Offensichtliche Skandale belasten den SPD-Kanzlerkandidaten nicht

Cum-Ex, Wirecard oder Strafvereitlung im Amt. All diese Skandale scheinen an Olaf Scholz abzuprallen und seine Kanzlerkandidatur für die SPD nicht zu belasten. Daran trägt die CDU eine Mitschuld.

IMAGO/Political Moments

Razzia im Finanzministerium. In dem Haus, das der Kanzlerkandidat der SPD leitet. Keine drei Wochen vor der Wahl. Eigentlich müsste diese Nachricht durch die Decke gehen. Doch das tut sie nicht. Zwar greifen alle Medien die Razzia auf, doch nicht unbedingt als Topmeldung. Die Bild etwa hält in ihrer Bundesausgabe am Freitag den CSU-Generalsekretär, der gegen den CDU-Kandidaten möppert, für die härtere Geschichte und setzt mit Scholz am unteren Blattrand auf.

In den sozialen Netzwerken ist diese Gewichtung ein Thema: CDU nahe Accounts monieren, die Medien würden das Thema tot schweigen, andere konservative Nutzer verstärken die Kritik. Doch sie greift zu kurz. Schon allein weil die meisten Kritiker von der Razzia aus eben der Presse von der Razzia erfahren, der sie Totschweigen vorwerfen.

Zwar gibt es eine ungleiche Gewichtung von Themen in Medien: Über ein Attentat oder ein Gewaltverbrechen berichten ARD, ZDF und die meisten Zeitungen zum Beispiel intensiver und anders, wenn der Täter einen rechtsextremistischen Hintergrund hat, als wenn es ein linksextremistischer oder islamischer Hintergrund ist: In zwei Fällen dürfe man nicht von der Tat auf die Gesellschaft schließen – im anderen Fall müsse man es.

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Doch ob aus einer Berichterstattung eine Kampagne wird, hängt nicht allein von den Medien ab. Ein Faktor ist der Resonanzraum. Stößt ein Thema auf Interesse, sorgen die Leser und Zuschauer selbst dafür, dass es ein Gesprächsthema bleibt. Ein schönes Beispiel dafür ist die Plagiatsaffäre von Annalena Baerbock – genau so wie der Etikettenschwindel rund um ihre Biografie.

Im Falle von Baerbock lässt sich das gesteigerte Interesse der Leser gut erklären: Die Grünen haben die Bekanntgabe, wer kandidiert, lange hinausgezögert. Das war erst einmal ein Coup und erhöhte das Interesse an der grünen Spitzenfrau. Der Effekt kehrte sich allerdings ins Gegenteil, als dann Skandale aufkamen, die von ihrer Wirkkraft eigentlich wenig bedeutend sind, aber interessante Einblicke auf den Charakter der möglichen Bundeskanzlerin und Frau der Stunde gaben.

Der andere Faktor in der Frage, ob aus einer Berichterstattung eine Kampagne wird, ist die Politik selbst. Fachleute kennen den Begriff der „parlamentarischen Eskalation“. Damit ist gemeint, dass sich Politiker der Instrumente bedienen, die ihnen ihr Status als Abgeordneter im Landtag oder Bundestag erlaubt. Das fängt mit einer Pressemitteilung an, geht über eine Anfrage an die Regierung oder die Beratung in den Ausschüssen und endet bei Resolutionen oder Gesetzesanträgen im Parlament.

Anders als die Grünen hat sich die SPD früh auf ihren Kanzlerkandidaten festgelegt. Scholz war den Bürgern zudem schon über Jahrzehnte als Person des öffentlichen Lebens vertraut. Seine Skandale auch. Wirecard oder Cum-Ex waren so – zumindest in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs – nichts Neues.

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Doch Medien berichten auch über Vorgänge, die nicht neu sind – wenn jemand Anlässe dazu schafft. Journalisten nennen dies einen „Aufhänger“. Ein solcher Aufhänger kann es sein, wenn die Themen den Weg der parlamentarischen Eskalation gehen: Anfrage, Ausschuss oder Parlaments-Beschluss. Doch auf diese Instrumente verzichtete die CDU bisher, obwohl es der Weg hätte sein können, Olaf Scholz aus dem Kanzleramt zu halten.

