Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung spähte Mitarbeiter aus

Die Süddeutsche Zeitung möchte gern vermeintliche Skandale aufdecken – und geriet in den letzten Monaten mit durchaus fragwürdigen Methoden immer öfter in die Kritik. Nun erschüttert ein Skandal das Innerste des Blattes. Um einen „Maulwurf“ zu finden, durchforstete die SZ-Leitung E-Mails und Telefone ihrer Redakteure.

IMAGO
Die als „Leitmedium“ hochgerühmte, mit Medienpreisen überhäufte und von Gutsituierten kritiklos goutierte Süddeutsche Zeitung (SZ) hat etwas getan, was ihrem Ruf als „Alpen-Prawda“ gerecht wird.

Die SZ-Leitung schnüffelte in der eigenen Redaktion und spähte ihre Mitarbeiter aus. Sie wollte herausfinden, wer mit einem externen Medienjournalisten gesprochen hatte. Zu diesem Zweck durchleuchtete die Süddeutsche Zeitung ihre eigenen Redakteure, ließ Daten, Netzwerke, Festnetztelefone und E-Mail-Kommunikation auswerten. Es ging um Vorwürfe gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid, die laut „Medieninsider“ in einigen Artikeln abgeschrieben haben soll, unter anderem von der „Bundeszentrale für politische Bildung“.

In der Folge wurden die SZ-Journalisten zu einer vorzeitigen Vollversammlung zusammengeholt. Weit mehr als 100 SZ-Redakteure kamen. Wer zum digitalen Stream gelangen wollte, wurde vorab durch einen digitalen Warteraum geschleust. Der Hinweis in der Einladung habe gewirkt wie eine „digitale Einlasskontrolle“, hieß es aus Redaktionskreisen. Dabei wurde noch einmal über die Causa Föderl-Schmid gesprochen.

Chefredakteurin Judith Wittwer sprach dort von einem „Vertrauensbruch“, Co-Chef Wolfgang Krach entzog gleich der ganzen Redaktion das Vertrauen, berichtet „Medieninsider“. Mehrfach soll der Begriff „Maulwurf“ gefallen sein. Damit ist die Person gemeint, die mit Marvin Schade, dem Chef von „Medieninsider“, gesprochen hat. Ebenfalls besonders hervorzuheben ist, dass der SZ-Betriebsrat diesen Schnüffeleien zustimmte. In der Vollversammlung selbst kritisierten langjährige Redaktionsmitglieder das Vorgehen, schreibt „Medieninsider“. Allerdings gibt es sonst durchaus Hemmungen, Meinungen intern zu äußern (siehe auch hier und hier und hier).

Unterdessen schlug die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Alarm und kritisierte das Vorgehen der SZ: „Wir sehen den Quellenschutz in Gefahr“, schrieb der Verein auf X. Quellenschutz sei das Recht von Journalisten, ihre Informanten geheim zu halten, unter anderem, um sie vor Repressionen zu schützen. Wörtlich: „Die SZ betont es häufiger und macht sich für Whistleblower stark, die auf Missstände hinweisen – in diesem Fall sieht man es offenbar anders.“

— Argo Nerd (@argonerd) February 3, 2024

SZ: „Wir halten uns an die Regeln.“ Fragt sich bloß: An welche?

Bild hat die SZ am Freitagnachmittag, 2. Februar, um Stellungnahme gebeten. Die Antwort:

„Die Süddeutsche Zeitung toleriert keinerlei Angriff auf den Schutz der Pressefreiheit, weder von außen noch von innen. Auch wenn es sich bei den im Medieninsider wiedergegebenen Äußerungen aus der Redaktionskonferenz vom 20. Dezember 2023 um teilweise emotionale, zugespitzte und persönliche Meinungsäußerungen und nicht um ,Geheimnisse‘ handelte, so ist der Schutz von Informationen und letztlich auch Quellen unabdingbar mit dem jederzeit gewährleisteten Schutz der Räume verbunden, in denen Journalistinnen und Journalisten über ihre Arbeit sprechen.“

„Wenn dieser Schutz verletzt wird, liegt es im Interesse der gesamten Redaktion, diese Lücke zu schließen. Erst recht, wenn Hinweise darauf vorliegen, dass das Redaktionsgeheimnis durch eine Straftat verletzt wurde – das Abhören bzw. Aufzeichnen einer vertraulichen Redaktionskonferenz und die Weitergabe dieser Aufnahme. Wie bei anderen Unternehmen auch gibt es für diesen Fall bei der SZ Regeln, wie dann vorzugehen ist. Selbstverständlich halten wir uns an diese Regeln, hier an eine entsprechende Betriebsvereinbarung. E-Mails von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern wurden zu keinem Zeitpunkt eingesehen.“

SZ bleibt sich treu

Die SZ ist und bleibt ein Tendenzblatt. Das beweist sie alle Jahre wieder. Nachfolgend fünf per Zufall zusammengestellte Beispiele:

