Euro in der Krise – Folgt nun die Parität zum US-Dollar?

Die aktuelle wirtschaftliche Lage in der Eurozone ist beunruhigend. Das zeigt sich auch in der Gemeinschaftswährung. Der Euro befindet sich seit Monaten auf Talfahrt. Folgt jetzt eventuell sogar die Parität zum US-Dollar?

picture alliance / NurPhoto | Jonathan Raa

In der vergangenen Woche verlor der Euro verlor gegenüber dem US-Dollar knapp 1 Prozent und fiel mit 1,022 US-Dollar auf den niedrigsten Stand seit dem 21. November 2022. Seit seinem lokalen Höchstwert im September 2024 verzeichnete das Währungspaar EUR/USD einen deutlichen Rückgang von 9 Prozent innerhalb von drei Monaten. Hauptursache für diese Entwicklung, sind die anhaltend schwache Konjunktur in der Eurozone sowie die unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtungen der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB).

Bereits im November des vergangenen Jahres korrigierten Analysten zahlreicher Banken ihre Prognosen für den Euro weiter nach unten. Zwar könnte ein schwächerer Euro die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Exporteure stärken, da ihre Produkte auf den globalen Märkten günstiger werden. Doch diese kurzfristigen Vorteile werden schnell von gravierenden Nachteilen überschattet: Unternehmen und Verbraucher sehen sich mit massiv steigenden Kosten für Importe konfrontiert – insbesondere bei Rohstoffen, die größtenteils in US-Dollar gehandelt werden, was den Einkauf in Euro erheblich verteuert.

Geldpolitische Differenzen: Fed will Zinsen weniger stark senken

Besonders die Aussagen der US-Notenbank Fed vom 18. Dezember 2024 sorgten für Verunsicherung: Statt umfassender Zinssenkungen im Jahr 2025 plant die Fed angesichts der relativ robusten US-Wirtschaft maximal zwei moderate Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte. Im Vergleich dazu ist die EZB gezwungen, weitaus aggressiver vorzugehen, um die schwächelnde Konjunktur in Europa anzukurbeln.

Während die Inflationsrate in den USA im Dezember 2024 bei 3,4 Prozent lag, verzeichnete die Eurozone lediglich 2,4 Prozent, was der EZB Spielraum für tiefere Zinssenkungen lässt. Die europäische Wirtschaft benötigt dringend Impulse, um die Kreditvergabe und Investitionen anzukurbeln, während die Fed aufgrund der soliden US-Konjunktur darauf achten muss, keine Überhitzung der Wirtschaft zu riskieren.
In den USA könnte ein zu starkes Absenken der Zinsen die Inflation weiter anheizen und gefährliche Marktverzerrungen hervorrufen. Eine drohende Blasenbildung, ähnlich der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende, ist ein realistisches Szenario.

Besonders im Technologiesektor sind Überbewertungen schon jetzt sichtbar – etwa bei Halbleiterherstellern wie Nvidia, deren Aktienkurs sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdreißigfacht hat. Zwischenzeitlich war das Unternehmen sogar das Wertvollste an der Börse. Analystin Kimberly Forrest, Gründerin und CIO von Bokeh Capital Partners, warnt vor einer realen Gefahr durch eine überbewertete Tech-Branche.

Vor diesem Hintergrund wird die Fed vorsichtiger agieren, während die EZB in den kommenden Monaten mutigere Zinssenkungen durchführen dürfte. Diese ungleichen Maßnahmen beeinflussen die Kapitalströme stark zugunsten der USA: Durch die Zinssenkungen der EZB sinken gleichzeitig auch die Zinsen auf Spar- und Festgeldkonten in der Eurozone. Anleger könnten ihr Geld darum zunehmend aus Europa abziehen, um es in den lukrativeren US-Markt oder risikoreichere Anlagen wie Aktien, Immobilien oder Kryptowährungen zu verlagern.