Der Grund dafür ist denkbar offensichtlich: Die CDU ist bei diesen Themen selbst vorbelastet. Zur Razzia im Finanzministerium kam es, weil eine dem Haus untergeordnete Behörde, die FIU, Vorwürfe der Steuerhinterziehung nicht weiter auf dem Amtsweg geschickt habe. Stimmt das, würde es sich um Strafvereitlung im Amt handeln. Zumal der Verdacht im Raum steht, dass Schwarzgeld in Waffengeschäfte geflossen sei.

Die CDU stellt die Bundeskanzlerin und hält einige Staatskanzleien in den Ländern. Die Gefahr, dass sie selbst in die Affäre verwickelt ist und sie auf die Union zurückfällt, ist nicht gering. Ebenso wie die Chance, dass ein Finanzminister und Bundeskanzler unter Druck entsprechendes Material sofort in der Presse lancieren würde. Also bleiben viele Möglichkeiten der parlamentarischen Eskalation ungenutzt.

Stattdessen hofft die CDU darauf, dass die Medien ihr die Arbeit abnimmt und die Berichterstattung zur Kampagne werden lässt. Doch daraus dürfte nichts werden und das nicht nur, weil viele Medien eine Schlagseite nach links haben. In den lokalen Tageszeitungen – für einen breiten Teil der Bevölkerung die einzige Zeitung und der Meinungsmacher – fehlt es an Fachwissen im Bereich des Steuerrechts. Das Gleiche gilt auch für private Funkmedien und einen Großteil der öffentlich-rechtlichen Mitarbeiterschaft. Die Redaktionen sind zu einer überwältigenden Mehrheit von Geisteswissenschaftlern besetzt.

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Eine Politikerin, die ihren Lebenslauf aufmotzt bildlich gesprochen von der Fahrschülerin zur Rennfahrerin, liegt den Geisteswissenschaftlern mehr. Und – da schließt sich der Kreis – einer Mehrheit der Leser geht es auch so. Aus einem anderen Buch abgeschrieben, sich als Mitglied einer Organisation ausgegeben, bei der man gar nicht Mitglied werden kann: Das verstehen mehr Menschen als betrügerische Abschreibungstricks oder blockierte Ermittlungsverfahren.

So profitiert Teflon-Olaf davon, dass er und seine Arbeit uninteressant erscheinen. Er gibt sich keine sichtbare Mühe, das zu ändern. Und so gehen vielleicht 16 Jahre Merkel zu Ende. Doch trotz Wirecard, Cum-Ex und Strafvereitlung bleibt uns die „Asymmetrische Demobilisierung“ wohl erhalten.

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Kommentare ( 18 )

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Peter Schulze
2 Jahre her

Und da gibt es noch einiges aus Olaf Scholz‘ Zeit in HH. Die bürgerkriegsähnlichen Zustände beim G 20 Gipfel. Da ist auch noch eine andere Fehlleistung unter dem Radar. Als die Islam-AG in ihrer WG und im Gebetsraum der Universität – durchaus schon unter nachrichtendienstlicher Beobachtung – 9/11 planten, war Olaf Scholz Innensenator.

meckerfritze
2 Jahre her

Es sollte im Grundgesetz verankert sein, daß politische Parteien keine Massenmedien besitzen dürfen…

RUEDI
2 Jahre her

Besonders auffällig in den Medien : Scholz perfekt als Saubermann gekleidet. Hell. Blütenweißes Hemd. Sanftes Gesicht ( soweit überhaupt möglich ).
Und immer im Ungefähren. Sowohl als auch. Das neue WEITERSO.. Nach Mutti ist Pappi am Ruder. Das wollen alle haben.

