Zum Haareraufen albern: der Zürich-Tatort in den Krallen der Perücken-Mafia

Organisierte Kriminalität dealt mit Zöpfen und Scheiteln. Fast meint man, Boerne und Thiele müssten gleich um die Ecke ins Bild kommen. An die beiden Münsteraner Ermittler reichen Ott und Grandjean trotzdem nicht heran.

Bild: SRF/Screenshot

Zürich, so tröstet sich Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) über ihr geklautes Fahrrad (Schwizerdütsch: „Velo“) hinweg, sei ein „Kaff“, wo das gestohlene Gefährt eh bald wieder auftauchen würde. Umso dramatischer der Tatort, den sie zusammen mit Staatsanwältin Wegenast (Rachel Braunschweig) und Kollegin Grandjean (Anna Pieri Zuercher) begutachten muss. Wie 2010 im Tegeler Forst (Mysteriöser Tod einer Berliner Jugendrichterin) hängt eine tote junge Frau (Vanessa Tomasi, gespielt von Elena Flury) in den Bäumen. Jemand hat ihr grob die Haare abgeschnitten.

Bunt alleine reicht nicht

Nach diesem Startschuss hebt der Kriminalfilm von Autor Adrian Illien unter der Regie von Tobias Ineichen so richtig ab, hetzt von einer Verschrobenheit zur nächsten. Fast meint man, Professor Karl-Friedrich Boerne und sein treuer Kumpel Frank Thiele müssten gleich um die Ecke ins Bild kommen, wenn die Einstellungen, (gefilmt von Michael Saxer und geschnitten von Wolfgang Weigl) aus glitzernden Tanzclubs in verlassene Bunker und von da in verstaubte Werkstätten und von düsteren Ateliers in mondäne Bürohäuser springen. An die beiden Münsteraner Ermittler reichen Ott und Grandjean trotzdem nicht heran.

Die übliche Sozialkrittelei macht es nicht besser

Die Ermittlungen, so das (SRF Medienportal) „führen ins Coiffeurmilieu und in das Gebiet der skrupellosen Praktiken … der dubiosen Machenschaften … des ‚internationalen Haarhandels‘“. Die Tote Vanessa wollte eigentlich, so ihre Lebensgefährtin Lynn Fischer (Elsa Langnäse), das väterliche Edel-Friseuratelier (Marco Tomasi, gespielt von Bruno Cathomas) übernehmen, sei aber von dem Patriarchen, der „sie mit leeren Versprechungen“ hingehalten hätte, als „billige Arbeitskraft“ an seine Freundin, die Perückenmacherin Aurora Schneider (Stephanie Japp) in eine Lehrstelle weitergereicht worden.

Der Westdeutsche Rundfunk kündigt reißerisch an „Die Haare von Armen schmücken die Köpfe der Reichen – diese Absurdität ist ein lukratives Geschäft … rätselhafter Todesfall in einem Geflecht aus Erpressung, Wut und Schmerz.“ Der Sender spielt damit auf den internationalen Haarhandel an, hier verkörpert von der „marktbeherrschenden“ Firma namens „Majestic Hair“, die dem Baronen-Paar Rudolf und Else von Landegg (gespielt von Pascale Pfeuti und Matthias Schoch) gehört, die ganz dick im internationalen Geschäft stecke, das als anrüchig dargestellt wird, weil Rohmaterial aus armen Entwicklungsländern eingekauft und zu überhöhten Preisen an zahlungskräftige Abnehmer (hier werden speziell jüdische Kundinnen genannt) verkauft werde.

„In Lateinamerika schneiden Banden Passantinnen mit Macheten die Haare vom Kopf“ (Grandjean zum Baron von Landegg)

Ausbilderin Aurora Schneider, die auch Perücken für an Krebs erkrankte Kinder und entstellte Unfallopfer anfertigt, wurde bestohlen. Dahinter stecken Vanessa und Lynn, die sich mit den Haarspenden im Wert von 100.000 Franken ihre ganz eigenen Zukunftspläne in Mexiko finanzieren wollten. Die Schweiz wurde ihnen zunehmend zu heiß – Lynn hatte Vorstrafen wegen Sachbeschädigung und Hausbesetzungen, außerdem konnte sie ihre Studiengebühren nicht mehr bezahlen, musste den Uni-Bibliothekar (Ernst C. Sigrist) anpumpen. Vanessa nahm Ketamin als „Stimmungsaufheller und Partydroge“ und war dabei, ihren Vater wegen seiner illegalen Geschäfte mit „Majestic Hair“ zu erpressen.

Die Haare zu stehlen und in einem Lagercontainer zu verstecken, war ein großer Fehler. Sie haben damit nicht nur die „vielen Leute sehr wütend gemacht“, die auf ihre Perücken warten (erklärt ihr Aurora Schneider) – sondern auch in einem ganz spezifischen Fall Mordgelüste ausgelöst: Ex-Versicherungsagent, Ex-Offizier und Ex-Taxifahrer (auffallend oft genannt: Fabrikat des Taxis -Toyota Prius) Heinrich Vogel (Sebastian Rudolph) hatte eine Eigenhaarperücke für seine krebskranke Ehefrau bestellt, die er aber wegen dem diebischen Pärchen nicht mehr vor dem Tode seiner Frau abholen konnte. Darauf fixiert, ihre Haare zurückzuerhalten und die Diebinnen zu bestrafen, entführt er zuerst Vanessa (die er bei einem Fluchtversuch anfährt, vom Aufprall wird sie in die Bäume geschleudert) und schließlich Lynn, um den Aufbewahrungsort dieses letzten physischen Erinnerungsstücks an seine Liebste mit Gewalt herauszupressen.

In einem dramatischen Finale stürzt Lynn auf der Flucht vor ihrem Peiniger (der verhaftet werden kann) aus dem Fenster und fällt mit viel Glück in das bereits von der blitzschnellen Züricher Fürweer bereitgestellte Sprungpolster.

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Kommentare ( 2 )

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2 Comments
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Michaelis
22 Tage her

Wahnsinnig klug und interessant, jedenfalls scheint das linksextreme Zürich alles zu tun, um die Damenwelt vor die Glotze zu kriegen. Dabei weiß doch jeder Depp, dass es keinerlei Anstrengung bedarf, um weibliches Gemüt für Kriminalfilme und -literatur zu begeistern.

Klaus Kabel
23 Tage her

Ich hatte am Sonntagabend mit großer Wahrscheinlichkeit die bessere Filmunterhalrung: Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma. Keine ÖR Erziehung, keine blöde Story, die auf die Infantilität der Linken oder Senilität der Alten setzt. Unpolitisch, wenig Anspruchvoll mit Heimatgefühlen und ohne Windräder am bayerischen Horizont.