?

© Sascha Schuermann/Getty Images

Das Handelsblatt bringt eine Tabelle, die die Entwicklung des Spitzensteuersatzes über die Jahre zeigt. Die Tabelle sieht man auch in vielen anderen Medien, aber sie täuscht: So ist dort für die Jahre 1990 bis 1999 ein Spitzensteuersatz von 53 Prozent angegeben. Das scheint viel höher als heute, ist es jedoch nicht. Denn damals zahlte kaum ein Spitzenverdiener diesen Steuersatz. Die meisten Gutverdiener reduzierten in diesem Jahrzehnt ihre Steuerbelastung durch die Sonderabschreibung Ost des Fördergebietsgesetzes. Teilweise konnte die Steuerlast dadurch bis auf 0 reduziert werden. Als Reaktion darauf wurde erst 1999 § 2 Abs. 3 EStG eingeführt, der eine Mindeststeuer vorsah. Und auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht von einem „fein austarierten“  Vorhaben. Wie fein? Details folgen.

Irreführende Vergleiche zum Spitzensteuersatz

Täuschend ist auch, wenn für die Jahre 1975 bis 1989 ein Spitzensteuersatz von 56 Prozent genannt wird und für heute ein Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, und zwar aus drei Gründen:

SPD Steuerprogramm
SPD will Gutverdienende wie Reiche besteuern
Damals setzte der Spitzensteuersatz wesentlich später ein als heute. Damals gab es keinen Soli und keine „Reichensteuer“. Die Politiker denken sich nur neue Begriffe aus, aber in Wahrheit liegt der Spitzensteuersatz heute nicht bei 42, sondern bei 47,5 Prozent. Die Politiker haben dem Kind nur einen anderen Namen gegeben und sprechen heute von „Reichensteuer“ mit „Solidaritätszuschlag“. Beides gab es in den 80er Jahren gar nicht. Man sollte diesem Orwell’schen Neusprech nicht aufsitzen.

Wie bereits oben erwähnt, konnten früher Spitzenverdiener ihre Einkommensteuer erheblich reduzieren. In manchen Jahren konnte man Schuldzinsen für das Eigenheim abziehen und dadurch das zu versteuernde Einkommen reduzieren, in anderen in Bauherrenmodelle mit mehreren 100% Verlustzuweisung investieren. Dadurch war die faktische Steuerbelastung viel niedriger, als es der optisch höhere Spitzensteuersatz suggeriert. All diese Möglichkeiten gibt es längst nicht mehr.

Steuerbelastung für Kapitaleinkünfte soll verdoppelt werden! 

Auch die wirtschaftsnahe Presse sitzt der SPD auf, wenn von „moderaten Steuererhöhungen“ gesprochen wird. Tatsache ist: Die SPD will die Abgeltungssteuer abschaffen, wodurch sich die Steuerbelastung für Spitzenverdiener bei Kapitaleinkünften fast verdoppeln würde: Von heute 25 Prozent (plus Soli) auf künftig 48 Prozent (plus Soli). Moderat???

#countdownBTW17
Schulz ist plötzlich für Steuersenkungen
Die „Reichensteuer“ setzte bisher bei Ledigen erst mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 254.477 Euro ein. Künftig soll der Spitzensteuersatz auf 45 Prozent erhöht werden, und zwar für Personen, die mindestens 76.000 Euro im Jahr zu versteuern haben. Das heißt: Wer ein Drittel dessen verdient, was bisher jemand verdienen musste, um von der “ Reichensteuer“ betroffen zu werden, muss künftig den gleichen Steuersatz zahlen! Moderat?

Spitzenverdiener mit über 50% belastet

Spitzenverdiener, die der „Reichensteuer“ unterliegen, zahlen künftig über 50 Prozent Grenzsteuersatz. Denn die „Reichensteuer“ wird von 45 auf 48 Prozent erhöht, hinzu kommt der Soli von 2,64, so dass man bei über 50 Prozent landet, wenn man über 250.000 Euro verdient. Das ist also „fein austariert“ im Sinne der FAZ, die auch noch davon fabuliert, dass die dann erreichten 50,64 „deutlich unter der 50-Prozent-Marke“ blieben, er unbedingt habe vermeiden wollen: „ob ihres Diffamierungspotentials.“

Dieser Betrag soll künftig zudem, anders als bisher, nicht angepasst werden, sondern langfristig auf diesem Niveau bleiben. Die sogenannte „kalte Progression“, die sonst so beklagt wird, wird also hier ganz bewusst eingeführt! Betroffen sind davon nicht nur Privatpersonen, sondern auch der größte Teil der deutschen Unternehmen, die keine Kapital-, sondern Personengesellschaften sind. Aber das sind alles keine Steuererhöhungen?