  • Kurz vor der bayerischen Landtagswahl vom 8. Oktober 2023 zerrte die SZ ein 35 Jahre altes antisemitisches Flugblatt aus dem Hut und schrieb es dem Chef der Freien Wähler (FW), Hubert Aiwanger, zu. Mehrere SZ-Leute wurden angesetzt. Aiwanger war zur Zeit, als dieses Flugblatt an seinem damaligen Gymnasium in einigen Exemplaren im Umlauf war (1988), 17 Jahre alt. Die Verantwortung für das Flugblatt übernahm sein Bruder. Ein ehemaliger Lehrer von Aiwanger hatte das Flugblatt in Verletzung seiner Dienstpflichten als Mitglied des damals tagenden schulischen Disziplinarausschusses an die SZ durchgestochen. Die Absicht der SZ war unschwer zu erraten: Söders CSU sollte gezwungen werden, die Koalition mit den FW aufzukündigen und über den 8. Oktober 2023 hinaus eine schwarz-grüne Koalition einzugehen.
  • 2020 veröffentlichte Birk Meinhardt ein Buch über seine zwanzig Jahre in der SZ. Dort arbeitete er bis 2012 sehr erfolgreich. Zum Beispiel wurde er 1999 und 2001 mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis geehrt. 2012 verließ er die SZ. 2020 hat er in einem Buch beschrieben, warum er ging: Die SZ wollte ab 2004 einige seiner Texte nicht drucken, weil sie angeblich nicht zur grundsätzlichen Haltung der Zeitung passten. Es ging um angebliche Straftaten von »Rechten«, die diese nicht begangen hatten, die medial gleichwohl »schuldig« gesprochen wurden. Begründung der SZ für einen solchen Nicht-Abdruck: »Dieser Artikel könnte von Rechten als Testat dafür genommen werden, dass sie ungerechtfertigterweise verfolgt würden.« Meinhardt schreibt zum Jahr 2010: »Mir ist etwas aufgefallen, in den Zeitungen, im Fernsehen, im Radio. Wenn es Auseinandersetzungen zwischen rechten oder für rechts gehaltenen und migrantischen oder ausländischen Jugendlichen gibt, werden von den Moderatoren und Kommentatoren mit erstaunlicher Schnelligkeit die Rechten dafür verantwortlich gemacht.“
  • Am 26. Juli 2020 twittert ein Redakteur der Süddeutschen namens Ronen
    Steinke: „Sie haben besondere Informationen zu Fällen von
    #Rassismus in der #Polizei von öffentlichem Interesse und wollen uns @SZ diese anonym zukommen lassen? So erreichen Sie uns …« Zugleich versicherte die SZ, die Zuträger könnten sich beim SZ-»Investigations-Team« melden, selbstverständlich auch anonym. Und damit die Spuren verwischt würden, lieferte die SZ gleich noch Tipps mit, wie man die Spuren verwischen kann. Zum Beispiel: »Kein Telefon nutzen, keine E-Mail schreiben!«
    Traurig, wenn der Rechtsstaat solche »Amtshilfe« auch noch annähme!
  • Die SZ wollte dem Anwalt Simon Bergmann, der den Rammstein-Sänger Till Lindemann vertritt und gegen MeToo-Vorwürfe verteidigt, Aussagen über ihre Arbeit verbieten lassen. In einem Streitgespräch bei „Legal Tribune Online“ (LTO) hatte Bergmann gesagt, dass „MeToo-Redaktionen“ bei der SZ und beim NDR nicht ergebnisoffen, sondern mit „Belastungseifer“ an das Thema herangingen und etwa mit Posts im Internet gezielt nach Frauen gesucht hätten, denen im Umgang mit dem Rammstein-Sänger „Gleiches“ widerfahren sei wie das, was die Konzertbesucherin Shelby Lynn nahegelegt hatte (Einsatz von Drogen, um Frauen sexuell gefügig zu machen). Das stelle eine „Suggestivfrage“ dar und damit, so Bergmann, sei eine Straftat unterstellt worden. Das Landgericht Hamburg lehnte die Klage der SZ am 17. Januar 2024 ab.
  • Das SZ-Magazin war im Mai 2000 in einen Fälscherskandal verwickelt: Der Journalist Tom Krummer hatte gefälschte Prominenten-Interviews veröffentlicht. Dessen Vermischung von Realität und Fiktion war seit längerem bekannt gewesen. War er Vorbild für den Spiegel-Relotius?

Fazit: Was regen wir uns auf über die Einseitigkeit der Öffentlich-Rechtlichen? Manch angeblich renommierte, mit Medienpreisen überhäufte und von gutsituierten „Woken“ kritiklos goutierte Printzeitung ist nicht anders. Von daher ist es kein Wunder, dass die Zusammenarbeit der „Süddeutschen“ mit dem NDR und dem WDR im Rahmen eines „Investigativ-Rechercheverbundes“ reibungslos flutscht. Und die privatrechtlich organisierte SZ damit obendrein indirekt in den Genuss von ÖRR-Zwangsgebühren kommt.

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