Bei Miosga: Stirnrunzeln mit Thorsten Frei

Der neue Kanzleramtschef Thorsten Frei muss sich bei Caren Miosga dafür rechtfertigen, dass die illegale Migration gestoppt werden soll. Nicht nur das bereitet ihm Sorgenfalten. Seine Grübel-Stirn wird auf eine harte Probe gestellt. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Profi-Stirnrunzler Thorsten Frei (CDU) gehen langsam die Sorgenfalten aus. Deshalb hat er sich ein paar neue zugelegt, mit denen er die Wählertäuschung seiner CDU und seines Kanzlers Friedrich Merz ins Weichzeichnerlicht rücken will. Doch trotz beherzten Runzelns gelingt die politische Schönfärberei nur so mittelprima.

Ein zwölf Jahre alter Einspieler beweist: Schon als Oberbürgermeister von Donaueschingen vermittelte Thorsten Frei seine Politik kuschelig-wäscheweich und fürsorglich-verständnisvoll, wie es so seine Art ist. Problem: Damals war er noch ausdrücklich gegen jede Form überbordender Staatsverschuldung.

Heute muss er leider dafür sein, also das genaue Gegenteil schönreden. Der direkte Vergleich mit dem erbarmungslosen Filmchen von 2013 zeigt, dass es dafür mindestens zwei weiterer Sorgenfalten bedurfte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit der ihm eigenen Chuzpe verkauft Frei einen Kreis für ein Dreieck, ein Hühnerei für einen Diamanten. Einerseits sagt er: „Ich gehöre ja zu denen, die vom Wert der Schuldenbremse überzeugt sind.“ Doch keine halbe Minute später behauptet er, die Schuldenbremse vor der Wahl zu versprechen und nach der Wahl zu brechen, sei überhaupt kein Widerspruch: „Nein, das war kein Wortbruch. Wir mussten sehr flexibel auf eine sehr zuspitzende Situation reagieren.“

Frei, der immer enthusiastisch und so oft wie möglich allen anderen Gesprächsteilnehmern vollkommen oder ausdrücklich Recht gibt, Probleme „versteht“ und Kritik „nicht vom Tisch wischen“ will, rechtfertigt die billionenschweren Schuldenorgie der neuen Regierung unter anderem mit der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Sicherheit und Infrastruktur erforderten nun einmal neue Investitionen, so Frei.

Diesen Zahn zieht ihm der Soziologe Armin Nassehi ohne Betäubung: „Man kann nicht sagen, dass die Rede von J.D. Vance die deutschen Gleise und Brücken und sonstige Infrastruktur kaputter gemacht hat als es vorher gewesen ist. Und das merken die Leute natürlich.“ Als es um „die Leute“ geht, rutscht dem Professor eine bemerkenswerte Formulierung heraus: Man müsse „vielleicht den blauen Elefanten im Raum auch mal nennen“, sagt er und spricht von „denen, die wir jetzt gar nicht benennen wollen“. Nanu? Gab es da irgendwelche redaktionellen Vorgaben? So, wie er es aus heiterem Himmel heraus betont, klingt es fast danach. Ist es tatsächlich schon so weit, dass der Angstgegner AfD nicht einmal mehr namentlich erwähnt werden soll?

Andere Namen hingegen fallen oft: Wie umgehen mit der Mauerschützen-Nachfolgepartei „Die Linke“? Auch hier gelingt es Frei, ein relativierendes Rumeiern als stringente Strategie zu verkaufen. Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU von 2018 sei gut und richtig, denn „mir fallen jetzt wirklich keine Schnittmengen mit der Linken ein“. Andererseits müsse man aber in „Verfahrensfragen“ bereit sein, miteinander zu reden. Als Beispiel nennt er ausgerechnet die Wahl des Bundeskanzlers. Für Kerstin Münstermann (Rheinische Post) ein Unding. Mit der Linken nicht zu reden, aber mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht, das sei „politisch nicht ehrlich“. Auch Miosga findet es angebracht, mit den Linken zu reden, da die legendäre und oft beschworene „politische Mitte“ ja keine Mehrheit mehr habe.

