Cem Özdemir: Essgebote und Verbote vom Pädagogen der Nation

Cem Özdemir erlebte 2013 als Vorsitzender der Grünen mit dem Veggie-Day ein Fiasko bei der Durchsetzung staatlich vorgeschriebener Ernährung. Mit dem Ernährungsprogramm des BMEL, noch ein Projekt des Volkserziehers, soll vegetarische und vegane Ernährung durchgesetzt werden. Von Detlef Brendel

IMAGO / Metodi Popow

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hat sein Ressort erweitert. Er will nun künftig auch Verantwortung als für die Gesundheit verantwortlicher Minister übernehmen. Dabei setzt er zu einer gründlichen Rodung in der deutschen Medien- und Marketing-Landschaft an. Er will die deutschen Kinder schlanker und gesünder machen. Dazu will er Werbung für solche Produkte verbieten, die aus seiner Sicht für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen ungeeignet sind. Die Erkenntnis, dass Schokolade, Cerealien und Joghurts gut schmecken, funktioniert bei Kindern und Jugendlichen nach dem Prinzip der Mund-zu-Mund-Propaganda. Das ist nicht nur ein Erfahrungswert von allen, die in ihrem Leben mit Kindern zu tun gehabt haben. Es ist eine Erkenntnis, die bei den meisten Menschen lebenslang bleibt.

Nicht nur Süßes
Özdemir will auch Werbeverbote für Milch, Käse und Butter
Nahrung dient nicht nur der Versorgung des Körpers mit Energie und Nährstoffen. Sie besitzt auch einen Belohnungswert für den Körper, der ausreichend erforscht ist. Bei dem Genuss von Süßem wird der Botenstoff Dopamin, ein Neurotransmitter für das Belohnungssystem im Gehirn, ausgeschüttet und vermittelt ein Glücksgefühl. Das ist alles erforscht. Die ideologisch begründete Behauptung, dass Werbung dick macht und die Kinder davor geschützt werden müssen, wird dagegen nicht durch entsprechende Forschung begründet. Im Gegenteil. In England gelten seit 2007 umfangreiche Werbebeschränkungen. Die Rate der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht ist dadurch nicht gesunken, sondern auf einem unvermindert hohen Niveau. Ein anderes Beispiel: In Südkorea hat trotz seit 2010 geltenden Werbebeschränkungen der Anteil an stark übergewichtigen Minderjährigen sogar zugenommen.

Sogar Strafsteuern machen nicht schlank

Die Erfahrungen in England zeigen, dass auch an der Sinnhaftigkeit einer Strafsteuer, die direkt auf den Konsum von zuckerhaltigen Getränken wirken soll, gezweifelt werden muss. Eigentlich müsste deren Effekt deutlich sichtbar werden, weil der Prozentsatz übergewichtiger Kinder und Jugendlicher in England erheblich höher ist als in Deutschland. Die Realität ist jedoch ernüchternd. Am 26. Januar 2023 hat der SPIEGEL ein Interview mit Nina Rogers, Epidemiologin an der Cambridge University, publiziert. Sie erforscht, wie sich die Zuckersteuer auf Softdrinks in Großbritannien auf die Gesundheit von Kindern auswirkt. Ihre Aussagen sind desillusionierend. „Die stärkste Veränderung fanden wir bei Mädchen im Alter von zehn bis elf Jahren. Bei ihnen nahm das krankhafte Übergewicht um 1,6 Prozent ab.“