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Kommentare ( 40 )

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Old-Man
7 Jahre her

Ich gebe auf das dümmliche Gelaber vom Abzocker Schulz absolut gar nichts.
Alles was er da postuliert,ist nach der Wahl doch Makulatur.
Außerdem wähle Ich niemals SPD,Linke,oder Grüne,denn wenn die zusammen kommen,dann geht es mit uns und unserem Land rasant nach unten.
Ich bin nicht Merkels Freund,aber sollten die Prognosen sich bewahrheiten,und auch die FDP wieder einziehen mit genügend Punkten,wird der ungepflegte Lümmel aus Würselen mit den anderen Phrasendreschern zum Glück für uns Opposition.
Bisher haben die Genossen die Wähler zumeist belogen,oder sogar beschimpft.
Der Gottgleiche Maddin tut nur das,was alle vor ihm schon getan haben!

Beelzebub
7 Jahre her

Eine eingehende Beschäftigung mit Wahlversprechen der SPD im Allgemeinen und auf dem Gebiet des Steuerwesens im Besonderen erübrigt sich, da diese Versprechen ohnehin mit 100%iger Sicherheit Wahlkampflügen sind, mit denen das Wahlvolk verschaukelt werden soll. Mir klingen heute noch die heiligen Eide im Ohr, die im Wahlkampf 2005 der damalige Obergenosse Münterfering [*verächtlich ausspuck*] schwor, dass es mit der SPD nie-nie-niemals die damals von der CDU – ehrlicherweise schon vor der Wahl – anvisierte Mehrwertsteuererhöhung um 2% geben werde. Nach der Wahl gab’s dann – auf Betreiben der SPD! – eine Erhöhung um 3%. Damit nicht genug, hat der saubere… Mehr

Seneca
7 Jahre her

Welcome, RZ ! Die persönliche Staatsquote aus direkten und indirekten Steuern sowie dem Anteil versicherungsfreier dh gegenleistungsfreier weil steuerfinanzierter Sozialabgaben liegt längst auch für Otto Normalbürger bei 50% + X. Jeder höre sich in seinem persönlichen Umfeld einmal sehr genau um. In unserem Bekanntenkreis hat uns dieses Wochenende wieder (der Schwager ist schon mit Familie seit Jahren in der Schweiz und will nicht mehr zurück) die Nachricht getroffen, dass wieder ein „gut verdienendes“ Ärzteehepaar Deutschland Richtung Schweiz verlässt. Beides übrigens auch keine Merkel-Freunde. Letztes Jahr sind lt MM über 4000 „Millionäre“ aus Deutschland ausgewandert. Wesentlich mehr (Unternehmer) schaffen sich Zweitdomizile… Mehr

Felix in the Sky
7 Jahre her

Es wäre in der Tat gut Herr Zitelmann, wenn Sie den Artikel überarbeiten und die Steuersätze korrekt zusammenrechnen würden. Oder erklären Sie mir wie Sie auf 47,5% bei Spitzensteuer + Soli kommen. (42% + 5,5% ist im Übrigen mathematisch falsch und Sie reihen sich in die von Ihnen genannten nicht rechnen könnenden Journalisten ein)…

Frank
7 Jahre her

Besteuerung von Kapitaleinkommen Der österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter hat das Problem der Besteuerung von Kapitaleinkommen früh erkannt: “Was der Sparer von dem gesparten Einkommensteil hat, ist der Ertrag aus seiner Investition. Dieser Ertrag wird nun durch die herrschende Praxis zweimal geschmälert. Zuerst dadurch, dass die auf die Sparsumme entfallende Einkommensteuer den Ertrag kleiner macht als er sonst wäre und sodann dadurch, dass von diesem also durch die Einkommensteuer schon verringerten Betrag nochmals Einkommensteuer zu zahlen ist.” Der Zinsertrag wird durch die Einkommenssteuer stärker belastet als es dem Steuersatz entspricht. Das Problem ist leider von den meisten Menschen bis heute nicht… Mehr

