Grundrente: Der Streit spaltet jetzt auch die Union

Wer Merkels gemeinsames Vorhaben mit der SPD kritisiert, bringt die Falschen an die Macht. Ein Interview von Carsten Linnemann in TE bringt linke Merkel-Anhänger zum Durchdrehen.

Michele Tantussi/Getty Images

Die Auseinandersetzung in der GroKo um die Grundrente ist das, was man einen Stellvertreterkrieg nennt: Nicht um die Rente geht es, sondern um ein Grundprinzip und wichtiger noch: um die Machtfrage. Kann Angela Merkel noch länger Kanzlerin bleiben? Wo bleiben Prinzipien der Sozialversicherung – oder geht es nur noch um gekaufte Wählerstimmen?

Richtig ist, dass viele Rentner zum Flaschensammeln verurteilt sind; die Renten sind zu schmal, Miete und Strom zu teuer, Lebensmittel sollen weiter verteuert werden, alles für´s Klima. Das wird zunehmend als ungerecht empfunden, wenn gleichzeitig 18-jährige Pseudoflüchtlinge mitsamt ihren Familien lebenslänglich eine noch höhere Grundversorgung erhalten – ohne je einen Euro Beitrag bezahlt zu haben. Diese Spaltung zwischen kurzgehaltenen Rentnern und ausgehaltenen Asyleinwanderern wird täglich tiefer. Die SPD weiß: Die Rentner haben Wahlrecht und beginnen davon Gebrauch zu machen. 

Käme die Grundrente nach SPD-Muster, hätten einige Rentner viel davon, während für die künftige Generation die Beiträge und Steuern erhöht werden müssen. Unter diesen Rentnern wären viele, die höhere Leistungen nicht benötigen, weil sie anderweitig ihr Auskommen haben.

Deswegen ist die Forderung der CDU richtig, die Bedürftigkeit zu überprüfen. Nur wer Mittel gezielt einsetzt, kann den wirklich Bedürftigen helfen. Da ist ein Nachweis der eigenen Lage nicht zu viel verlangt. Jeder Steuerzahler muss sich vor dem Finanzamt nackt machen und jeden Kilometer nachweisen, den er zur Arbeit fährt; wer Leistung vom Staat bekommt, sollte dies begründen können (dass Zuwanderer dies nicht müssen, ist die Ausnahme).

So weit, so klar. Aber die Grundrente ist auch eine mögliche Bruchstelle.

Interview TE 12-2019
Carsten Linnemann: Wenn Koalition an Grundrente scheitert, sollten wir Minderheitsregierung bilden
Kommt sie nicht, dann wollen viele SPD-Politiker aus der GroKo ausbrechen. Sie lockt ein Wahlkampf, mit einem vermeintlich tollen Thema: SPD für Grundrente, CDU dagegen. Für das Kleingedruckte ist kein Platz. Die Grundrente nach SPD-Modell ist die moderne Form des Wählerkaufs.

Merkel wiederum fürchtet nichts mehr als das – Neuwahlen. Ihr gesamter politischer Lebenslauf kennt nur ein Ziel: Macht gewinnen und Macht verteidigen für Angela Merkel. Es ist ihre Form der politischen Vorteilsnahme; es gibt wenige Politiker, die die dabei herrschende Prinzipienlosigkeit so weit getrieben haben wie Angela Merkel.

Deshalb ist sie auch längst auf SPD-Kurs eingeschwenkt. Lieber Milliarden sinnlos verbrennen, als das Kanzleramt verlieren; das ist ihre Devise. Denn ohne SPD wäre sie nur Ex-Kanzlerin.

Dabei wollen nicht mehr alle Christdemokraten mitmachen. Sie fühlen sich von der SPD erpresst, denn klar ist: Es ist auch nicht gerade der günstigste Zeitpunkt für Neuwahlen aus Sicht der CDU. Eine abgehalfterte Kanzlerin und eine Parteivorsitzende, die es nicht packt – so gewinnt man keine Wahl. 

