Eilantrag gegen Corona-Maßnahmen vor Bundesverfassungsgericht gescheitert

Die Anwältin Beate Bahner wollte mit einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht die Verbote im Rahmen der Corona-Schutzmaßnahmen stoppen. Die Verfassungsrichter haben ihn als unzulässig abgelehnt. Vorbehalte gegen die Maßnahmen hat aber auch der Staatsrechtler Dietrich Murswiek.

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Die Heidelberger Rechtsanwältin Beate Bahner hält die Corona-Verordnungen der Bundesländer für »offensichtlich verfassungswidrig« und »unwirksam« sowie für einen Angriff auf den Bestand der Bundesrepublik Deutschland. Dies sei außerdem der größte Rechtsskandal, den die Bundesrepublik je erlebt habe.

Doch der Eilantrag, den sie beim Bundesverfassungsgericht eingereicht hatte, ist nun vom Ersten Senat, der sich vor allem mit den Grundrechten befasst, als unzulässig abgelehnt worden (- 1 BvQ 26/20 -). Sie erfülle mit ihrem Antrag mehrere Voraussetzungen der Zulässigkeit nicht: Sie konnte nicht direkt vors Bundesverfassungsgericht ziehen, um „die Corona-Regeln in allen Bundesländern bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug“ setzen zu lassen, und habe  nicht begründet, wieso sie nicht in ihrem Bundesland Baden-Württemberg klagt, das die Corona-Regeln erlassen hat, die sie betreffen. „Dazu legt die Antragstellerin schon nicht dar, durch sämtliche der in dieser Verordnung geregelten, zahlreiche verschiedene Lebensbereiche betreffenden Maßnahmen selbst, gegenwärtig und unmittelbar in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten betroffen zu sein“, heißt es in dem Beschluss.

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Bahner hat außerdem zum Widerstand gegen die Corona-Verordnungen aufgerufen und dazu, Demonstrationen anzumelden. In ihrem Eilantrag ging es auch darum, „festzustellen, dass die für Ostersamstag, 11. April 2020, 15 Uhr von der Antragstellerin angekündigte bundesweite Demonstration „Coronoia 2020. Nie wieder mit uns. Wir stehen auf“ nach Art. 8 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 4 GG zulässig ist und nicht verboten werden darf.“ Auch dies lehnte der Senat ab, denn. „Die Antragstellerin teilt keine Einzelheiten zu ihrem Aufruf sowie dem äußeren Zuschnitt und Teilnehmerkreis der beabsichtigten Versammlung mit. Eine verfassungsrechtliche Prüfung ist auf dieser Grundlage nicht möglich.“

Die Staatsanwaltschaft Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim ermitteln gegen die Anwältin wegen Aufruf zu einer Straftat. In einer gemeinsamen Pressemitteilung beider Institutionen heißt es: »Wegen des Verdachts, öffentlich zu einer rechtswidrigen Tat aufgerufen zu haben, ermitteln die Staatsanwaltschaft Heidelberg und das Dezernat Staatsschutz der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg gegen eine Heidelberger Rechtsanwältin. Sie soll über ihre Homepage öffentlich zum Widerstand gegen die staatlich erlassenen Corona-Verordnungen aufgerufen haben. Darüber hinaus soll sie dazu aufgerufen haben, sich am Ostersamstag bundesweit zu einer Demonstration zu versammeln.«

Beate Bahner bekam sogar Besuch vom Staatsschutz. Sie ist eigentlich Fachanwältin für Arzt-, Medizin- und Gesundheitsrecht. Sie berät in arzt- und medizinrechtlichen Fragestellungen, heißt es auf ihrer Homepage. Die war zeitweilig abgeschaltet, dann aber wieder online zusehen.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gab Bahner auf Ihrer Homepage bekannt, dass sie ihre Anwaltszulassung zurückgebe und veröffentlichte dazu eine Erklärung, in der sie von der „blitzschnellen Etablierung der menschenverachtensten Tyrannei“ und einem „Polizeistaat“ spricht.

