Bauern und Spediteure planen Großdemo in Berlin

Finanzminister Lindner und Kanzler Scholz lehnen weitere Zugeständnisse gegenüber den Bauern ab. Die planen mit den Spediteuren eine gemeinsame Großdemonstration in Berlin. Zudem kritisieren sie das Umweltbundesamt wegen wissenschaftlich nicht haltbarer Aussagen.

IMAGO

Landwirtschaft und Transportgewerbe rufen nach der gemeinsamen Aktionswoche zu einer Großdemonstration am 15. Januar in Berlin auf. Das geht aus einer Pressemitteilung des Deutschen Bauernverbands (DBV) und dem Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hervor.

Die Demonstration soll um 11:30 Uhr am Brandenburger Tor stattfinden. Noch einmal solle der Politik verdeutlicht werden, was es bedeute „die Wettbewerbsfähigkeit und Existenz der Landwirte und mittelständischer Transportunternehmen aufs Spiel zu setzen“. Für eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft seien eine Förderung von Agrardiesel sowie die Kfz-Steuerbefreiung unerlässlich.

Der BGL erinnerte die Bundesregierung an die Einhaltung ihrer Koalitionszusage zur Vermeidung einer doppelten CO2-Bepreisung bei Maut und Diesel. Beide Verbände betonten, dass ihre Demonstrationen friedlich verlaufen würden.

Unabhängig von der gemeinsamen Pressemitteilung kritisierte der Generalsekretär des DBD, Bernd Krüsken, das Umweltbundesamt (UBA) scharf. Krüsken nannte explizit die Bewertung von Biokraft durch das UBA. „Das Beharren auf fachlich nicht haltbaren Aussagen schadet der Reputation des UBA und widerspricht dem gesetzlichen Auftrag Ihrer Behörde“, so der DBV-Vertreter. Fünf weitere Branchenverbände schlossen sich dem Schreiben per Unterschrift an, darunter der Bundesverband Bioenergie (BBE) und der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB). Die Wirtschaftsvertreter fürchten offenbar den Wegfall eines Absatzmarktes, sollte die Politik den Einsatz von Biokraftstoffen regulatorisch weiter zurückdrängen.

Das UBA hatte in der Vergangenheit die positive Klimabilanz von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse in Zweifel gezogen. In einem Bericht bewertete sie Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse daher als umweltschädlich und riet dazu, den Anteil solcher Kraftstoffe zuerst zu senken und mittelfristig ganz darauf zu verzichten. Aus diesem Grund führte sie solche Biokraftstoffe in ihrem Bericht über „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“ auf.

Die Verbände argumentieren, dass die Sichtweise des UBA auf veralteten Daten beruhe. Auch der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) teile diese Ansicht nicht. „Trotz des amtlich und nach internationalen Bilanzierungsvorgaben ermittelten positiven Klimaeffektes widerspricht das Umweltbundesamt (UBA) in Veröffentlichungen zu Biokraftstoffen wiederholt wissenschaftlichen Erkenntnissen der großen Mehrzahl der relevanten Studien und den Bewertungen des Weltklimarates (IPCC)“, so die Verbände. Sie forderten eine „öffentliche Korrektur“ durch den Präsidenten des UBA, Dirk Messner. Das UBA müsse seine Bewertungen an den aktuellen Forschungsstand und den Erkenntnissen führender internationaler Wissenschaftler anpassen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat indes die „Sprachlosigkeit“ zwischen Bauern und Bundesregierung beklagt. In der augenblicklichen Situation sei es „dringend notwendig, dass persönliche Gespräche stattfinden“, so Steinmeier. Manchmal helfe es schon, „hinzugehen und zu sagen, wir wollen euch hören“. Insofern halte er „mehr Präsenz im ländlichen Raum tatsächlich für dringend erforderlich“, sagte Steinmeier. In Deutschland fehle es „insgesamt an einer ausreichenden Würdigung derer, die für die Erzeugung der Nahrungsmittel und für den Erhalt der Lebensbedingungen im ländlichen Raum verantwortlich sind“.