Auch beim Thema Migration wird Frei in die Zange genommen. Doch an ihm prallt alles ab. Gegenüber Münstermann und vor allem gegenüber der Moderation muss er sich dafür rechtfertigen, dass die CDU die illegale Einwanderung stoppen möchte. Miosga lässt einen Film einspielen, wonach seit Tag eins nach der Bundeskanzlerwahl an den deutschen Grenzen ausnahmslos und besonders streng kontrolliert würde. Das ist offensichtlich eine sehr fragwürdige Darstellung, wie zahlreiche Videos beweisen, die in den sozialen Netzwerken kursieren. Dort haben Reporter und Vertreter der Partei DWJGNBW („die wir jetzt gar nicht benennen wollen“), im Selbstversuch herausgefunden, dass ausgerechnet an der deutsch-polnischen Grenze bei Görlitz nach wie vor überhaupt nicht kontrolliert wird. Stattdessen herrscht grenzenloser Grenzverkehr, ohne dass irgendwo ein Polizei- oder Grenzschutzbeamter zu sehen wäre.

„Es geht nicht um andere Parteien“, betont Frei mit einem Anflug regentänzerischer Attitüde, „es geht darum, dass das Migrationsgeschehen in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen ist. Und das müssen wir in den Griff bekommen.“ Einspruch von Münstermann: Man solle doch eher an den europäischen Außengrenzen tätig werden, etwa zwischen Polen und Weißrussland. Dafür solle sich Friedrich Merz in Brüssel einsetzen, statt sich als deutscher Kanzler um die deutschen Grenzen zu kümmern. Frei betont derweil, dass es ja nicht darum gehe, ausnahmslos alle illegalen Einwanderer zu stoppen, sondern „alle, die sie erwischen“. Und „wie lange sollen diese Maßnahmen gelten?“, will Miosga wissen. Frei: „Das soll so kurz wie möglich gehen.“ Ein überraschend ehrlicher Satz. Und wieder platzt ein Wahlkampfversprechen.

Dass die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas Beamte in die Rentenkasse einzahlen lassen will, dürfe „man nicht überbewerten“, beschwichtigt Frei, denn „das ist nicht Common Sense in der Koalition“. „Warum geht sie dann damit raus?“, fragt Miosga, und aus Münstermann platzt es heraus: „Weil’s knapp wird mit der Rente.“

Thorsten Frei wird das nicht verunsichern: Seine Stirn wird sich sorgenvoll in Falten legen, wenn das Rentensystem kollabiert, und er wird auch hier zur rechten Zeit sicher die rechte Antwort haben.

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Kommentare ( 47 )

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Ein Mensch
1 Monat her

Wenn das Rentensystem kollabiert, dann kollabiert die Gesellschaft. Denn die Rentner sind nicht nur 90jährige Omas und Opas. Das sollte man sich immer vor Augen führen, wenn man so etwas leichtfertig daher sagt.

Silverager
1 Monat her

Hoffentlich hat der Herr Frei noch einen ordentlichen Vorrat an Sorgenfalten.
Die wird er nämlich in dieser Legislatur dringend benötigen.

spindoctor
1 Monat her

Warum sind schwangere und kranke Frauen, unbegleitete Minderjährige (ohne Papiere, aber mit Smartphone), die illegalerweise in die Bundesrepublik einreisen wollen nicht als Illegale zu behandeln? Warum bezeichnet man diese Invasion nicht als das, was sie ist: Invasion!
Erkläret mir Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur.

Kassandra
1 Monat her
Antworten an  spindoctor

Hinsichtlich Putin wird kolportiert, er hätte „Kinder entführt“. Sogar der Papst in seiner ersten Predigt ist nicht davor zurück geschreckt, das framing weiter zu verbreiten: https://www.bild.de/news/ausland/leo-xiv-beginnt-mit-paukenschlag-das-fordert-papst-leo-von-putin-6820aa8e25416e6dfca73331
Wäre es nicht besser, er würde, bevor er solche propagandistischen Paukenschläge setzt, sich erst mal informieren – und mit dem Kreml ausdiskutieren, was tatsächlich Sache ist?
Ansonsten verbrennt man sich doch als einer, der nicht falsch Zeugnis reden soll wider seine Nächsten, sofort die Finger!
.
Weshalb erdreisten sich unsere, solche, die hier aufschlagen, nicht stante pede ihrer Familie wieder zurück zu schieben?

Michael Palusch
1 Monat her

Oder auf den Punkt gebracht:
Wir sind sowohl für die Schuldenbremse als auch dagegen. Und wenn wir mit den Linken gemeinsame Sache machen, heißt das, dass wir keine Schnittmenge mit denen haben.