Da muss man schon sehr sorgfältig messen und rechnen, um diese Gewichtsreduktion zu ermitteln. Ein gewisser Unterschied zeigte sich in sozial benachteiligten Gegenden. „Bei diesen Kindern ging die Zahl der adipösen Mädchen in der Altersgruppe um 2,4 Prozent zurück. “Der Aspekt der sozialen Benachteiligung ist auch der einleitende Satz im Original der Studie der Cambridge University. Er lautet: „Zuckergesüßte Getränke sind die Hauptquelle für Zuckerzusätze bei Kindern, wobei ein hoher Konsum häufig in benachteiligten Gebieten beobachtet wird, in denen auch die Prävalenz von Fettleibigkeit am höchsten ist.“ Das Problem hat also offenbar etwas mit dem Lebensstil zu tun. Besonders ernüchternd ist die Aussage von Nina Rogers, dass Veränderungen in Folge der Zuckersteuer primär bei Mädchen im Alter von zehn und elf Jahren festgestellt werden konnten. Damit erschöpft sich schon der Effekt einer Strafsteuer.

„Aktivistisch und nicht zielführend“
CDU-Wirtschaftsrat gegen Özdemirs Werbeverbot für „Junkfood“
Ein Zitat dazu: „Bei den vier- bis fünf-Jährigen konnten wir nicht den selben Effekt feststellen. Auch nicht bei Jungen. Da müssen wir weiter forschen, um herauszufinden, warum das so ist. Interessanterweise kam eine Studie in Mexiko zum gleichen Ergebnis: Nämlich, dass Jungs nicht so gut auf die Zuckersteuer reagiert haben.“ Im Prinzip ist man durch die Untersuchung an der Cambridge University zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuer in England wenig gebracht hat. Deshalb wird auch in den Schlussfolgerungen formuliert, dass zusätzliche Strategien erforderlich sein werden, um die Prävalenz von Fettleibigkeit zu verringern. Wenn schon eine direkte Strafsteuer auf kritisierte Produkte nichts bringt, werden Werbeverbote erst recht keinen Effekt bei überflüssigen Pfunden haben.

Özdemir braucht weder Wissenschaft noch Forschung für seinen forschen Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Ernährung. Er hat genuines Wissen, das auf der NGO-Agitation aufbaut. In seiner Pressekonferenz am 27. Februar 2023 versicherte Cem Özdemir, dass ihm klar sei, dass es für Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen keine monokausalen Zusammenhänge geben würde.

Wie bitte? Gleichzeitig treibt er die Monokausalität auf die Spitze, indem er behauptet, mit massiven Einschränkungen von Werbung und Marketing einen Effekt erreichen zu wollen. Mit seinem perfekt trainierten Dackelblick schwingt Özdemir sich zur nationalen Vaterfigur auf und nimmt den Eltern die Verantwortung für ihren Nachwuchs. Er will sie nach eigenen Worten entlasten. Den nachvollziehbaren Hinweis, dass die Eltern sich um ihre Kinder kümmern sollen, und dies auch bei der Ernährungserziehung, bezeichnet er beiläufig als eine Ausrede. Damit wird die elterliche Verantwortung für die Erziehung der Kinder in Frage gestellt. Was seit Generationen prinzipiell gut funktioniert hat, ist nach Einschätzung des Ministers eine billige Ausrede, um die Durchsetzung der Staatsgewalt bei der Heranbildung von Kindern und Jugendlichen in Frage zu stellen.

Hier offenbart sich ein mit Hybris gepaartes Verständnis von Politik, für dessen grundsätzliche Fehlorientierung es zahlreiche eindrucksvolle Beispiele gibt. Dieser Aspekt hat auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedeutung. Es existiert nach Art. 6 Abs. 2 S.1 GG ein elterliches Erziehungsprimat, das in Verfassungsrang steht. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass „Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ ist. Im Gegensatz zu Herrn Özdemir, der sich zum Übervater der Nation aufschwingen möchte, geht die Verfassung davon aus, dass in der Regel das Wohl des Kindes am besten durch die Eltern zu verwirklichen ist.

