„Squid Game“ – ARD und ZDF schießen gegen Netflix-Serie

Seit Tagen schießen Medien – ARD und ZDF in der ersten Reihe – gegen die Netflix-Serie "Squid Game". Sie sei jugendgefährdend. Eine von der Bundesregierung finanzierte Medienpädagogin fordert, sie auf den Index zu setzen. Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen.

IMAGO / ZUMA Wire
Szenenbild aus der Netflix-Serie "Squid Game"

1970 war die Welt noch in Ordnung. Zumindest für ARD und ZDF. Streamingdienste gab es nicht. Konkurrenz im Fernsehen auch nicht. Und so sorgten ihre Formate für Quote sowie für Gesprächsstoff auf Schulhöfen, in Kantinen und an Theken. Etwa „Das Millionenspiel“. Darin jagt die Bevölkerung die Hauptfigur, dargestellt von Jörg Pleva. Gewinnt er, erhält er einen fetten Preis – ansonsten stirbt er.

Gewinnen bedeutet einen Preis, verlieren den Tod – dieses Konzept kritisieren ARD und ZDF nun in ihren verschiedenen nachrichtlichen Formaten. Allerdings handelt es sich nicht um eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Der Finger der Öffentlich-Rechtlichen zeigt auf andere – in dem Fall auf den privaten Netzanbieter Netflix. Der feiert seit knapp zwei Monaten Erfolge mit der Serie „Squid Game“. Die Zugriffsraten sind hoch und all überall reden Menschen über das südkoreanische Format.

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Darin geht es um Spiele, an denen über 400 Menschen teilnehmen. Die Gewinner kommen in die nächste Runde, die Verlierer werden ermordet. Der Sieger erhält einen hohen Geldpreis. Das Konzept ist nicht neu. Menschenjagden gab es in Film und Fernsehen immer wieder. Etwa in den vier Teilen der „Hunger Games“ mit Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence. Die Gewalt wird in „Squid Game“ zwar gezeigt, aber auf eine Weise, die der Serie eine Altersfreigabe ab 16 bescherte.

Es müsse eine Beschränkung für alle unter 18 sein, fordert Iren Schulz im Interview mit der FAZ. Auch über eine Indexierung müsse nachgedacht werden. Dann dürfte Netflix für „Squid Game“ auch nicht mehr werben. Kinder würden die Spielszenen auf Schulhöfen nachstellen, begründet Schulz ihre Forderung. Allerdings ist Schulz keine neutrale Expertin. Geld verdient sie mit dem Projekt „Schau hin!“. Das wiederum finanzieren das Bundesfamilienministerium und die AOK – sowie ARD und ZDF. Sie berichten also nicht nur negativ über den Konkurrenten, sie stellen auch die Experten für weitere Berichterstattung.

Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen. Denn ARD und ZDF machen auf eines ihres größten Probleme aufmerksam: In der Unterhaltung sind sie vielleicht noch Marktführer, aber sicher nicht mehr Meinungsführer. Unterhaltungs-Sendungen der Öffentlich-rechtlichen finden keinen Widerhall in öffentlichen Debatten – höchstens in den Träumen ihrer Zuschauer, die in ihren Ohrensesseln sanft weggenickt sind.

Hauptsache es wird gesendet, egal was?
ZDF neo ist die Heimat des politisch unkorrekten Fernsehens
Denn Fernsehen ist ein Medium der Alten: Laut GFK hat der durchschnittliche Deutsche am Donnerstag 200 Minuten ferngesehen. Die 30- bis 49-Jährigen haben aber nur 137 Minuten vor der Glotze verbracht, die 14- bis 29-Jährigen sogar nur 53 Minuten. Und wenn die Jungen mal fernsehen, dann auch nicht öffentlich-rechtlich. 5,1 Prozent Quote erreichte das ZDF am Donnerstag in dieser Altersgruppe – die ARD scheiterte an der Fünfprozenthürde und kam nur auf 4,9 Prozent.