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Bahners Reaktion kann man als überzogen betrachten. Aber auch der emeritierte Professor für öffentliches Recht, Dietrich Murswiek, hatte in Tichys Einblick auf die massive Beschränkung der Fortbewegungsfreiheit und die Freiheit der Wahl des Aufenthaltsortes hingewiesen: »Innerhalb weniger Wochen wurde aus einem Gemeinwesen, das auf seine Freiheitlichkeit stolz ist, ein Staat, der von fundamentalen Freiheiten kaum etwas übrig lässt, ein Staat, der die individuelle Freiheit einem kollektiven Ziel in einem Maße unterordnet, das man in demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnungen sonst nicht kennt.«

Murswiek ist der Auffassung, dass all dies nicht mehr mit der Verfassung vereinbar ist. »Der Notstand entbindet die Staatsorgane nicht von der Beachtung des Rechts. Auch im Notstand gilt die Verfassung, wenn auch mit modifizierten Regeln.«

Der Gesetzgeber könne zwar grundrechtlich geschützte Freiheiten einschränken, soweit dies zur Verwirklichung von Gemeinwohlszielen geboten ist. Doch: »Entscheidend ist, ob die zum Schutz vor dem Corona-Virus ergriffenen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels erstens geeignet und zweitens erforderlich sind und ob sie drittens auch im Sinne einer Vorteils- und Nachteilsabwägung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.«

Der Staat habe die Rechtfertigungs- und Begründungslast, wenn er die Freiheit einschränke. »Dieser Rechtfertigungspflicht sind Bundesregierung und Bundestag nicht nachgekommen. Sie haben bisher nicht erklären können, warum die nie dagewesenen Freiheitseinschränkungen jetzt notwendig sein sollen. Sie haben sich vom Robert-Koch-Institut die Agenda diktieren lassen. Und sie haben nicht das getan, wozu Politiker eigentlich da sind: Sie haben es unterlassen, die notwendige Abwägung zwischen Virus-Schutz und anderen Gemeinwohlbelangen zu treffen.«

Das heiße nicht, dass alle zum Schutz gegen Covid-19 erlassenen Freiheitsbeschränkungen sofort ersatzlos aufgehoben werden müssen. Aber der völlige Shutdown weiter Teile unseres Wirtschafts- und Kulturlebens sei zu beenden.

Die Freiheitsbeschränkungen müssten aufgelockert und soweit wie möglich durch Maßnahmen ersetzt werden, die gezielt dem Schutz der Risikogruppen dienen. Nur so könne die Verhältnismäßigkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Coronaschutzpolitik wiederhergestellt werden. Das Ziel, die Kurve der Covid-19-Erkrankungen abzuflachen, darf nicht – wie Jan-Erik Schirmer es formuliert hat – dazu führen, dass „danach nur noch die Feststellung bleibt, dass alles platt ist“.

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Kommentare ( 55 )

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Andreas Zidan
4 Jahre her

@FfF: Die selbsternannten Weltretter dürften die besseren Juristen haben – bei der Klimaklage hatte das Verfassungsgericht – vorerst zumindest – keinerlei Bedenken…

Roland Mueller
4 Jahre her

Die Verfassungsrichter haben sich vor einer inhaltlichen Entscheidung schlicht und ergreifend gedrückt. Damit sind sie ihrer Aufgabe als Hüter der Rechtsstaatlichkeit nicht nachgekommen. Über die Gründe wie z. B. Mutlosigkeit oder nicht vorhandenes Rückgrat kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich bedauern sie es sehr, das sie die Sache nicht einfach wie beim Euro an den EuGH nach Luxemburg weiter schieben können.

rogerknuettel
4 Jahre her

Kluger Mann 😉

Fulbert
4 Jahre her

Es mag ja sein, dass die Anwaeltin in ihrer Wut etwas ueber das Ziel hinaus geschossen ist, aber damit sind doch die Vorbehalte, die sie nennt, nicht unbegründet. So weit ich sehe, beruht die Ablehnung bislang nur auf formalen Gruenden und bezieht sich nicht inhaltlichen Einwände der Juristin.

Peer Munk
4 Jahre her

Währenddessen reicht noch immer das Zauberwort „Asyl“, um ungeprüft nach Deutschland einreisen zu können.

Der Ketzer
4 Jahre her

Wie beurteilt Professor Murswiek eigentlich die Frage der Güterabwägung?
Bestünde überhaupt Erfolg einer solchen Klage in der Sache, wenn eine Abwägung von „Leben und körperlicher Unversehrtheit“ gegen die „Freizügigkeit“ erfolgt? Wobei die Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) ausdrücklich zum Zwecke der „Bekämpfung von Seuchengefahr“ (Art. 11 Abs. 2 GG) eingeschränkt werden darf.