Orientierung nach unten und die Ignoranz nach oben

Özdemir liefert mit seinen Ausführungen zu den geplanten Werbebeschränkungen gleich ein entscheidendes Kriterium für deren Unzulässigkeit. Im Zusammenhang mit der Beschneidung der Erziehungskompetenz der Eltern weist er darauf hin, dass insbesondere Eltern aus sozial schlechteren Lebensverhältnissen und bildungsferne Eltern in der Frage einer sinnvollen Ernährungserziehung ihrer Kinder überfordert sind. Für ein Gesetzesvorhaben, wie es von ihm geplant wird, ist allerdings die „Herstellung gleicher Lebensverhältnisse“ ein wesentliches Kriterium.

Generation Süßigkeitenwerbung
Eltern – nicht Werbung – beeinflussen das Ernährungsverhalten ihrer Kinder
Die vom BMEL geplanten Werbebeschränkungen sind jedoch keine Maßnahme zur Verbesserung der Lebensverhältnisse. Hier werden keine Benachteiligungen der Lebensverhältnisse ausgeglichen, sondern in der Mehrzahl der Fälle Beschneidungen in den Lebensverhältnissen derjenigen vorgenommen, die solcher Beschneidungen nicht bedürfen. Das sind die 85 Prozent schlanken Kinder, die dann auch keine Werbung mehr sehen dürfen. Es ist wie so häufig in der Politik mit entsprechend negativen Konsequenzen eine Orientierung nach unten und die Ignoranz nach oben. Du bist der Dümmste in der Klasse, an Dir werden wir uns jetzt künftig orientieren. Die Ergebnisse eines solchen Vorgehens, beispielsweise in der Bildungspolitik, sind erkennbar.

Das BMEL führt für die Beschränkung von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung die Schutzerwägung zur Vermeidung ernährungsbedingter Krankheiten bei Kindern an. Die Behauptung weckt zunächst Sympathie. Relevant ist allerdings die Eignung der Maßnahmen zur Erreichung des verfolgten Zwecks. Und für diese Erreichung gibt es keine wissenschaftlich begründeten Fakten und Erkenntnisse, sondern nur ideologisch basierte Vorstellungen, die einer Plausibilitätskontrolle kaum standhalten dürften. So müsste insbesondere eine Kausalbeziehung der Bewerbung von spezifischen Lebensmitteln sowie ein daraus resultierender Konsum in der Ernährung von Kindern nachgewiesen werden. Kinder müssten also nach der Wahrnehmung betreffender Werbeinhalte die beworbenen Produkte kontinuierlich und ungeachtet der elterlichen Aufsicht in einer ungesunden Menge verzehren. Es existieren keine Studien, die diese Annahme stützen würden.

Eine große Irreführung ist es in diesem Zusammenhang, wenn Ideologen wie Özdemir oder der ehemalige Foodwatch-Aktivist Oliver Huizinga behaupten, über Daten und Erkenntnisse zu verfügen. Sie verweisen dann auf ein unwissenschaftliches Elaborat des Hamburger Rechenkünstlers Tobias Effertz zu „Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel im Internet und TV“. Effertz liefert eine Auflistung von Reichweiten und Frequenzen, die lediglich dokumentieren, dass Kinder Werbung rezipieren. Auf dieser Basis berechnet er subjektiv eine angebliche Konfrontation mit Werbespots für ungesunde Lebensmittel. Das Zahlenwerk dokumentiert lediglich, dass Kinder viel Zeit körperlich inaktiv vor Bildschirmen verbringen. Sitzen kann in der Tat dick machen. Keine Kausalitäten oder Korrelationen gibt es allerdings zu der interessanten Frage, was die durch Werbung traktierten Kinder tatsächlich essen. Effertz unterstellt einfach eine Gehirnwäsche durch die Werbewirtschaft.