Gesellschaftliche Debatten haben ARD und ZDF früher ausgelöst. Etwa mit dem erwähnten Millionenspiel. Dessen Autor Wolfgang Menge schuf auch die Figur „Ekel Alfred“, ebenfalls ein in den 70ern stark diskutiertes Thema. So wie später die Sterbehilfe oder die Selbstjustiz in der Schwarzwaldklinik, Aids oder der schwule Kuss in der Lindenstraße oder die Schummelwette bei Thomas Gottschalk; selbst die Frage, ob ein Kommissar Schimanski im Tatort „Scheiße“ sagen darf, war heftig umstritten.

Mit Unterhaltungsformaten lösen ARD und ZDF keine Debatten mehr aus – höchstens noch mit ihrem Polit-Aktivismus. Etwa wenn bei Hart aber Willner wieder mal rote und grüne Politiker mit rotgrünen Journalisten und Experten rotgrüne Forderungen bestärken. „Die Jugend“ kommt in diesen Formaten auch vor. Entweder werden die Teilnehmer direkt als Mitglieder von FFF und Grünen vorgestellt oder als angeblich repräsentative Vertreter ihrer Generation – die sich aber als Mitglieder von FFF und Grünen entpuppen, wenn man ihre Namen googelt.

Dass sich die Journalistenblase mit diesem Bild der Jugend selbst (erfolgreich) belügt, zeigte sich an dem Schock nach der Wahl – als klar wurde, dass „Die Jugend“ eben nicht automatisch Mitglied bei FFF ist, sondern der FDP am häufigsten ihre Stimme gibt. Ob ARD und ZDF nun ausgerechnet mit einer Kampagne gegen eine Netflix-Serie Jugendliche für sich gewinnen, ist fraglich. Genauso gut möglich ist auch, dass sie den noch verbliebenen jungen Zuschauern zeigen, dass ARD und ZDF eher ein Ding von 1970 sind – als die Öffentlichkeit noch über ihr „Millionenspiel“ debattierte.

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Kommentare ( 24 )

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Jan des Bisschop
2 Jahre her

Mit 0 Minuten Fernsehen bin ich wohl in der Statistik nicht erfasst. Squid Game habe ich mir reingezogen. Die Koreaner sind wirklich gut, da gibt es kein weltanschauliches Gesabbere, die Darsteller haben eigene Wünsche und Fehler. Jeder ist Gut und Böse, Opfer und Täter nur das Maß ist unterschiedlich, nicht wie in europäischen Serien oder Filmen, wo die Darsteller eindimensional sind, Wer reich ist, ist böse, ein Migrant ist gut, auch wenn er ein Krimineller ist, ein Europäer ist entweder gut, wenn er links ist oder böse, wenn er konservativ ist und sehr böse, wenn er rechts ist. Konservative und… Mehr

der_chinese
2 Jahre her

Ich bin um die 40, bin mit Horrorfilmen und Gewaltspielen wie Doom aufgewachsen, habe ca. 10 Jahre europaweit mit einem Clan Quake3Arena auf hohem niveau gespielt, Gewaltdarstellung ist mir also nicht fremd. Ich konnte immer Realität und Fiktion unterscheiden und bin so der Meinung dass Indizierung nichts bringt, es macht es nur begehrter. Die verbotene Frucht eben. Was wichtig ist das Kinder und Jugendliche einen gesunden Menschenverstand haben(Stichwort Erziehung!!!). Und das wird meiner Einschätzung nach immer weniger. Nichtsdestotrotz, die Darstellung von Gewalt dreht sich immer weiter nach oben, man gewöhnt sich eben zu schnell an das gesehene und braucht dann… Mehr

Bummi
2 Jahre her

Wer Kinder und Jugendliche real impfen lässt aus Haltungsgründen und ohne jede medizinische Notwendigkeit und irgendwelchen Nutzen der betreibt wirkliche Gefährdung. Und Ard und Zdf als Propagandasender sind da voll dabei.