Dunkelsachse
4 Jahre her

Bei aller Kritik am Bundesverfassungsgericht. Die Dame hat wohl handwerklich geschlampt.

Andreas aus E.
4 Jahre her
Antworten an  Dunkelsachse

Aber sie hat wohl ihre Fans… von mir zu Ihrem Kommentar „Daumen hoch“.

Und allseits: Frohe Ostern!

Dunkelsachse
4 Jahre her
Antworten an  Dunkelsachse

@ reiner
Ich stehe dem Gebaren des Bundesverfassungsgerichts hochkritisch gegenüber. Wer jedoch meint, das hohe Gericht als erste und letzte Instanz anrufen zu müssen, der sollte seinen Vortrag substanziell untermauern. Dem fehlte es jedoch über weite Strecken. Folglich hat die Dame bestenfalls dem Gericht eine Steilvorlage geliefert. Die diesem sicherlich gelegen kam.

reiner
4 Jahre her
Antworten an  Dunkelsachse

früher gab es mal äußerungen aus karslruhe auch wenn kein anwalt dieses .. ehrenwerte gericht,, anschrieb damit die politik und ihre gegner nichtdauernd mit jedem mist nach karlsruhe zogen so zu sagen ein tipp nebenbei also die tendenz zu gewissen dingen.. so etwas hört man seit jahren nicht mehr,komisch..alles wird fast durchgewunken,was auf regierungslinie liegt. der größte witz ,die fernsehgebühr. da schreiben angehende doktoranden wie diese anna terschüren ,selbst ndr mitarbeiterin ihre arbeit mit auszeichnung ,was dann heißt, die gez gebür ist eine steuer und die rotroben verneinen das. diese schrift von dieser anwältin mag fehler enthalten,dass aber ein informatiker… Mehr

Elkarlo
4 Jahre her

Was nicht genannt wird, auch die gute Anwältin nicht beachtet hat: Es wurde 2011 ein Gesetz erlassen das die aktuellen Pandemie Regeln Maßnahmen festlegt. Daher konnte zb die Bundesregierung auch erst am 12.3.2020 reagieren, da die WHO erst am 11.3.2020 die Pandemie ausgerufen hat. Das Gesetz wurde von der damaligen Opposition überprüft und ist schon einmal durch das BVG gewandert. Das BVG hat damals auch einen Katalog festgestellt, wo man danach klagen darf. Wenn Minderheiten Unterdrückt sind, ein Zeitraum überschritten ist, ich glaub hier wird der 23.5 interessant. Es darf halt nur eine Temporäre nicht diskriminierende Maßnahme sein. Das wird… Mehr

Contenance
4 Jahre her
Antworten an  Elkarlo

In dem Kommentar werden einige, scheinbar begründete, Lanzen für die Raute getroffen. Wäre schön, wenn TE diese Argumente diskutieren würde.

Matth Mo
4 Jahre her

Da hat sich das BVerfG ja schön aus der Affäre gezogen. Es folgt damit allen anderen Organen des Staates, großen Teile der Massenmedien und vielen verängstigten Bürgern. Damit hat die Bundesrepublik jetzt ihren Paragraphen 48 (der war es, so glaube ich) der Weimarer Verfassung, der als Hebel genutzt werden kann, um die Demokratie zu beenden. Frau Bahner gebührt, trotz ihres Scheiterns, das Verdienst, auf die ungeheuere Gefahr hingewiesen zu haben. Das das Gericht ihr aus formalen Gründen nicht gefolgt ist, überrascht nicht. Hoffentlich kommt es nun schnell zu einer Lockerung der sehr dramatischen Einschränkungen, bevor unsere Politiker zuviel Gefallen an… Mehr

Werner Baumschlager
4 Jahre her

Heißt das eigentlich auch, dass mit Verweis auf das Gemeinwohl jetzt jedesmal die gesamte Wirtschaft niedergefahren und die Bevölkerung unter Hausarrest gestellt werden kann, solange irgendein fiktiver Schadstoffgrenzwert überschritten ist, den sich irgendwer ausgedacht hat?

Alexis de Tocqueville
4 Jahre her
Antworten an  Werner Baumschlager

Ganz genau das heißt es.