Wie Merkel jetzt alle Corona-Macht ins Kanzleramt katapultieren will

Der Bundes-Super-Lockdown soll durchgedrückt werden: Hinter den Kulissen strickt Merkel, was das Zeug hält. In der Unions-Bundestagsfraktion bereitet man eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes vor. Das Ziel ist klar: Ein Lockdown nie dagewesener Rücksichtslosigkeit.

IMAGO / Future Image

Merkel unterstützt Laschets Forderung nach einem harten Lockdown – der Himmel ist blau, der Papst ist katholisch. Jede Forderung nach einem „kurzen, einheitlichen Lockdown“ sei nämlich richtig, ließ die Kanzlerin am Dienstag über eine Regierungssprecherin mitteilen. Es gehe um gemeinsames Handeln: „Die Vielfalt der beschlossenen Regeln trägt im Moment nicht zur Sicherheit und zur Akzeptanz bei“.  Als ob es die Unterschiede zwischen Bremen und Bayern wären, die die Leute lockdownmüde machen – wieder einmal sind die Corona-Spindoktoren fleißig am Werk. Und „gemeinsam” ist Machtsemantik für „einheitlich”, wie es „solidarisch” für „gehorsam” ist.

Währenddessen berät sich die Kanzlerin, wie die Bild-Zeitung berichtet mit Unions-Getreuen: Wie der Vorschlaghammer der Infektionsschutzgesetz-Änderung die Automatismen für den Super-Lockdown per Bundesgesetz festschreiben soll. Um sich die benötigte Mehrheit im Bundesrat zusammenzuzimmern, spricht Merkel auch mit mehreren Ministerpräsidenten – nur keine SPDler sind dabei. Die reagieren gereizt und fühlen sich „uninformiert“: Sie würden wohl auch gerne mitlockdownen, wenn Merkel sie einladen täte.

Auch in der CDU-Fraktion gibt es nun eine Initiative rund um Norbert Röttgen, die das Infektionsschutzgesetz dahingehend ändern will, dass Rechtsverordnungen direkt aus Berlin erlassen werden können. Unionsfraktionschef Brinkhaus soll die Initiative unterstützen. Heißt im Klartext: Alle Corona-Macht soll endgültig ins Kanzleramt allein.

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Einer der wichtigsten Gegner Merkels ist nun der unscheinbare Tobias Hans, der Ministerpräsident des kleinen Saarlands, der als einer der wenigen mit seinem Öffnungsmodell radikal gegensteuert. Hält er stand, könnte er der Leuchtturm der Lockdowngegner werden und zeigen: es geht auch anders. Aus CDU-Kreisen hört man, dass Berlin sich mächtig über diesen Sonderweg empört – auf der Tagesordnung eines möglichen bundeseinheitlichen Super-Lockdowns soll der Stopp von Modellprojekten wie des saarländischen wohl ganz oben stehen.

Es geht um Macht und Exempel, die statuiert werden müssen. Was Merkel als Sachzwang verkaufen will, ist in Wahrheit Selbstzweck ihrer Machtanmaßung.

Immerhin, die lächerliche Wortschöpfung „Brücken-Lockdown“ wollte sich Merkel nicht zu eigen machen – wahrscheinlich, weil sie weiß, dass diese Brücke nur Laschet selbst brauchte, um sich wieder hinter Merkel einzuordnen. Doch ansonsten blasen Merkel und ihre Waffenknechte, jetzt mit Armin Laschet hinten dran, zum Angriff: Notfalls soll am Widerstand einfach vorbei und über ihn hinweg regiert werden. Markus Söder erklärt, wenn die Ministerpräsidenten sich nicht noch diese Woche treffen und härtere Maßnahmen beschließen wollten, müsste man sich eigentlich gar nicht mehr treffen: Sinnvoll sei dies nur, wenn sich vorher eine „klare Mehrheit“ für weitere Regelungen wie etwa eine bundesweite „Notbremse” oder einen gemeinsamen (=einheitlichen) erneuten Lockdown abzeichneten. Man weiß gar nicht, ob man bei einem solchen Level an Patzigkeit auf höchster Regierungsebene noch lachen oder schon weinen soll. „Wenn wir nicht machen, was ich will, lade ich euch nicht zum spielen ein“ ist vielleicht der Modus Operandi für den Kindergarten, nicht aber für eine sogenannte  Ministerpräsidentenkonferenz.