P. Pauquet
2 Jahre her

Ich kenne Squid Games nur dem Namen nach, werde mich einer Meinung dazu enthalten . Wozu ich aber schon eine Meinung habe, sind die anderen oben aufgeführten Filme. Sie sind mir alle bekannt, haben mich persönlich aber nicht vom Hocker gehauen, sind einfach uninteressant. In diesem Zusammenhang möchte ich aber z.B. auf die Urfassungen von “Tom und Jerry“ hinweisen, die in meiner Kind- und Jugendzeit als gewaltfördernd angeprangert wurden. Es würde die Gefahr bestehen, dass Kinder und Jugendliche die Scenen nachspielen mit katastrophalem Ausgang. Na klar, sehen wir heute, das sind aber eher die neu Hinzugekommenen. – Also mal wieder… Mehr

H. Priess
2 Jahre her

Dieser Kommentar hat mich veranlaßt bei Netflix rein zu schauen und ich hab mir die ersten drei Teile der ersten Staffel angetan. Ich hab nichts gegen Aktion und auch Gewalt bei Filmen von denen ich das erwarte. Aber diese Serie geht mir zu weit. Von wegen, die Tötungen sind nicht sichtbar, was ist nicht sichtbar wenn man sehen kann wie eine Kugel in einen Kopf einschlägt und das Blut umher spritzt? Ich bin 61 Jahre und hab sicher schon viel gesehen aber diese Serie stößt mich ab.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

Ich bin auch gespannt, ob Netflix selbst langfristig überlebt. Die sind ja auch furchtbar „progressiv“, und es heißt nicht umsonst: Get woke, go broke. Es gibt bereits Ex-Abonennten, die Netflix deswegen verlassen. Selbst die Unpolitischen sind schon vielfach genervt. Und Netflix ist nicht ohne Konkurrenz. Amazon hat tiefere Taschen, wenn es drauf ankommt, Disney ebenfalls, und obendrein hat es die größte Content-Bibliothek der Welt, HBO kann ausnehmend gute Serien produzieren… Die Phase des großen Wachstums ist für Netflix vorbei, viel mehr Kunden gibts nicht. Fast jeder, der ein Netflix haben will, hat(te) es schon. Man kann nur noch Preise erhöhen.… Mehr

StefanD
2 Jahre her

Nun, würden die „Squid Games“ von bösen, weißen „Rechten“ organisiert und sogenannte Flüchtlinge darum kämpfen als Gewinner eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten – naja – die Bambi Auszeichnung wäre gesichert und die Funk Mediengroup würde dieses massiv über 30jährige Kinder-Moderatoren bewerben – egal ob es Nachahmer gibt oder nicht (ist dann eben typisch deutsch: vererbte „rechte Gewalt“)

Die Filmreihe „The Purge“ fördert den angeblichen Rassenhass über dargestellte Folter und Mord… nur hier hält das GEZ-Kartell die Füße still, passt ja auch in deren linksverdrehtes Weltbild.

Landmichel
2 Jahre her

Sehr gut beobachtet! Die beschriebenen Szenen sind mit auch aufgefallen, hab aber nicht weiter drüber nachgedacht. Aber Sie könnten Recht haben, es war ganz einfach die Normalität. Vermutlich deshalb gefallen mir deshalb die koreanischen Serien, von denen ich schon etliche gesehen hab, weil trotz der durchaus anderen Kultur die Figuren so normal wirken.
Und wie wäre die Serie geworden, hätte ARD&ZDF die produziert? Ähnliches Gewaltlevel, aber der Pakistani wäre der Gewinner.

peter keller
2 Jahre her

Squid Games ist im Vergleich zu westlichen Formaten unglaublich naiv, simpel, weichgespült und durchschaubar. Also ab 8 Jahren. Da war die Sendung mit der Maus jeweils noch brutaler. Wo sind wir bloss hingekommen.

Seemann
2 Jahre her

Nirgendwo wird so viel Gewalt, Blut, Mord und Totschlag gezeigt wie in den Nachrichtensendungen.