Carsten Linnemann, Fraktion-Vize im Bundestag der Union, hat im Interview mit TE eine Regierung ohne SPD ins Gespräch gebracht: Falls die SPD die Bedürftigkeitsprüfung ablehnt und die SPD Neuwahlen anstrebt, sagte er: „Ich plädiere in einem solchen Fall für eine unionsgeführte Minderheitsregierung“.

Der Halbsatz hat nun zu großer Aufregung geführt. 

Uwe Schummer, Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Fraktion, beschuldigt Fraktionsvize Carsten Linnemann, in Wirklichkeit eine Minderheitenregierung mit der AfD anzustreben. Da Ziel sei  „eine Minderheitsregierung Konservativer mit der völkischen AfD.“

Schummer legt bei Twitter noch eins drauf: Er nennt es „geschichtsvergessen“. Schummer hat seine ganz persönliche Geschichtsbetrachtung: So wie Linnemann es jetzt anstrebt, hätten Konservative auch in der Weimarer Republik mit der NSDAP koaliert und die Demokratie zerstört.

Kleiner geht es also nicht. Aus einer sachlichen Frage über die Grundrente wird die AfD mit NSDAP gleichgesetzt und die Kritiker der Grundrente als Totengräber der Demokratie verleumdet, die mit Nazis paktieren. Der Kampf gegen Rechts wird wohl auch in der Unions-Faktion fortgesetzt, mit rücksichtslosen Mitteln und an den Haaren herbeigezogenen Begründungen.

Es gilt die Formel: Feind, Todfeind, Parteifreund. Dabei war die Minderheitsregierung immer eine Option, nachdem die FDP bei der Regierungsbildung nicht mitmachen wollte, weil Christian Lindner das Zusammenspiel von Merkel mit der SPD vorausahnte – richtig: wie es sich auch jetzt wieder bestätigt. 

Die Grundrente entscheidet kurzfristig über den Fortbestand der Koalition und den weiteren Verbleib von Angela Merkel im Kanzleramt. Es scheint, dass die Nerven von Merkel-Anhängern arg angespannt sind. Zwar soll sich Schummer bei Linnemann dafür entschuldigt haben, dass er ihn als einen historisch verspäteten Steigbügelhalter Adolf Hitlers verleumdet hat; Geschichte ist ja neuerdings ein Steinbruch, aus dem man Wurfgeschosse für die politische Auseinandersetzung bricht. Auch wenn die Analogien eher auf eine gewisse geistige Schlichtheit bei Schummer schließen lassen – die Worte sind gefallen. Twitter ist ein schnelles Medium, auch wenn Schummer jetzt ein schnelles Pferd braucht, um sich vor seinen dummen Sprüche zu retten.

Denn wer das ausführliche Gespräch mit Linnemann liest, muss diese Unterstellung infam nennen. Beim Streit um die Grundrente beharrt Linnemann auf den Positionen seiner Partei, wie sie auch im Koalitionsvertrag mit der SPD stehen. Zur Stunde tagt die Koalitionsrunde im Kanzleramt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kanzlerin ihre Partei wieder zu einem teuren Zugeständnis für die SPD zwingt, ist groß. Man darf gespannt sein, wie Linnemann und die Kritiker in der CDU-Faktion darauf reagieren werden. 

Insgesamt zeigt die Debatte: Es reicht. Wir brauchen wieder eine Politik der Vernunft, die die Renten sichert und nicht jede berechtigte Frage als Nazi verleumdet. 

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Kommentare ( 89 )

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Entenhuegel
4 Jahre her

Wo ist bitte der Artikel „5-vor-12- so ruiniert die Groko das Rentensystem“ mit seiner angeregten Diskussion geblieben? Und das ist nicht der einzige jüngere Artikel zu dem Thema, den ich vermisse …

afisch64
4 Jahre her

Nazis, Nazis, wohin man blickt – überall Nazis!
Soviele hats nicht mal von 33-45 gegeben.
Was ist nur los in mit diesem Land???!!!