Es existieren viele Studien – keine zur dicken Werbung

Im Gegensatz zu der naiven Vorstellung des BMEL, durch Restriktionen bei der Werbung das Gewicht von Kindern und Jugendlichen senken zu können, existiert eine Vielzahl von Studien, aus denen sich Gründe für die Präferenzen von Kindern und Teenagern bei der Auswahl ihrer Nahrungsmittel ablesen lassen. Dies sind Untersuchungen zu den Prävalenzraten für Übergewicht in sozial benachteiligten und bildungsfernen Gruppen. Eindrucksvolle Daten und Fakten existieren zu den signifikanten Unterschieden bei Mädchen und Jungen. Die enge Korrelation im Familienkreis ist untersucht worden. Selbst zum Einfluss des Freundeskreises auf das individuelle Konsumverhalten gibt es Untersuchungen. Es existiert eine Vielzahl von Studien zu den unterschiedlichen Kausalzusammenhängen und den verschiedenen Ursachen von Bewegungsmangel bis zum sozial-ökonomischen Status und Bildungsgrad sowie zur Adaption von Verhaltensweisen im sozialen Umfeld.

Wer ist für die Bürgerbäuche verantwortlich?
Özdemirs Ernährungsstrategie: „Maß und Mitte“ durch staatliches „Hinschauen“
Nur zu der behaupteten Kausalität zwischen konsumierter Werbung und konsumierter Nahrung gibt es keine wissenschaftlich basierten Studien. Hier existiert nur die Hybris von Politikern, die sich jahrelang der Indoktrination von NGOs ergeben haben. Das führt dann schon zu Argumentationen und Behauptungen, mit denen sich der Landwirtschaftsminister der Lächerlichkeit preis gibt. Er verstehe nicht, so Özdemir, warum Millionen für Werbung ausgegeben würden, wenn sie doch angeblich nicht verantwortlich für das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen wären. Tatsächlich hat der Minister nicht verstanden, warum Werbung stattfindet. In gesättigten Märkten für etablierte Produkte geht es nicht um Konsumveränderungen, sondern darum, Marktanteile zu verteidigen und Konsumenten für die beworbenen Marken zu gewinnen. Auch dazu gibt es reichlich Zahlen, Daten und Studien, die dem Minister bei der Beseitigung seiner Defizite helfen könnten.

Die Vorstellungen des BMEL ignorieren nicht nur die Vielzahl der Fakten, sondern sind ausgesprochen naiv. Würde die Werbung für Seifen und Deos eingestellt, wäre die Konsequenz wohl kaum eine unhygienische und stark riechende Bevölkerung. Hier wird eine Politik verfolgt, die von den eigentlichen Aufgabenstellungen ablenkt. Wie wäre es mit einem fundierten Programm zur Information über Lebensstil und Ernährung? Wie müsste ein solches Programm gestaltet werden, um speziell auch sozial schwächere und bildungsferne Gruppen in der Gesellschaft zu erreichen? Wie könnten Kinder und Jugendliche für einen vitaleren Lebensstil mit körperlicher Bewegung begeistert werden?

Es existieren viele Aufgaben, mit denen zu mehr Gesundheit maßgeblich beigetragen werden könnte. Mit einer Zeitenwende und einem Doppel-Wumms wäre viel zu erreichen. Aber das erfordert eine sachliche Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Problemen und erhebliche Anstrengungen bei deren Lösung. So machte es sich ein Politiker wie Özdemir einmal mehr recht einfach und präsentiert unter dem Applaus von NGOs und anderen wohlmeinenden Wirtschaftsunternehmen, zu denen nicht zuletzt auch die Interessenverbände der Mediziner gehören, populistische Argumente und Maßnahmen. Das bringt zwar nichts, aber der Minister hat zumindest einen guten Eindruck hinterlassen.

WHO: Korruption statt Kriterien

Bei der Definition der Produkte für geplante Werbe-Restriktionen macht das BMEL es sich einfach. Man nimmt Bezug auf das Nährstoffprofil-Modell des Regionalbüros für Europa der WHO. Dieses Modell schlägt für weitreichende Kategorien umfassende Werbe- und Marketingverbote vor, ohne dass es dabei auf bestimmte Nährwertkriterien und valide Grenzwerte ankommt. Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Modells sind angebracht. Das gesamte Thema der angeblichen Adipositas-Epidemie ist bei der WHO durch eine nachgewiesene Korruption mit Millionen-Zahlungen aufgebaut worden.