Mit Blick auf die Politik der aktuellen Bundesregierung und fallende Umfragewerte sagte der Bundespräsident: „Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind oder von internem Streit, der nach außen dringt, überlagert werden.“ Die Ampel-Koalition müsse ein Interesse daran haben, das zu verbessern.

Zuvor hatten sowohl Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betont, dass sie an den Kürzungen festhielten. „Das Parlament hat beim Haushalt das letzte Wort, aber für die Normalisierung der Staatsfinanzen werden alle ihren Beitrag leisten müssen“, sagte Lindner der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Der Agrarsektor erhält jährlich Subventionen von gut neun Milliarden Euro aus Brüssel und Berlin. Es fallen 2025 jetzt weniger als dreihundert Millionen weg“, so der Finanzminister. „Wir reden also von rund drei Prozent.“

Gegenüber der Rheinischen Post versprach Lindner im Gegenzug den verstärkten Abbau von bürokratischen Lasten. „Bei den aktuellen Diskussionen um die Landwirtschaft geht es nicht nur um öffentliche Gelder und Subventionen“, so der FDP-Vorsitzende. „Es schwingt auch wachsender Frust der Landwirte über immer mehr Auflagen und andere Eingriffe in ihre Betriebsabläufe mit.“ Man müsse sehen, wie der wirtschaftliche Erfolg durch weniger Regulierung verbessert werden könne. „Wenn Subventionen abgebaut werden, dann sollte Zug um Zug auch teure Bürokratie abgebaut werden. Das wäre nur fair.“

Kanzler Scholz kündigte ebenfalls an, bei den geplanten Agrarkürzungen keine weiteren Kompromisse einzugehen. Die Überarbeitung des ersten Vorschlags wertete er als „guten Kompromiss“. „Wenn jede Subvention auf ewig bestehen bleibt, wenn wir alle zu 100 Prozent auf unserem Standpunkt beharren, wenn wir alles so machen wie immer – dann kommen wir auch nicht voran“, sagte Scholz in einer Videobotschaft. Es sei wichtig, „dass wir das große Ganze nicht aus den Augen verlieren“.

„Galgen sind keine Argumente“, sagte Scholz in Bezug auf die Proteste, und politische Gegner seien „keine Vollpfosten“. Deshalb sei er dem Präsidenten des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, dankbar, dass er sich von Extremisten und Trittbrettfahrern, die zum „Aufstand“ bliesen und vom „Umsturz des Systems“ schwadronierten, distanziert habe. „Das ist nicht nur Unsinn. Das ist gefährlich“, sagte der Bundeskanzler.

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Kommentare ( 32 )

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Kassandra
7 Monate her

„Klimaziele“ sind ein hoax an sich und CO2 ist ein Nutzgas, ohne das es keine Photosynthese und damit kein Pflanzenwachstum gäbe.
Gerade Landwirte müssten diesen Zusammenhang doch kennen und sich eben nichts aufs Glatteis der Verführer ziehen lassen?
.
In den Gazetten kann man zwischen den Zeilen lesen, dass sie auf Methan als „Schadgas“ umzuschalten beginnen – alles, um den Milliardenablass für heiße Luft weiter kassieren zu können, der alleine für 2023 Euro 18.400.000.000,00 Euro „betrug“: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/18-milliarden-euro-bund-erhaelt-2023-rekorderloes-aus-emissionshandel-19425227.html
Was macht Lindner mit der zusätzlich abgepressten Steuer, die arg dem Ablass aus dem Mittelalter ähnelt?

AnSi
7 Monate her

Ich will doch SEHR, SEHR hoffen, dass das morgen NICHT die letzte Demo der Bauern sein wird! Auf X wurde heute bereits von einer „Abschlusskundgebung“ gefaselt und das kann es ja nicht sein, denn es gab KEINE Einigung!
Dranbleiben, liebe Landwirte! Wir sind auch dabei!

Lucius de Geer
7 Monate her

Ist das denn so schwer zu verstehen? In einer Demokratie wird man die Regierung nur los, wenn man fundamental anders wählt. Das müssen die vielen CDU- und FDP-Freunde unter den Landwirten wohl noch lernen. Mit Treckern in der Gegend Präsenz zeigen und andere von der Arbeit abhalten, reicht dazu jedenfalls nicht.

