ZDF-Programmchef Himmler erwägt permanente Rückkehr von „Wetten, dass …?

Thomas Gottschalk erreichte mit seinem Comeback von "Wetten, dass ...?" im Schnitt 13,8 Millionen Zuschauer. Nun denkt der designierte Intendant des ZDF über eine dauerhafte Rückkehr des Erfolgsformats nach. Deutschland ist eben nicht nur demographisch, sondern auch mental alt geworden.

IMAGO / Future Image
Thomas Gottschalk und Helene Fischer in der ZDF-Unterhaltungsshow Wetten, dass..? live aus der Messehalle in Nürnberg am 6. November 2021.

Friedrich Merz gilt in der CDU manchen als die Hoffnung für kommende Aufgaben. An Stammtischen schwärmen die Menschen von den Zeiten der zwei Helmute (Schmidt und Kohl). Pro 7 wirbt mit dem Logo und einem Comeback von „TV Total“, der Show von Stefan Raab, und ZDF-Programmchef Norbert Himmler spricht davon, dass „Wetten, dass …?“ dauerhaft zurückkehren könnte. Deutschland sehnt sich nach einer Zukunft der Vergangenheit.

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Warum Himmler, der bereits gewählte künftige ZDF-Intendant, sich ein dauerhaftes Comeback von „Wetten, dass …?“ wünscht, liegt auf der Hand: Von solchen Quoten können die Mainzer sonst nur noch träumen. Vor allem wenn es um jüngere Leute geht. 50,2 Prozent der 14- bis 49-Jährigen haben „Wetten, dass …?“ gesehen. Dabei ist das ZDF sonst nur bei den Alten stark. Am Montag erreichte der Sender eine Einschaltquote von 16,4 Prozent bei allen Zuschauern – aber nur 3,7 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen.

Wie lässt sich der Erfolg von Thomas Gottschalk und seinem Team erklären? Zum einen hat Gottschalk aufgefahren, was sich auffahren lässt: Helene Fischer, Udo Lindenberg und Abba. Ob ihm eine solche Besetzung bei sechs oder zwölf Folgen pro Staffeln immer gelingen würde, bleibt abzuwarten. Zum anderen war die Konkurrenz nicht stark. Das „Supertalent“ oder „The Masked Singer“ schwächeln ohnehin.

„The Masked Singer“ kam zuletzt nicht mehr an die Drei-Millionen-Marke ran. In der direkten Konkurrenz zu „Wetten, dass …?“ reichte es immer noch für über zwei Millionen Zuschauer. Das Format ist zwar unterhaltsam, aber die Münchener übertreiben es mit den Werbeblöcken. Vor allem im letzten Drittel der Folgen werden die Werbefilme nur noch sporadisch von Musikbeiträgen unterbrochen.

Doch die Gründe finden sich nicht nur im Offensichtlichen. Sie liegen tiefer. Deutschland ist ein altgewordenes Land. Das lässt sich leicht in den demographischen Daten ablesen. Doch es geht um mehr als ein biologisches Altsein – Deutschland ist mental alt. Geht es etwa um Freizügigkeit im Film, unterscheiden sich junge Aktivisten von Spießern der 50er Jahre nur durch die Argumentation. Im Ziel, keinen Pfuikram auf dem Bildschirm sehen zu wollen, sind sich Linke von heute und Spießer von gestern einig. Zu einem Samstagabend mit „Wetten, dass …?“ und Schnittchen ist der Weg da gar nicht mehr weit.

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Am liebsten solle sich gar nichts ändern, war der kleinste gemeinsame Nenner der Merkel-Ära. Und dass die Wahl ihres Nachfolgers auf Olaf Scholz fiel, lässt kaum erwarten, dass sich die Mentalität in den vergangenen Monaten irgendwie geändert hätte. Es liegt nahe, emotional an der Vergangenheit festhalten zu wollen. Denn geschäftlich ist die Vergangenheit in Deutschland ein Erfolgsmodell. Das Erfolgsmodell, um reich zu werden.

3,1 Billionen Euro werden Deutsche zwischen 2015 und 2024 erben. Das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge ergeben. Um das einzuordnen: Das ist deutlich mehr als das Zehnfache der Summe, die El Salvador laut Weltbank im gleichen Zeitraum an Bruttosozialprodukt erwirtschaften wird. Wären die deutschen Erben ein mittelamerikanisches Land, wären sie ein extrem erfolgreiches.