Hieronymus Bosch
2 Jahre her

Scholz ist der personifizierte „Gutmensch“, der einen Partei von Gutmenschen anführt. Für Kritik an seiner Person ist da natürlich kein Platz! Insofern passt er perfekt in das gesamte Führungsgremium der roten Genossen: blasse Erscheinung, keinerlei persönliche Ausstrahlung, eben der vom deutsch Michel so sehr geliebte „Kumpeltyp“ aus der Eckkneipe! Irgendwie scheint er aus der Zeit gefallen, wie der ganze Rest seiner Truppe (Ersken, Giffey, etc.): harmlose Gestalten, die besser als Paketfahrer oder Tagesmütter aufgehoben wären!

DW
2 Jahre her

„Cum-Ex, Wirecard oder Strafvereitlung im Amt“
interessieren den Normalbürger schlicht und einfach nicht, wenn er es denn überhaupt verstehen(will).
Private Steuerhinterziehung, Vorteilsnahme, private Skandale, private Schummeleien – und der Wähler würde darauf anspringen, weil es etwas ist, das er begreifen und sich darüber empören kann. Siehe Bäerbock, das waren alles ganz private Skandale, Lügereien und Raffgier.

old man from black forrest
2 Jahre her

Die Verbindung von Herrn Scholz mit Cum ex, Wirecard oder der Razzia interessiert den scholzaffinen Wähler nicht. Im Gegenteil: Wirecard – geschieht den Zockern gerade recht; cum ex – verstehe ich sowieso nicht. Anders, Herr Scholz wäre dieser Tage beim Entwenden eines E-Bikes erwischt worden. Dann wäre die Hölle los.

nachgefragt
2 Jahre her

Naja, man darf nicht vergessen, dass die SPD mit der DDVG ein riesiges Zeitungskartell betreibt. Da wird so oder so keine Kampagne gegen die SPD gemacht. Erst wenn die SPD eigene Leute selbst fallen lässt, wird berichtet. Wie damals im Fall Edathy oder nach langem hin und her bei Petra Hinz, nachdem klar war, dass sie von vorne bis hinten im Lebenslauf gelogen hat.

Andreas aus E.
2 Jahre her

In meinem Bekanntenkreis, die heute eher SPD-affin, hielt ich Kurzvortrag zum Thema Scholz und Affären. Das war weithin gr nicht so präsent, aber daß ich keinen Stuß geredet hab, ergab deren kurze Smartphonerecherche.
Zur einzig demokratischen Option wird es wohl nicht langen, da sind die leider zu fest einbetoniert, aber definitiv nicht mehr Scholz/SPD, und „Grüne“ sind für die eh nicht wählbar, so wie auch Merkelunion absolutes „NoGo“ ist.

Georg J
2 Jahre her

Der Olaf Scholz soll nicht beschädigt werden, so wie die Frau von der Leyen damals trotz vieler Skandale erstaunlicherweise den höchsten EU-Posten bekam oder Frau Lagarde den Posten bei der EZB. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass es eher schädlich ist für den Kandidaten eines hohen politischen Amtes, wenn man nichts Substanzielles gegen ihn in der Hand hat, was man bei Bedarf – wenn er nicht funktioniert wie gewünscht – „zünden“ kann. Scholz wird beispielsweise wenig Möglichkeit haben die „Maskengeschäfte“ von CDU – Abgeordneten in seinem Sinne zu instrumentalisieren, denn dann würde er mit seinen eigenen Machenschaften konfrontiert werden.

Last edited 2 Jahre her by Georg J
Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Georg J

Nie und nimmer würde ich Erpressbarkeit in Zusammenhang mit politischen Spitzenämtern in Demokratien auch nur anzudenken wagen… ;.)

Carlos
2 Jahre her

Oder? Oder wir haben die Nase so voll von Merkel und ihrem ganzen CDU-Klüngel, dass uns jetzt alles egal ist. Ob Rot-Grün-Gelb oder Rot-Grün-Rot oder was auch immer. Hauptsache die CDU geht in die Opposition. Denn wenn die Union den Kanzler stellt, würde sie für 16 Jahre Merkel auch noch belohnt. Wer so viel Schaden anrichtet, der hat das nicht verdient.