100 Milliarden für die Bundeswehr – Wird Deutschland wieder wehrfähig?

SPD, Grüne und FDP rüsten Deutschland auf: Bundeskanzler Olaf Scholz stellt ein Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr und Ausgaben von über 2 Prozent des BIPs für die Verteidigung in Aussicht.

IMAGO / Bildgehege

SPD-Regierungen bleiben sich treu. Während die unionsgeführte Bundesregierung die Wehrpflicht aussetzte, die Truppe kaputtsparte und sich vehement gegen die von der NATO geforderte Einhaltung des 2-Prozent-Zieles wehrte, tritt Olaf Scholz in die Fußstapfen von Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Ganz entgegen roten Glaubensbekenntnissen unterstützte Schmidt den NATO-Doppelbeschluss, während unter Schröder die Bundeswehr ihren Einsatz im Zuge des Jugoslawienkrieges und des Afghanistankrieges sah.

Das Paradoxon, dass deutsche Regierungen mit Grundüberzeugungen ihrer eigenen Wähler brechen – mag es Hartz IV unter Rot-Grün oder der Atom-Ausstieg unter Schwarz-Gelb gewesen sein – bleibt bestehen. Dass ausgerechnet die Grünen maßgeblich in der Regierung dabei mitwirken, ist bereits zum zweiten Mal Treppenwitz der bundesrepublikanischen Geschichte. Die geopolitischen Veränderungen und die massiven Sanktionen gegen Russland könnten für sie noch weitere Gewissensfragen aufwerfen.

Dass die Roten in der Bundesregierung und die Grünen in der Opposition genau jene Projekte, die sie jetzt antreiben, jahrelang blockiert haben, bleibt dabei unter dem Tisch. Im Übrigen nicht nur in der letzten Legislatur: die von der Truppe öffentlichkeitswirksam verbreitete Meldung, dass sie „blank“ sei, war wohl auch dem Projekt der Ampel geschuldet, bei der Bundeswehr weiter einzusparen und Personal abzubauen. Vielleicht sind bald auch Drohnen plötzlich „in“.

Nach Scharnhorst und Moltke nun die Militärreform unterm „alten Ole“

Wenn Scholz in seiner Ansprache demnach sagt, man würde eine „Zeitenwende“ erleben, dann betrifft das nicht nur die Außenpolitik. Ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro soll der Bundeswehr in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen. Im Bundestag kündigt der Kanzler an, das Geld werde bereits für den Bundeshaushalt 2022 bereitstehen. Und außerdem: von nun an würde die Bundesregierung „Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“.

Scholz spricht von einer hochmodernen, leistungsfähigen und „fortschrittlichen“ Bundeswehr. Offenbar wollte man sich die in den letzten 20 Jahren nicht leisten. Erst, da die militärische Schwäche des Westens so offenbar ist, dass Russland glaubt, seine Expansionswünsche ohne militärische Gegenwehr durchsetzen zu können, kommt man in Berlin auf die Idee, die konventionellen Kräfte zu stärken, um in Zukunft abwehrbereit zu wirken. Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“, die beteuert, dass sich die Demokratie allein durch Vernetzung und Handel die Welt untertan machen würde, scheint passé.

„Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen“, sagt Scholz im Plenum. Und dann: „Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene Sicherheit.“ Sätze wie diese verwundern – und doch nicht. Denn dass die Bundeswehr als Verteidigung des Nationalstaates – von Vaterland wollen wir erst gar nicht reden – ausgedient hat, daran hat die politische Elite der letzten Jahrzehnte keinen Zweifel gelassen. Deutschland wird an der NATO-Grenze verteidigt und wird weiterhin vor allem den Wünschen eines Bündnisses entsprechen, das nicht allein von europäischen Interessen gekennzeichnet ist.

Lindner will Haushaltsentwurf im März vorlegen

Scholz hat demnach auch betont, dass er Artikel 5 des NATO-Vertrags – das heißt den Angriff auf andere NATO-Mitglieder als Auslösung des Bündnisfalls – achten werde. Für Kanzlerverhältnisse sind das überdeutliche Ansagen. Deutschland sei bereit, Luftabwehrraketen zur Verteidigung des Luftraums „der Alliierten in Osteuropa“ zu stellen und sich an der Verstärkung der Nato-Truppen in der Slowakei zu beteiligen. Schon am 9. März will Finanzminister Christian Lindner einen Haushaltsentwurf vorlegen. Es herrscht überraschende Begeisterung für solche Pläne, für die man noch vor einem Jahr jeden Abgeordneten als Kriegstreiber ausgebuht hätte. Deutschland unter dem „alten Ole“ auf dem Weg zur Militärreform.

Das sind Ankündigungen, deren Auswirkungen wir heute noch nicht absehen können, Appelle und Programme, die finanziert, begleitet und ausgearbeitet werden müssen in einem Land, das sich von Freunden bisher umzingelt sah. Die Absicht, Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, könnte ein historischer Präzedenzfall werden, dessen zukünftige Implikationen ebenso unklar sind. Nur eines ist sicher: der Ausnahmezustand bleibt in Europa bestehen. Auch ganz ohne Corona.