Ampel-Pläne ohne Genuss
Der falsche Krieg gegen den Zucker
Zudem gibt es staatliche Institutionen wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die im Gegensatz zu der korrupten und unwissenschaftlichen WHO völlig andere Standpunkte bezieht. Nach einem aktuellen Gutachten der EFSA gibt es keine wissenschaftlichen Belege für einen Grenzwert beim Zucker-Konsum. Wie weit die WHO mit ihrem willkürlichen Modell über das Ziel hinausschießt, zeigt eine Studie, in der die praktischen Auswirkungen des Nährstoffprofil-Modells untersucht worden sind. Die Anwendung der WHO-Willkür würde bei rund 70 Prozent der untersuchten Lebensmittel zu Restriktionen von Werbung und Marketing führen. Bei Frühstückscerealien dürften rund 80 Prozent generell nicht mehr beworben werden. Bei den gängigen Joghurts würden nach diesem Modell rund 76 Prozent der Produkte nur noch ohne Werbung stattfinden dürfen.

Cem Özdemir hat bereits 2013 als Vorsitzender der Grünen mit dem Veggie-Day ein Fiasko bei der Durchsetzung staatlich vorgeschriebener Ernährung erlebt. Jetzt versucht er es durch die kalte Küche zu erreichen. Parallelität der Strategie. Mit dem Ernährungsprogramm des BMEL, noch ein Projekt des Volkserziehers, soll vegetarische und vegane Ernährung durchgesetzt werden und für unliebsame Produkte werden Marketing- und Werbeverbote erlassen. Das Volk soll nur essen, was der grüne Minister auf den Tisch stellt. Özdemir schwingt sich auf, die Bürger zu entmündigen und den Eltern ihre Erziehungskompetenz abzusprechen. Aber er ist in seiner Funktion als selbst ernannter Gesundheitsminister schließlich noch relativ neu.

Bei seinem neuen Aufgabengebiet könnte dem Minister der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages erste Hilfestellung bieten. Er sollte dessen Ausarbeitung vom 20. Juli 2010 lesen. Werbebeschränkungen wird darin eine recht deutliche Abfuhr erteilt. Auch im Jahr 2010 haben bereits Studien zu Werbebeschränkungen in Großbritannien gezeigt, dass soziale, umweltbedingte und kulturelle Faktoren für Übergewicht bei Kindern relevant sind. Ein Werbeverbot für Lebensmittel sei weder verhältnismäßig noch für sich allein wirksam. Der Wissenschaftliche Dienst stellt fest, dass es schwierig ist, die Faktoren, deren Gewichtung und das Zusammenwirken zu erfassen, die letztlich das Konsumentenverhalten beeinflussen.

Sachlich und auch rechtlich kompetenzfrei

Detailliert geht der Wissenschaftliche Dienst auch auf die komplexe Rechtslage in Deutschland ein. Sowohl TV-Anstalten als auch die werbende Wirtschaft haben einen ganzen Katalog von Regeln und Bestimmungen zu berücksichtigen. Neben dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Bundesländer, Jugenschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten, Werberichtlinien der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstalter sowie nicht zuletzt das Jugendschutzgesetz.