Konjunkturflaute in Eurozone belastet die Gemeinschaftswährung

Abgesehen von den geldpolitischen Differenzen gibt besonders die aktuelle Konjunkturflaute in der Eurozone Anlass zur Sorge. Besonders in Deutschland kämpft die Wirtschaft mit einer Stagnation. 2025 wird der einstige Wirtschaftsmotor Europas wohl das dritte Jahr in Folge in der Rezession verbringen. Das Handelsblatt Research Institute (HRI) prognostiziert in seiner aktuellen Konjunkturanalyse, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Der Grund: Die deutsche Industrie verliert zunehmend ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten, vor allem gegenüber chinesischen Unternehmen, die in zahlreichen Schlüsselbereichen den Ton angeben.

Ein gutes Beispiel liefert die Automobilbranche. Hersteller wie Volkswagen, Mercedes oder BMW geraten immer stärker ins Hintertreffen, insbesondere beim Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu chinesischen Konkurrenten. Die Umstellung auf E-Mobilität als Teil der grünen Transformation hat den traditionellen Verbrennungsmotor, lange Zeit ein Symbol deutscher Ingenieurskunst, verdrängt – und damit auch die Führungsrolle Deutschlands in der Branche. Das Ganze ist besonders bedrückend, da die Automobilindustrie das wirtschaftliche Rückgrat der Eurozone bildet. Im dritten Quartal 2024 trug die Automobilindustrie mehr als 7 Prozent zum EU-weiten Bruttoinlandsprodukt bei. Zudem hängen nahezu 14 Millionen Arbeitsplätze direkt oder indirekt von den Herstellern und Zulieferern ab.

Ein weiterer Grund für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen sind die explodierenden Energiekosten. Vornehmlich in Deutschland sind diese durch die Energiewende stark angestiegen. Der zunehmende Anteil erneuerbarer Energien am Strommix – mittlerweile mehr als 50 Prozent – bringt große Ineffizienzen und Abhängigkeiten mit sich. Die Folge sind explodierende Strompreise an der Strombörse.

Zur grünen Ideologiepolitik gesellen sich überbordende Regulierungen durch EU-Bürokraten sowie radikal hohe Steuersätze. Diese Faktoren machen es für viele Unternehmen in der Eurozone so gut wie unmöglich, profitabel zu wirtschaften und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Auch der Wert des Euros leidet folglich darunter.

Parallelen zur Eurokrise: Steht der Euro vor einer steilen Talfahrt?

Die aktuellen Entwicklungen in der Eurozone könnten eine Situation heraufbeschwören, die den Ereignissen der Eurokrise zu Beginn der 2010er Jahre nahekommt.

Die Eurokrise hatte ihren Ursprung in der globalen Finanzkrise von 2008. Als im darauffolgenden Jahr die wahre Haushaltslage Griechenlands ans Licht kam, löste dies Schockwellen aus. Ende 2009 stellte sich heraus, dass das griechische Haushaltsdefizit mit 15,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) weit höher war als zuvor erwartet. Der gesamte Schuldenstand belief sich auf mehr als 120 Prozent des BIP – die höchste Verschuldung innerhalb der Eurozone zu diesem Zeitpunkt. Zum Vergleich: Deutschland wies im selben Jahr eine Schuldenstandsquote von 73 Prozent und ein Haushaltsdefizit von 3,0 Prozent auf.

Doch Griechenland war kein Einzelfall. Auch Länder wie Portugal, Spanien und Italien hatten jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Ausgaben durch Kredite finanziert. Die wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise führten dazu, dass diese Länder ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Investoren verloren das Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit der Länder, was zu steigenden Risikoaufschlägen für Staatsanleihen führte.

Diese Vertrauenskrise in den europäischen Währungsraum ließ den Euro massiv an Wert verlieren. Zwischen 2008 und 2014 sank der Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar um fast 35 Prozent. Der Euro hat seither nie wieder den Rekordwert von 1,6038 US-Dollar erreicht, den er im Jahr 2008 verzeichnete.