RÜDI
7 Jahre her

Bis zu den Wahlen werden uns noch die Zirkus-Elefanten von wegen „Sprudelnde Steuerquellen“ und „Steuergerechtigkeit“ vorgeführt. Danach kommt die Rechnung – für die da UNTEN HARTARBEITENDEN BUSFAHRER, im Maschinenraum der TITANIC. Und In vier Jahren werden sie, kurz vor der nächsten Wahl, den nächsten Eiertanz aufführen.- In vier Jahren werden aber 100 Mio mehr Afrikaner einen „Arbeitsplatz“, vzw. in der EU, d.h. tatsächlich in Deutschland, über das ASYLRECHT einfordern- und Die Vom Ende (vor sich) Her Denkende (VEHD) wird wieder völlig überrascht ausrufen- Wir schaffen auch das noch, koste es was es wolle. – Die BRITEN werden noch froh sein… Mehr

Wolfgang
7 Jahre her

Nirgends wird so undifferenziert diskutiert, wie bei der Steuer. Wen interessiert der Spitzensteuersatz? Es interessiert der persönliche Steuersatz und der liegt weit unter dem eigenen Spitzensteuersatz. Wie hier richtig hingewiesen wird, ist der Spitzensteuersatz nicht 42% bei 53.000 Euro, sondern 45% bei 250.000 Euro. Zusätzlich wird häufig vom Einkommen und nicht vom zu versteuernden Einkommen gesprochen. Dieser Artikel ist in diesem Punkt eine erfreuliche Ausnahme. Die wichtigste Steuerreform wäre die dynamische Anpassung der Rentenkurve an die Inflation, sodass es zukünftig keine kalte Steuerprogression mehr gibt. Genau darüber wird nie gesprochen, obwohl das schon bei der Steuerreform von Friedrich Merz geplant… Mehr

Philoktet
7 Jahre her
Antworten an  Wolfgang

Betreff Miete: „Auf Mieten wird überhaupt keine MWSt bezahlt. Das macht in vielen Haushalten 1/3 des Einkommens aus.“ schreiben Sie.
Es gibt so einige Städte in Deutschland, da macht die Miete durchschnittlich 44% des Einkommens aus.
Zusätzlich sind da die Preise für Lebensmittel etc. höher als anderswo.

Marc Hofmann
7 Jahre her

Man kann es auch so sagen…Steuerbelastung ist heut zu tage eine wirklich-reale Belastung was es vor 30 Jahren noch nicht war. Das zeigt nur wie sich die Deutsche Gesellschaft immer mehr ihres Wohlstandes beraubt wird. Nicht nur das verbleidende Einkommen wird für viele in Deutschland immer weniger auch die Infrasturktur und die gesamte Wirtschaft und Wisssenschaftswelt wird aus Deutschland verjagt…Stichwort -Kernenergie- und CO2 freie Deutsche Politik-….das Ende von Wissenschaft, Fortschritt und Wohlstand!

Poco100
7 Jahre her

Ich sah ihn ausnahmsweise bei PHOENIX gestern, Ausschnitt aus der BDI Tagung, auch Tante Merkel war da labernd zuvor. Nun, er hat ein Charisma u.a. seine Steuerpläne vorzutragen vergleichbar einem Stück Holz. Deutschlands letztes Aufgebot. Die BDI Leute, Manager, Firmeninhaber guckten mal so, mal so, eher skeptisch. Aber es ändert nichts, viel Geld fehlt für irgendwelche „Geschenke“ an wen auch immer, also muß man auf jeden Fall irgendwo zugreifen…….
PS: das Geld, das fehlt, haben jetzt unsere Neubürger, zumindest eine hohe 2stellige Milliardensumme in Euro.geschätzt per anno……..

Frank Stefan
7 Jahre her

Der Staat, d.h. seine Satrapen schwimmen im Geld anderer Leute, in Steuern. Was machen sie, anstelle für alle Steuerzahler die Steuern zu senken? Sie erhöhen sie für die einen erheblich und senken sie für die anderen unerheblich. Damit nicht genug. Sie reden nicht Klartext, sondern tun, was sie immer tun: sie lügen. Denn nur die halbe Wahrheit erzählen, wenn man die ganze kennt ist nicht Lücke sondern Lüge. Schaut man sich an, in welche teilweise recht blödsinnigen Projekte der Staat, insbesondere das Familienministerium Geld fremder Leute steckt, dann fragt man sich, wie wichtig denen solche Projekte sein müssen. Offensichtlich erwartet… Mehr