Heiner Hannappel
4 Jahre her

Schon wieder ein bisschen CDU weniger. Schon wieder ein wenig mehr nach links. Schon wieder Merkels Taktik, ihre Partei überflüssig zu machen. Und schon wieder werden die CDUler in der Fraktion Zähneknirschend zustimmen, da es doch anscheinend nur ein dünnes Scheibchen Salami ist, welches aufgegeben wird. Diese Salamitaktik Merkels, Scheibchen für Scheibchen die CDU nach links zu rücken, um so an der Macht zu bleiben,geht solange, bis von der CDU-Wurst nichts substanzielles mehr übrig ist. Dann aber haben wir eine andere Republik wie ich hier schon einmal sagte.Nun gilt: „Lieber ein Ende der Koalition mit Schrecken, als ein Schrecken ohne… Mehr

Gerro Medicus
4 Jahre her

Wie schnell sind doch ein Artikel überholt. Dies soll kein Vorwurf Ihnen gegenüber sein, Herr Tichy, sondern lediglich der Hinweis, wie schnelllebig die Politik sein kann, wenn sie etwas zu ihrem Vorteil oder zu einer dringend notwendigen Nachteilsabwendung tun will. Was jetzt als „Kompromiss“ verkauft wird, ist eine Riesen-Mogelpackung. Keine Bedürftigkeitsprüfung? Nee, nun nennt man sie nun Einkommensüberprüfung. Gemeint ist mehr oder minder dasselbe! Die SPD brüstet sich jetzt damit, dass die Gruppe der Bezugsberechtigten nicht, wie im Koalitionsvertrag angegeben, nur 150.000 Personen groß ist, sondern nun 10mal größer, nämlich 1,5 Mio. Das alles soll angeblich aber nur 1,5 Mrd.… Mehr

Entenhuegel
4 Jahre her

Herr Tichy, in einem muss ich Ihnen widersprechen. Die Rentner beginnen nicht erst, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, sie sind längst die Kernwähler der Merkel-GroKo, und auf diese zielt hier die SPD in ihrer Wählerverlassenheit gerade ab. Dass die Grundrente eine weitere unsägliche Umverteilung von jung zu alt und eine weitere Auslagerung der Kosten von Sozialpolitik aus dem Bundeshaushalt in die Sozialversicherung darstellt stellt, spielt keine Rolle, kann man dem Ganzen doch das Eitekett „sozial“ anhängen. Für höhere Rente sind halt fast alle. Wer es wie finanziert und warum es flaschensammelnde Rentner gibt, hinterfragt doch keine S.., schon gar… Mehr

Th. Radl
4 Jahre her

Wie ich nachgelesen habe, ist Uwe Schummer mit Direktmandat in den Bundestag gekommen. Kann es vielleicht sein, dass die von den Politikern in der letzten Zeit regelmäßig nach Wahlen vorgenommene Wählerbeleidigung, die Wähler seien zu dumm, das zielgerichtete Bestreben dieser tolle Polit-Elite zu verstehen, absolut berechtigt ist? Anders wäre es eigentlich nicht zu erklären, dass so jemand ein Direktmandat erhielte – außer, im Wahlkreis wäre sonst gar kein anderer Bewerber angetreten. Ich würde mich auch sehr wundern, wenn von Schummer nicht öfter solche Sprüche kämen – nur dass die sonst keiner beachtet. Wer zum Teufel ist schon Schummer? Bisher hat… Mehr

Gerro Medicus
4 Jahre her
Antworten an  Th. Radl

Ja, da wird einem ganz schummerig zumute…

Wilhelm Cuno
4 Jahre her

Der Union wird es gehen wie von Margaret Thatcher einst allgemeingültig prophezeit: irgendwann geht den Sozialisten immer das Geld anderer Leute aus.