Anzeige

Unterstützung
oder

Kommentare ( 45 )

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

45 Comments
neuste
älteste beste Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Kindermund
2 Jahre her

Ist halt Fasching. Und der Olaf geht als Kanzler. Am Aschermittwoch ist alles vorbei, dann gilt wieder Klimagendern und Bunderwehr transsexualisieren as usual und der Olaf kann sich nicht mehr an seine Regierungserklärung erinnern. Kann ja auch gar nicht gewesen sein: War ja Sonntag.

GP
2 Jahre her

Der WDR bezeichnet gerade die Rosenmontagsumzüge als ein „klares Signal an Putin…“ Ich glaube aber kaum dass Putin sich die Rosenmontagsumzüge ansieht. Das Deutschen Staatsfernsehen kann nur infantil.

Teiresias
2 Jahre her

Mit den 100 Millarden bekämpft die Regierung den Vorwurf, zu wenig Geld für Rüstung auszugeben.

Es handelt sich um eine Image-bildende Maßnahme für die Regierung.

Der gegenwärtige Wehretat würde für eine schlagkräftige Truppe ausreichen – wenn das denn gewünscht wäre.

Axel Fachtan
2 Jahre her

Erst der Plan, dann das Geld. Ein gutstrukturiertes Militär ist eine Daueraufgabe. Kostspielig ist es auch. Mit Frau Lamprecht werden sich 100 Milliarden in Schall und Rauch auflösen. Weil sie weder Ahnung noch Konzept hat. Erst gehört Frau Lamprecht abgesetzt. Und ein Minister eingesetzt, der versteht, was ein konventioneller Krieg im 21. Jahrhundert bedeutet und wie er zu führen ist. Dann sollte der planen. Und wenn die Planung steht, dann erst sollte beschafft werden. Die Kriege des 21. Jahrhunderst werden u.a. mit Drohnen gewonnen oder ohne Drohnen verloren. Die Bundeswehr hat keine Drohnen. Sie ist also schlichtweg auf verlorenem Posten.… Mehr

Herbert
2 Jahre her

100 Milliarden für Aufrüstung der Bundeswehr?
Das wird mit der beschlossenen Decarbonisierung nicht funktionieren. Den Verbrenner schaffen wir ab. Da bleiben für fahrendes, schwimmendes und fliegendes Gerät nur der E-Antrieb und das Lastenfahrrad.
Und tödliche Waffen? Die funktionieren nur mit Verbrennung, hochdynamisch. Geht gleich gar nicht.
Das wird also nichts.
Vielleicht sollten wir das Geld lieber für den weiteren Ausbau der Sozialwissenschaften ausgeben. Das schafft Beschäftigung, auch für unterdurchschnittlich Begabte, und verhindert alle militärischen Auseinandersetzungen.

ChristianFuelle
2 Jahre her

Mit dieser Regierung werden die 100 Milliarden verpuffen. Ein Treppenwitz der Geschichte ist, das genau diese Partei die jahrelang der Abbruch der Bundeswehr als Koalitionspartner betrieben hat nun so tut als wenn jetzt mit Ihnen der Neuaufbau beginnt. Glaubt jemand allen ernstes das die Partei die den BER gebaut hat nun in der Lage ist nun wieder eine richtige Armee aufzubauen?? Es werden Lippenbekenntnisse und 100 verbrannte Milliarden bleiben. Leider! Standorte sind fast alle geschlossen und verkauft. Ein Wehpflicht will man nicht zurück – woher sollen die Soldaten kommen? Truppenteile müssen neu aufgebaut werden. Wo ist der Plan?? Bestellen sie… Mehr

Herbert
2 Jahre her
Antworten an  ChristianFuelle

Und wo sollen diensttaugliche Soldaten herkommen? Unsere FFF-Hüpfer?

Giovanni
2 Jahre her

Im Bundestag überschlagen und überbieten sich die Politiker mit angekündigten Aktionen. Wie immer ein fürchterliches Geschrei. Ich bin mir sehr sicher, daß daraus sehr wenig Aktionen entstehen! Die Quengelei beginnt spätestens im Detail. Dann wird vieles wieder über Bord geworfen.
Wollen wir wetten?!!

Stefferl
2 Jahre her

Und wo soll das Geld herkommen? Bereits jetzt hat die neue Bundesregierung Gelder in Milliardenhöhe verplant, die einfach nicht existieren. Das ginge also nur über eine exorbitante Neuverschuldung oder das Drucken frischen Geldes. Beides wäre für die Bürger eine Katastrophe, da beides nichts anderes als eine Art von Enteignung über die Inflation ist.

Ch. Timme
2 Jahre her

Diese Entwicklung war überfällig, nur wer A sagt kommt auch bis zu D. Und wer dann mit A anfängt wird D nie erreichen. Wie Politik geht ist klar, wie Denken geht immer noch nicht. Bleibt nur noch zu sagen … typisch … fängt mit D an.

Steffchen
2 Jahre her

Da kann ich nur sagen: Heuchler. Die SPD regiert seit zig Jahren mit. Warum nur muss in Deutschland immer erst das Kind in den Brunnen fallen, bevor kompetenzbefreite Politiker eine Idee haben. Aber erst mal Klima retten. In der Psychologie nennt man sowas: Kontrollillusion. Die Politker kümmern sich lieber um Dinge die sie eh nicht verändern können und im Ergebnis nicht messbar sind. Ohne Messbarkeit, keine Verantwortung. So einfach ist das. Der Bundestag ist die größte Heuchler-Brutstätte, die Deutschland je gesehen hat.