Auch heute stehen die Zeichen auf Sturm. Die Eurozone kämpft mit wirtschaftlicher Stagnation, einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und zunehmenden regulatorischen Hürden. Hinzu kommt die steigende Staatsverschuldung, auch in Deutschland: Nachdem die Bundesrepublik über viele Jahre hinweg erfolgreich ihre Schulden abgebaut hatte, kehrte sich der Trend ab 2020 um. Seitdem stieg die deutsche Staatsverschuldung um mehr als 500 Milliarden Euro an. Ende des vierten Quartals 2024 belief sich die Gesamtverschuldung auf mehr als 2,5 Billionen Euro.

Kommt die Parität zum US-Dollar?

Doch wie tief kann der Euro im Vergleich zum Dollar noch fallen? Viele Analysten halten es für wahrscheinlich, dass das Euro-Dollar-Paar im Jahr 2025 erneut die Parität erreicht – ein Niveau, das zuletzt im Jahr 2022 während der Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts beobachtet wurde. Von Parität spricht man, wenn der Wechselkurs bei 1:1 liegt.

Die Devisenexperten der DZ Bank gehen laut Handelsblatt davon aus, dass Dollar und Euro innerhalb der nächsten drei bis sechs Monate gleichziehen werden. Auch in der zweiten Jahreshälfte 2025 erwartet die Bank keine Erholung des Euros.

Sollte die Parität zum US-Dollar tatsächlich eintreten, wäre das ein symbolischer Tiefpunkt für die Gemeinschaftswährung. Dies würde die Importkosten in die Höhe treiben, die Lebenshaltungskosten weiter belasten und die Kaufkraft der Verbraucher schwächen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Sind die Tage des Euros als verlässliche Gemeinschaftswährung gezählt?

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Kommentare ( 22 )

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AmpelFluechtling
26 Tage her

Der Dollar ist unglaublich stark aufgrund von Trump. Der Dollar wird wahrscheinlich noch viel weiter steigen mit dem Wirtschaftsprogramm das die Republikaner auflegen werden. Ansonsten Cryptowährungen, die werden ebenfalls einen riesen Boom unter Trump erleben.

Laurenz
26 Tage her

Herr Märtin, eine leichte Konsolidierung des Bundeshaushalts war nur über die Inflation möglich, sprich, zu Lasten des Bürgers & Konsumenten. Die ewigen Euro/Yen/$ Vergleiche sind doch bloß, wenn überhaupt, die halbe Wahrheit. Schauen Sie Sich mal die Kursentwicklung Euro/Thai Baht über 10 oder 20 Jahre an. Dann wissen Sie, wie sich zB Masken, Elektronik-Bauteile, Urlaub, Kokos-Milch, Kautschuk verteuert haben. Bei uns findet schlicht eine Zwangsenteignung der Bürger statt, eben auch mit indirekten Steuern, wie der Inflation. Die Billig-Währung Euro hat die Deutsche Wirtschaft veranlaßt zu italisieren & über die Abwertung Produkte zu verkaufen. Zu Deutschmark-Zeiten war der Verkauf nur durch… Mehr

Ron
26 Tage her

Viele weise Worte der Volkwirtschafler. Ich nehme lieber den Bier- oder auch McDonalds Index. Stundenlohn vs. Bier oder Hamburger, Butter, Brot etc.
Seit spätestens der „PIGS“ Krise wurde das Mißverhältnis offensichtlich. Aber ich bin kein Experte.