Last edited 1 Monat her by Michael Palusch
Anglo-Saxon Broadsword
1 Monat her

Frei ist eine gleichermaßen gedimmte Kerze auf der großen Torte der intellektuellen Privatinsolvenz wie sein schlimm-peinlicher Vortänzer. Hinzu kommt bei beiden noch zu jedem Thema eine fassungslos machende argumentative Bettlägerigkeit. Eben Perlen der politischen Schöpfung im Neu-Kalifat Ex-D.

rainer erich
1 Monat her

Ich muss zugeben, dass mich die teilweise harschen Kommentare irritieren. Offenbar haben die Verfasser den 100 Tage – Appell und den Hoffnungs-Artikel von Herrn Tichy nicht gelesen oder nicht verstanden. Diese Skepsis gegenueber den Liberalkonservativen der CDU, der Herr Frei ist tatsaechlich ein Prototyp des liberalkonservativen Biedermanns, ist tatsächlich unangebracht, unverstaendlich oder zumindest voellig uebereilt. Offenbar werden die fundierten politischen Statements des Herrn wie auch die von Herrn Merz hier bewusst nicht verstanden. Die meinen es doch nur gut. Das sollte fuers Erste genuegen. So geht heute Politik. Und nicht vergessen : Auf der anderen “ rechten“ Seite droht der… Mehr

Spyderco
1 Monat her
Antworten an  rainer erich

,,Diese Skepsis gegenueber den Liberalkonservativen der CDU, der Herr Frei ist tatsaechlich ein Prototyp des liberalkonservativen Biedermanns, ist tatsächlich unangebracht“

Könnten Sie bitte die ,,liberalkonservativen“Punkte im Koalitionsvertrag nennen?!

Die Fortsetzung der Politik von Massenmigration,Klimawahnsinn und Geld-für-alle-ausser-für-Deutsche kann ja wohl nicht gemeint sein😉

,,Offenbar werden die fundierten politischen Statements des Herrn wie auch die von Herrn Merz hier bewusst nicht verstanden.“

Was ist an ,,Schluss mit linker Politik. Links ist vorbei!“oder ,,An Tag 1 meiner Kanzlerschaft…“nicht zu verstehen?

Last edited 1 Monat her by Spyderco
ceterum censeo
1 Monat her
Antworten an  rainer erich

Es gibt keine 100 Tage-Toleranz (mehr)! Es brennt an allen Ecken und Kanten! Es muss gestern was passieren, nicht morgen! Jeder vertrödelte Tag sind zwei zuviel!

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Tja, die Union ist mit der Gesundung der Staatsfinanzen 1949 gewachsen und sie wird mit der Implosion der Staatsfinanzen mit implodieren. So ist das mit staatstragenden Parteien: keiner braucht sie mehr, wenn sie für die Funktionsfähigkeit des Staates nicht mehr sorgen können.

Spyderco
1 Monat her

„mir fallen jetzt wirklich keine Schnittmengen mit der Linken ein“

Komisch.
Mit fallen gleich eine ganze Reihe ein :

-Massenmigration statt Bevölkerungswohl
-Klimareligion statt ideologiefreier Wirtschafts-und Energiepolitik
-Steuermilliarden von Afghanistan bis Ukraine statt für Rente,Bildung,Infrastruktur und Verteidigung
etc.

steadyrollingman
1 Monat her

Frei ist der geschmeidige Kofferträger von Merz. Sein Parteilollege Günther ist da ungeschickter (ehrlicher?): „Man muss in der Lage sein, eigene Positionen auch mal in großer Geschwindigkeit zu räumen“ (WELT)

Anglo-Saxon Broadsword
1 Monat her

Ein lächerlicher wie weinerlich auftretender Softie-Jammerlappen ohne Rückgrat und Ehre; also ganz der passende Lakai und Stiefellecker für seinen peinlichen Second-Hand-Kanzler Fritze Ohneland.
Zwei völlig aus der Zeit gefallen erscheinende deutsche Provinzlinge und Abziehbilder der gebündelten Mediokrität dieses hoffnungslosen Lochs Ex-D, wie man sie sich besser nicht ausmalen könnte.
Beide Fremdscham-Karikaturen kann man sich auch perfekt als „Amtsvorsteher“ in irgendeinem zurückgebliebenen Nest vorstellen, über die dieser Failed State so reichlich verfügt, und wo die Gartenzwerge noch nicht über das Ortsausgangsschild hinaus gekommen sind.

Last edited 1 Monat her by Anglo-Saxon Broadsword