Özdemirs Politik für nachhaltigere Ernährung
Grüne Ernährungsstrategie
Außerdem existieren freiwillige Verhaltensregeln des Deutschen Werberates über die Werbung mit und für Kinder und Jugendliche in Hörfunk und Fernsehen. Ein wesentliches Element der Regulation ist zudem der EU-Pledge, zu dem sich auf europäischer Ebene Lebensmittelunternehmen zusammengeschlossen haben. Es ist eine freiwillige Selbstverpflichtung mit dem Ziel, keine ungesunden Lebensmittel an Kinder unter zwölf Jahren im Fernsehen sowie online zu bewerben. Diese verantwortungsvollen und transparenten Systeme zur Regulation von Werbung und Marketing werden durch die phantasievollen Vorstellungen des BMEL, rigide Werbeverbote durchzusetzen, nicht nur ignoriert, sondern auch diskriminiert.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages verweist in seiner Ausarbeitung sowohl auf die medienrechtlichen Rahmenbedingungen als auch auf die verfassungsrechtliche Verankerung der Kommunikationsgrundrechte. Insbesondere beschäftigt sich der Dienst mit den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz, die dem Bund hier gesetzt sind. Zusammenfassend wird festgestellt, dass Bundesverfassungsgericht, Bundesverwaltungsgericht und auch sachlich kompetente Literatur zu einem einheitlichen Ergebnis kommen: Dem Bund kann aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 7 GG keine Kompetenz für den Jugendschutz im Bereich der elektronischen Medien zugesprochen werden.

Werbeverbote sind zugleich Kommunikationsverbote, die nicht nur für die Wirtschaft negative Folgen haben, sondern ebenso für eine freie Information in einer demokratischen Gesellschaft. Wenn ein Bundesministerium einen gravierenden Schritt beabsichtigt wie den massiven Eingriff in die Freiheit der Kommunikation, ist dafür eine wissenschaftliche Datenbasis unabdingbar. Es reicht nicht, ein allgemeines Stimmungsbild aufzugreifen, das von NGOs und auch Massenmedien, oft ohne ausreichende empirische Belege, den Eindruck vermittelt, der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher würde kontinuierlich steigen. Schon das ist nach aktuellen Studien nicht zutreffend. Noch weniger zutreffend ist die Behauptung, dass Werbung dick macht.

Gottseidank
Die Natur hört nicht auf Özdemir, freie Bürger sollten es auch nicht
Prof. Lucia A. Reisch, Lehrstuhl für Behavioural Economics and Policy an der Universität Cambridge, kommt mit ihrem Forscherteam nach Auswertung umfassender Studienrecherchen zu dem Schluss, dass die Gesamtwirkung von Werbung auf das Ernährungswissen und die Vorlieben von Kindern eher gering ist. Ernährungsentscheidungen von Kindern und ihren Familien werden weit mehr von Einstellungen und Vorlieben als von erworbenem Wissen geprägt. Werbung ist kein isolierter Einflussfaktor, sondern muss im Zusammenhang mit dem familiären Einfluss sowie dem Einfluss von Gleichaltrigen gesehen werden. Die Entscheidung von Kindern für ein bestimmtes Nahrungsmittel ist komplex und nicht auf eine einzige Determinante zurückzuführen. So betonen Wissenschaftler, dass Lebensmittelwerbung bei Kindern nicht den Konsum beeinflusst, sondern lediglich dazu dient, Markenpräferenzen zu bilden.

Wenn im BMEL wissenschaftliche Recherche zu den tatsächlichen Fakten betrieben würde und zudem die Rahmenbedingungen der Gesetzgebungskompetenz analysiert würden, die spätestens vor dem Verfassungsgericht relevant werden, dürften Zweifel an der geplanten Volkserziehung aufkommen. Aber Ideologie schlägt Fakten. Es ist zu hoffen und durchaus auch zu vermuten, dass Cem Özdemir in der Tradition des Veggie-Days einmal mehr scheitern wird. Einen Lichtblick für die demokratische Freiheit lassen die Spekulationen durchschimmern, dass er nach versuchtem Kahlschlag in der Bundespolitik als Nachfolger von Winfried Kretschmann nach Baden-Württemberg geht. Dort kann er sich dann mit kalorienhaltigen Speisen wie Maultauschen, Spätzle und Schupfnudeln beschäftigen. Der Mann hat Aufgaben.


Detlef Brendel ist Wirtschaftspublizist.