Thomas Hellerberger
4 Jahre her

Im Vordergrund hat nicht die Frage zu stehen, wie man die Armut künftiger Rentner verhindert (um die aktuellen Senioren geht es ohnehin nicht, anders als Herr Tichy sagt, da gibt es keine Heerscharen von Flaschensammlern, denn keine Bevölkerungsgruppe hat unverändert eine so geringe Rate an Sozialhilfe/Grundsicherung wie die über 65jährigen) – im Alter nicht arm zu sein, ist ein persönliches Lebensrisiko und die Verhinderung von Altersarmut eine Bringschuld, die jedem Erwachsenen, der nicht geistig oder körperlich zum Arbeiten zu behindert ist, zuzumuten ist. Das ist NICHT Aufgabe des Staates! Lebt sparsam, wenn Ihr jung seid, bekommt genug Kinder, seid ehrlich… Mehr

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Danke, Sie haben sowas von recht. Aber bitte, auch über die „Jungen“ braucht man keine schützende Staatshand zu halten, die sind genauso selbst schuld. Sie könnten gegen die Ausplünderung protestieren, doch sie wählen grün und sind stramm „gegen rechts“ und den bösen Kapitalismus. Selbst schuld. Wer spart und investiert, kriegt keine Geschenke. Er muss erstmal verbrauchen, und außerdem zahlt er sich lebenslang dumm und dämlich an Steuern und muss sich noch beschimpfen lassen dafür. Wer faul, verschwenderisch und dumm ist, kriegt die Knete in den Hintern geblasen. Die Menschen in diesem Land wollen die Abhängigkeit, also bekommen sie sie. Keinen… Mehr

Johann Thiel
4 Jahre her

Recht hat er nicht, der Herr Hellerberger, Sie haben recht.

Johann Thiel
4 Jahre her
Antworten an  Thomas Hellerberger

Selten so einen Unsinn gelesen, der typischerweise aus einer ganz persönlichen Lebensperspektive geschrieben ist, die eigenen Kinder vergötternd, denen es ja nie gut genug gehen kann und die es ja ach so schwer haben. Oder alternativ eben ein selbst nach 70 Geborener, der die Eigenverantwortung, die er anderen gern verschreibt, selbst nicht tragen will und lieber der älteren Generation die Schuld zuschiebt. Selbst im Leben nie ein Risiko eingegangen, sich hinter der „Verantwortung für seine Kinder“ versteckt, aber anderen Sparsamkeit, genug Kinder, Ehrlichkeit und Arbeitssamkeit verschreiben, als ob das eine das andere bedingen würde. Mir geht dieser selbstverliehene Familie-mit-Kindern-Orden gewaltig… Mehr

Marc Hofmann
4 Jahre her

Die Rente ist brutto…der Sozialistische Staat schlägt mit Steuer und Sozialabgaben gnadenlos zu. Die übrige netto Rente reicht weder zum Leben noch zum Sterben. Die Rente ist in Deutschland nicht mehr sozial sondern asozial! Ein System der herrschenden…der Grünen SOZIALISTEN um das Volk an der Leine zu halten…der Dealer = Sozialistischer Staat hält seine Kunden = Sozialvolk mit Rente und Sozialberatungszwang an der Nadel.

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Marc Hofmann

Weil das Volk es so will. Wie ist nochmal die Aktienquote in Deutschland? Wieviel Wohneigentum gibt es hier (mal so im europäischen Vergleich)?
Und was will das Volk? Immobilieneigentümer, Aktienbesitzer und „Gutverdiener“ sollen höhere Steuern zahlen. Selber ein Eigentümer, Aktienbesitzer und „Gutverdiener“, der den Staat nicht braucht, zu werden, das kommt den Leuten nicht in den Sinn.

Ursula Schneider
4 Jahre her

Interessant zu beobachten:
1. Stufe – hasserfüllter Kampf gegen Rechts
2. Stufe – erbitterter Kampf gegen die eigenen Parteigenossen („Nazi“, „irre“, „absurd“)
3. Stufe – Spaltung, Erosion, Untergang?
Vernunft und Realität sind stärker!