Stattdessen soll Merkel jetzt entscheiden, befindet Söder. Die „Notbremse“ soll durch ein Bundesgesetz verankert werden, Merkel soll den Ministerpräsidenten die Hand führen, ob sie wollen oder nicht. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Experimente“, erklärt Bayerns Ministerpräsident: Kluge Ansätze für ein Leben mit und trotz Corona, wie es das Saarland wagt, werden indirekt, aber ignorant abgeschmettert und mit Konrad Adenauers berühmtem Wahlspruch ins Phantasialand des Super-Lockdown entführt.


Von Max Roland und Air Türkis. 

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Kommentare ( 282 )

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moorwald
2 Jahre her

Ja, aber um diese Art von Notstand und den Einsatz von Militär und Polizei geht es nicht.
Es geht einfach darum, ob der Bund direkt per Rechtsverordnung (und nicht nur per Gesetz, das von den Ländern in Rechtsverordnungen umgesetzt wird) in die Länder hineinregieren kann.
Es geht also um eine Verlagerung und Ausweitung der Exekutivgewalt, nicht der Gesetzgebung. Bei letzterer gilt schon bisher: Bundesrecht bricht Landesrecht.

Kassandra
2 Jahre her

Die können machen, was sie wollen, denn es wird so gut wie nicht berichtet. Früher waren nur die um Dresden im Tal der Ahnungslosen – dahingehend sind wir es alle.

Angelina
2 Jahre her

Ich erkenne zu meinem Erschrecken in meinem Umfeld, dass die brachiale Gewalt durchaus erwünscht ist. Ich kann es nicht interpretieren. Ist es den Menschen zu wohl ergangen in der Demokratie, so dass sie sich nunmehr in Esel verwandeln, um aufs Eis zu gehen?

moorwald
2 Jahre her

Ein Wunder, daß der Bundesrechnungshof noch nicht gleichgeschaltet worden ist.

Angelina
2 Jahre her

Sie haben absolut recht mit Ihrer Einschätzung, ein narzisstischer Charakter, ja, das stimmt. Aber ein trotziges kleines Kind, nein, mitnichten, das ist our lady of disaster nun wirklich nicht. Sie plant und hortet Dossiers und sie hatte keine Pubertät. Während derselben hat sie wahrscheinlich an ihrer politischen Zukunft gehäkelt und Ränke geschmiedet (dieser altmodische Ausdruck gefällt mir besonders gut, besagt er doch, dass es solche Figuren schon immer gab in der Geschichte), und meine Befürchtung ist, sie wird dies noch weit über den September hinaus tun. Als Alternative bleibt nur noch der persönliche Locker down, indem man als Brücke einige… Mehr

Kappes
2 Jahre her

Danke für die Info. Bröckelt da die Mehrheit im Bundesrat? Bekommt Merkel eine Watschen?

moorwald
2 Jahre her

Eine entscheidende Frage ist, ob diese Erweiterung des Infektionsschutzgesetzes, also die Ermächtigung des Bundes (sprich Merkels), direkt per Verordnung in die Länder hineinzuregieren, zustimmungpflichtig ist.
Das ist z.Zt.unter Verfassungsrechtlern umstritten. Wenn, dann müßten die Länder ihrer eigenen Kastration zustimmen. Undenkbar ist ja nichts…
Wenn nicht und Berlin es einfach durchdrückt, landet die Sache wohl per Normenkontrollklage vor dem BVerfG.
Betroffen sind Art.37 (Bundeszwang) und Art. 91 (Weisungsrecht des Bundes) GG. Es wäre wohl verfassungsrechtliches Neuland.

moorwald
2 Jahre her
Antworten an  moorwald

„Zustimmungspflichtig“ bezieht sich natürlich auf den Bundesrat. Und es gibt eben „solche und solche“…Das ist eine komplizierte Materie.

Kappes
2 Jahre her

Falls Merkel mit diesem Gesetz durchkommt: Wird man es in den Geschichtsbüchern dann als Ermächtigungsgestz bezeichnen?

Hannibal ante portas
2 Jahre her

Denkfehler: „Die Zinsen können nicht weiter fallen…“ doch nach Abschaffung des Bargeldes geht das wunderbar.

Hannibal ante portas
2 Jahre her

Aufgrund frisierter Daten wird der Staat „umgebaut“: das Bundesverfassungsgericht macht sich lächerlich!! Jahrzehntelang in Sonntagsreden gehypte vermeintlich demokratische Strukturen implodieren sang- und klanglos.