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Kommentare ( 59 )

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59 Comments
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1 v.144000
1 Jahr her

Grüß Gott,  lest einmal nachfolgendes und denkt darüber nach hinsichtlich der “Grünen Ideologie”und dem „Genderwahn“: 1. Timotheus 4:1-5  Verführung und Abfall vom Glauben in der letzten Zeit → 1Joh 4,1-3; 2Tim 3,1-9.13; 2Tim 4,3-4  “1 Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden 2 durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. 3 Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen.… Mehr

Unglaeubiger
1 Jahr her

Der selbsternannte „Ernährungsgott“ und seine Religion des Essbaren setzt halt auf Würmer, Schaben und Heuschrecken um die Kinder erschlanken zu lassen. Ok, wir haben zuviel Werbung für ungesunde Ernährung. Wir benötigen auch keine 200 verschiedene Joghurt und Zuckewaren. Aber der Mensch braucht halt was für`s Auge, auf dem er eigentlich schon blind ist. Sich zu Verlieren im Klein-Klein hat Methode, die großen Probleme dieses Landes sind für die kleinen, grünen Schulabbrecher und Möchtegerns wahrhaft zu groß. Diese werden dann halt ausgelagert an die ganz Großen Psychopathen der Weltenretter. Aber der Michl findet es gut und das ist nun mal die… Mehr

Querdenker73
1 Jahr her
Antworten an  Unglaeubiger

Als Ausgleich bietet dieser Gesundheitsapostel Cannabis an! Wenn ich mir diesen Apologeten des Blödsinns mit seinen fuchtelnden Armen so neben Frau Lang vorstelle, der genauso fuchtelnden, unausgebildeten Nachwuchskader*in, ( die mit diesen Gesten nur ihrem ebenso ausgesprochenen Blödsinn Nachdruck verleihen will) komme ich vor Lachen gar nicht mehr zur Ruhe! Holla die Waldfee!

Endlich Frei
1 Jahr her

Verbote, Verbote, Verbote.
Ein Leben in Tristesse.
Das ist also „Grün“, das ist also das „bunte“ Deutschland, auf das sich die Politik so freut ? DDR-Leben im Spargelwald von 200 Meter hohen Windkraftmaschinen ?
Man will nur noch weg hier.

Endlich Frei
1 Jahr her

Gemeinsam mit der Diät-Expertin Ricarda Lang einfach ein unschlagbares Team. Lieber CEM. Ich bin froh über die große – allerdings unter Grün bereits jetzt rasant schrumpfende Auswahl – in meinem Supermarkt. Egal, ob ich zugreife oder nicht. Sie aber wollen zurück in die DDR: Unseren Unternehmen es so schwer machen, wie nur möglich, bis wir nur noch Reis und Rüben in den Regalen liegen haben. Dabei ist die Auslage in den Regalen die einzige „bunte Vielfalt“, von der der Bürger im tristen, depressiven Deutschland mit seinen mittlerweile unbezahlbaren Bio- und Fleischpreisen wirklich noch etwas hat. Dazu kommt der Klima- und… Mehr

Suedbuerger
1 Jahr her

Cem Özdemir hat nur eines im Sinn, den immer mehr vergreisenden MP Kretschmann in Baden-Württemberg ablösen zu dürfen.
Hierzu übt er schon mal kräftig: Mit staatsmännisch tragender sonorer Stimme im dunklen Anzügle möglichst viele mediengeeignete grüne Landwirtschaftsevents besuchend. Volksnähe versucht er durch dezentes Schwäbeln zu unterstreichen. Ein grün-typischer Politrepräsentant mit performbarem Migrationshintergrund.
Aber aufgepasst, sobald Herr Özdemir mit den Augen zu blinzeln anfängt, ist nicht mehr viel Wahrheit im Spiel.
Es wäre dringend nötig, dass kompetente Menschen aus der Landwirtschaft diesen Diplom-Kindergärtner mal argumentativ herausfordern. Das Blinzeln würde nicht mehr aufhören.