Die Zwänge der Marktwirtschaft sind da weit weg: Produktions-Steigerungen, Wirtschaftskriege um den Zugang zu Rohstoffen oder das chinesische und amerikanische Streiten um die Vormacht auf den Seewegen? Das hört sich alles an wie seelisch grausame Erzählungen, vor die man sich in seinen Schutzraum zurückziehen möchte. Der nette Onkel Thomas in seinen lustigen Klamotten darf da gerne laufen. Passenderweise wirbt das ZDF bereits für ein großes Porträt von Roland Kaiser, dessen Schlager vor allem Ende der 70er Jahre erfolgreich waren.

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Doch auch Nostalgie ist kein sicheres Fundament für Erfolge. Zwar strahlen die Einschaltquoten. Dieses mal. Doch zum einen sind die 13,8 Millionen Zuschauer der Schnitt von fast vier Stunden. Am Ende der Show saßen nur noch 7 Millionen Zuschauer vorm Fernseher. Die Zahl derer, die sich nicht vier Stunden an den Bildschirm fesseln ließen, ist also nennenswert.

Zumal der Neugier-Effekt hinzukommt. Nach seinem Aus bei „Wetten, dass …?“ 2010 ging Thomas Gottschalk zur ARD, um dort im Vorabendprogramm eine Internetshow zu moderieren. Über vier Millionen Menschen wollten seinerzeit die Premiere sehen. Danach war es bald nur noch ein Viertel und die erfolglose Show wurde wieder eingestellt. Das ZDF kann „Wetten, dass …?“ wieder zum festen Teil seines Samstagabends machen – aber auch Nostalgie nutzt sich irgendwann ab.

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Kommentare ( 40 )

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Montgelas
2 Jahre her

Ich habe mir diesen Berufsjugendlichen nur ein einziges Mal in TV angesehen, am Beginn seiner Serie, für wenige Minuten. Mir unverständlich, was man daran finden kann…

erwin16
2 Jahre her

Mir ist aufgefallen, ab einem bestimmten Alter wird man sentimental was seine Jugend betrifft.
Als Ossi hat man zu „Wetten das“ auch eine gewisse Beziehung, aber die ist nicht so tief.
Man verbindet mit einem Trigger ein Gefühl von damals…..

Das ist der ganze Zauber.
Die Jungen erreicht kein Fernsehen mehr, Immigranten auch nicht.
Sind nur noch die ganz Alten und die Mittelalten mit so einer Sendung.
Die Gesellschaft ist gespalten und die Gräben werden immer tiefer, der Kit schmilzt weg.

Andrej Stoltz
2 Jahre her

Gottschalk kann nur eins wirklich gut: Radio.
Mir war sein Erfolg im Fernsehen immer rätselhaft. Als er seinerzeit dort im ZDF auftauchte, war er für mich erledigt.
Aber sollen sie nur machen: wieder Wetten, dass beim ZDF….“Flirting with disaster“ eben

FerritKappe
2 Jahre her

Aus Hollywood gibt es nur noch bekannte Filme in der 10. Fortsetzung.
Es gibt nichts neues mehr, keine neuen Stars und keine neuen Ideen.
Da passt es doch wenn der ÖRR dabei mitzieht.

Nicht das es mich interessieren würde, ich bevorzuge ideologiefreie Unterhaltung und da ist der ÖRR eher die falsche Adresse.

EndemitdemWahnsinn
2 Jahre her

Ich habs zwar nicht gesehen, da ich das irgendwie gar nicht mitbekommen habe, dass es schon am Samstag lief, und das auch noch in Coronazeiten. Ich dachte immer, die Sendung wäre erst irgendwann nächstes Jahr geplant. Ein bisschen ärgert mich das aber schon, dass ich die Sendung verpaßt habe, denn ich wäre schon neugierig gewesen. Ich fand die Sendung zwar schon seinerzeit manchmal etwas übertrieben und manchmal auch irgendwie langweilig, da es im Prinzip doch immer wieder dasselbe war, aber im Vergleich zu dem, was inzwischen so an billigem Schrott im TV läuft, war „Wetten, dass…“ rückblickend gesehen spitzenmäßig und… Mehr