Legolas
26 Tage her

Der Euro war von Anfang an ein französisches Projekt mit dem Ziel, die Deutschen bequemer auszuplündern. Dass er seine Zustimmung dazu gegeben hat, macht Helmut Kohl für mich trotz seiner Verdienste zum Hochverräter. Man schaue sich nur die Target 2-Salden an. Hier hat Deutschland inzwischen weit über 1 Billion uneinbringlicher Kredite vergeben müssen. Tendenz steigend. Wir bezahlen die Exporte unserer Waren in Länder der Eurozone seit 20 Jahren quasi selbst. Wir könnten mit der D-Mark und einer vernünftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik wohlhabender sein als Schweiz. Stattdessen haben wir uns zu einer Idiokratie entwickelt. Eine Währungsunion so unterschiedlicher Staaten ohne gemeinsame… Mehr

Ede Kowalski
26 Tage her

Schon seit Jahren benutze ich den € nur zum ausgeben. Gespart wird in Edelmetall und Fremdwährung. Politische Währungen sind Missgeburten-das war schon immer so.

Neo-Realist
26 Tage her

ich hätte einen kurzen Hinweis zu den Target-2-Salden erwartet; derzeit hat Deutschland bereits mehr als 1.000 Milliarden Forderungen an andere Euro-Länder, insbesondere I + E + F + PT, also die Südländer zu denen auch F gehört, deshalb sind die Franzosen happy mit Lagarde als EZB-Chefin das Geld sehen wir nie wieder, leider wird von deutschen „Wissenschaftlern“ der Posten runtergelabert zu einem nur „technischen“ Posten, das ist Schwachsinn 1.000 Mrd verteilt auf die Arbeitnehmer in D, also auf ca. 40 Mio bedeutet pro Nase ca. 25.000 EUR, die sich in 25 Jahren aufgebaut haben: jährlich 1.000 je deutschen Arbeitnehmer als… Mehr

Endlich Frei
26 Tage her

Nachdem die Französin Lagarde EZB-Hofpolitik für Pleite-Frankreich betreibt und Merz seinen unverrückbaren Wunsch mit der Antifa zu koalieren bekannt gab, ist völlig klar, dass hier eine Schuldenorgie in Gang kommt, die beispiellos ist. Die Märkte können gar nicht anders.

Das Drehbuch steht also – ansonsten läuft es eben so, wie Volkswirtschaftlerin Alice Weidel, die in diesem Fachbereich promoviert hat,in einer Pressekonferrenz Anfang Dezember ausführlich erklärt hat.

„Nur die AFD kann Deutschland noch retten“ (Elon Musk: 12/2024)

Peter Gramm
26 Tage her

Wer hat denn die ganzen wunderbaren Verträge abgeschlossen und sofort wieder gebrochen. Genau, es waren unsere Volksverteter die jetzt wieder um Vertrauen buhlen. Von der Leyen, Lagarde…Die falschen Leute an den Schaltstellen. So etwas kann nur in die Katastrophe führen.

Michael Palusch
26 Tage her

Was einerseits die Importkosten in die Höhe treibt, verbessert auf der anderen Seite die Wettbewerbsfähigkeit beim Export. Die exportfixierte deutsche Wirtschaft dürfte das freuen, dass Trump dem aber tatenlos zusehen wird, darf jedoch bezweifelt werden.

Memphrite
26 Tage her

Dollar.und Euro sind zwei Besoffene die sich umarmen um nicht zu Boden zu fallen. Nun ist der EUR etwas näher am Boden als der Dollar. Robuste US Wirtschaft?:) Die USA verschuldet sich wie in Kriegszeiten mit ca. 6-7% zum GDP und generiert dadurch ca.2,5% „Wachstum“? Und das ist dann robustes Wachstum? Was dort wächst ist der Wert der Dollar nominierten „Finanzwerte“. Aber gleichzeitig verfällt die Infrastruktur genauso schnell wie in DE. Und die EU? Haben sich durch die selbstmörderischen Klimavorgaben und den Krieg gegen Russland in alle Gliedmaßen und den Kopf geschossen. Jetzt will man auch noch die 200Mrd. der… Mehr