Wilhelm Rommel
1 Jahr her
Antworten an  Suedbuerger

„Es wäre dringend nötig, dass kompetente Menschen aus der Landwirtschaft diesen Diplom-Kindergärtner mal argumentativ herausfordern“. Ich hätte da auch schon einen ‚personellen‘ Vorschlag in Gestalt eines gewissen Herrn Anthony Lee (LSV – die entsprechenden youtube-links schenke ich mir): Der schafft es – u.a. aufgrund seiner fachlichen Kompetenz und seiner Unerschrockenheit – die selbsternannten Agrar-Experten (m/w/d) bei Podiumsdiskussionen und anderen Gelegenheiten nicht nur zum nervösen Blinzeln, sondern auch gehörig ins Schwitzen zu bringen. Aber eins ist sicher: Der vegetarische Cem würde kneifen…

Last edited 1 Jahr her by Wilhelm Rommel
Ede Kowalski
1 Jahr her

In einem Regierungskabinett, das nahezu vollständig aus fachfremden Dilettanten besteht, die ihre nicht vorhandene Sachkenntnis aber mit einem narzisstischen Sendungsbewusstsein wettmachen zu können glauben, sticht die Inkompetenz von Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister dennoch besonders heraus. Es ist der typische Versuch eines Grünen, die irre Ideologie seiner Partei auf eine Materie anzuwenden, von der er nicht die geringste Ahnung hat. Sein Ministerium ist ihm nur durch koalitionäres Postengeschacher zugefallen, nicht weil er sich jemals mit dem Thema Landwirtschaft und Ernährung beschäftigt hätte. Dass es einen Minister, der von Steuergeldern für professionelle Agrarpolitik und nicht für Lebenshaltungsvorschriften bezahlt wird, in einer freien… Mehr

Schlaubauer
1 Jahr her

Was hier mal wieder als grün und gesund verpackt wird, dient nur den Interessen bestimmter Industrien. Das ist wohl leider zum Markenkern der Grünen geworden.

mr.kruck
1 Jahr her

Blafasel, Blafasel, wahrscheinlich hat er auch zum Klimawandel und der Energiewende eine fundierte Meinung als der Sozialpädagoge, der er nun einmal ist.
Wie wäre es den zu dicken Kindern mit Bewegung zu Leibe zu rücken, mit Schulsport z.B, oder Förderung der Sportvereine, wie es in meiner Jugend noch üblich war.
Aber halt, die Schwimmbäder sind geschlossen, weil zu teuer, und in den Sporthallen wohnen jetzt ja die Menschen, für die auch das Budget für die Infrastruktur draufgeht.
Ist daran auch Junkfood schuld oder eher das politische Dummie Dilemma?

ratio substituo habitus
1 Jahr her

Und das ist nur die sichtbare Spitze des ökofaschistischen Eisberges. Der größte Teil läuft subtil über Grenzwerte und Vorschriften. Bei uns im Dorf gibt es dieses Jahr noch einmal ein großes „Schlachtfest“. Ein Züchter, der bisher mit Gallowayrinder absolut hochwertiges Biofleisch produziert hat – nur selten was für meinen Geldbeutel, aber die Hamburger Teslas und SUV standen Schlange – gibt auf. Seine Begründung: Selbst in diesem eigentlich gepäppelten Biosegment sind die (grün) behördlichen Auflagen inzwischen so absurd, dass sie einfach nicht mehr zu erfüllen sind. Im Fazit wird es dann bald nur noch Billigfleisch aus dem Ausland geben. (Öko-) Sozialismus… Mehr

Thorsten Lehr
1 Jahr her

? Meine Güte, Herr Özdemir ist bei den Grünen! ? Da bedarf es keiner Fakten! Es geht nur um das Durchdrücken einer Ideologie, wenn es sein muss auch gegen den erbitterten Widerstand der Realität! ? Wie der Bundeskinderbuchautor oder Schnatterinchen, die Wirklichkeit stört nur und wird komplett ausgeklammert. ?