EndemitdemWahnsinn
2 Jahre her
Antworten an  EndemitdemWahnsinn

Was Gottschalk und die Gäste betrifft, haben sie natürlich vollkommen recht. Bei Gottschalk scheint die Zeit irgendwie vor 30 Jahren stehengeblieben zu sein, da er immer noch dieselbe Kleidung und dieselbe Frisur wie damals hat, was absolut nicht mehr in die heutige Zeit und schon gar nicht zu seinem Alter paßt. Er wirkt absolut aus der Zeit gefallen, was genauso auf die meisten Gäste zutrifft. Aber genau deswegen wäre ich irgendwie neugierig gewesen, die Sendung zu sehen.

erwin16
2 Jahre her
Antworten an  EndemitdemWahnsinn

Er verbiegt sich nicht und macht das was er kann, auch das er bei Bild-TV mitgemacht hat.
Denke er macht das richtig.
Ist ein alter Profi.
Die jungen müssen erst noch ihre Erfahrungen in dem Irrgarten heute machen und das ist unendlich schwierig!

erwin16
2 Jahre her
Antworten an  EndemitdemWahnsinn

Auf youtube gibt es Filme über die Aufwärmphase vor der Sendung, die allein reichen, um ein Gefühl zu bekommen, wie das funktioniert hat.
Es werden die alten Zeiten zelebriert.

AlexR
2 Jahre her

Brot und Spiele! Gab es das nicht vor einigen Jahrhunderten schon mal? Oder die Tribute von Panem? Sind wir inzwischen schon wieder so weit, dass mit solchen Ereignissen der „Pöbel“ glücklich gestimmt wird? Ja, wir sind es! Diese ganze Merkelpolitik mit ihren Gästen, der Klimahype, die Gendersprache und vieles mehr kommt beim Volk nicht mehr wie gewollt an. Aber um den Michel bei Laune zu halten, wenn demnächst die Ampel uns alle zur Schlachtbank führt, werden solche Sendungen wieder öfter im ÖR zu sehen sein. Denn der ÖR hat ja eine Aufgabe zu erfüllen. Die heißt, dass unsere große Vorsitzende… Mehr

Last edited 2 Jahre her by AlexR
Cola
2 Jahre her

Ich fand die Sendung gut, aber ausschließlich wegen Gottschalk und weil die Wetten zumindest kurzweilig waren. Die Gäste waren allerdings kaum der Rede wert, ausser Fischer, der man ob man sie mag oder nicht zumindest zugestehen kann, dass sie ein Star ist, der allen Altersgruppen ein Begriff ist. Aber Lindenberg und Abba sind Menschen unter 60 allenfalls vom Namen her bekannt, ebenso wie Frank Elstner. Die Schauspieler Ferch und die junge Frau, deren Namen Gottschalk zu Recht vergessen hatte, die unvermeidlichen Fernsehnasen von Pro7, naja, die sind jetzt nicht unbedingt das, weswegen man früher die Show eingeschaltet hat. Man wollte… Mehr

StefanB
2 Jahre her

Meine Güte, Herr Himmler ist aber „rückwärtsgewandt“. Eine Show mit einem alten, weißen Mann aus grauer Vorzeit und ebensolchen Gästen. Gab’s schon einen Shitstorm?

Ben Goldstein
2 Jahre her

Noch deutscher wäre „Die besten 20 Shows der 90 – Countdown mit Oliver Geissen“, aber am deutschesten wäre „Schnitzler und Witt – das Beste aus dem DDR-Fernsehen.“
Aber im Ernst, wir alle wissen, dass wir noch vor 10 Jahren ein deutlich besseres Leben lebten. Schade, dass die wenigsten beschreiben können, woran das liegt, und sie sich stattdessen in emotionale Unterhaltungsnarkose fliehen.

Konradin
2 Jahre her

Ich stimme der Analyse zu. Für mich war das Aus von „Wetten dass….“ 2011 auch ein Symbol für das Ende des alten Deutschlands (unter gesellschaftlich-demographischen Gesichtspunkten). 2011 war Deutschland demographisch und mit Bezug auf seine kollektive Identität und gesellschaftlichen Konsens noch überwiegend als Deutschland erkennbar. Einigkeit und Recht und Freiheit waren für uns Deutsche noch so selbstverständlich, dass man gar nicht drüber nachdenken – geschweige sich ernste, wirklich ernste, Sorgen machen musste. All das, Einigkeit und Recht und Freiheit – und zwar alle diese drei Grundsäulen Deutschlands – wurden seitdem von und unter Merkel massiv ramponiert und eingerissen. Vermutlich sogar… Mehr