Kassandra
7 Monate her
Antworten an  Lucius de Geer

Die Bauern scheuen die Blauen wie der Teufel das Weihwasser und leben in der Hoffnung auf eine Bekehrung der Etikettenunion zum für sie Hilfreichen.
Man kann nur hoffen, dass es nicht zu spät sein wird, bis sie sich eines Besseren belehren lassen – denn wenn es überhaupt noch einen Ausweg geben kann, dann den.

Teide
7 Monate her

Die Landwirte sollten mal „Mansholt-Plan“ googeln. Dann geht denen eventuell ein Licht auf. Auch deshalb hält die AfD nichts von der EU. “Der Mansholt-Plan war ein Konzept für die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, das der damalige Agrarkommissar und Vizepräsident der Kommission Sicco Mansholt im Jahr 1968 präsentierte. Der Plan sah umfassende Rationalisierungsmaßnahmen in der europäischen Landwirtschaft, die Bildung größerer Wirtschaftseinheiten und die schrittweise Einstellung sämtlicher Subventionen vor… Die Agrarpreispolitik der EWG (1968!)habe sich ausschließlich an Kosten und Bedarf zu orientieren und somit der Marktlogik zu folgen. Das Leitbild des „bäuerlichen Familienbetriebes“ sollte durch die eher technokratisch ausgerichteten Begriffe der „Produktionseinheit“ und des „modernen landwirtschaftlichen Unternehmens“ ersetzt werden; die sozialpolitische Komponente… Mehr

Last edited 7 Monate her by Teide
Ron
7 Monate her

zu Biokraftstoff fällt mir die kanad. Fa. „Dynamotive Energy Systems“ ein. Die hatten ein Patent auf „schnelle“ Pyrolyse und konnten aus Cellulosehältigen Abfällen (Holz, Stroh, Schilf, Altpapier …) „BioOil“, verwendbar als Heizöl/Dieselersatz, auch Benzinersatz war denkbar, herstellen.
2007 stieg Richard Branson angebl. ein. Wollte künftig seine Virgin Airlines Flotte damit betanken. Kurz danach angebl. GE (General Electric). Und wieder kurz danach, 2008, verschwand dieses Start Up Unternehmen. Hatten keine Finanzstatements mehr geliefert, die Finanzaufsicht British Columbias eröffnete ein Verfahren…
Zufälle gibts.
Insofern wird es spannend, wie es dem innovativem ursprgl. deutschen, nun kanadischen Dual Fluid Reaktor Projekt ergehen wird.

W aus der Diaspora
7 Monate her

Die Maut kann nicht für den Umstieg auf die Bahn sein, denn den Umstieg kann es mangels Infrastruktur nicht geben!
die Streichung der Agrardieselsubvention , damit die Bauern auf alternative Antriebe umsteigen kann es nicht geben, da es keine alternativen Antriebe für die Landwirtschaft gibt.

Es geht somit nicht um das was die Politiker erzählen, sondern einzig darum die Betriebe dicht zu machen. Weniger Betriebe = weniger Menschen die zur Arbeit fahren = insgesamt weniger CO2.

Da wir von Idiologen regiert werden ist deren Logik für sie natürlich richtig.

Michael M.
7 Monate her

Zitat „…und politische Gegner seien „keine Vollpfosten“…“. Da liegt „Olaf der Vergessliche“ (wie so oft) leider komplett falsch, denn es sind nun mal sehr sehr viele Vollpfosten dabei und daher darf man diese dann ja wohl auch so nennen, oder ist das Aussprechen der Wahrheit neuerdings auch schon verboten ?!

Gerhard_F_Mossmayr
7 Monate her

„Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind …“ Ja, lieben Dank auch, Herr Bundespräsident. Das ist eine Fortsetzung der Wählerbeschimpfung, die vor über zehn Jahren im Kabinett Merkel begonnen hat. Natürlich ist der Wähler blöd, der die Regierungspolitik kritisiert. Und ebenso ist der einzige Fehler unserer Politikernden, das nicht ausreichend kommuniziert zu haben. Kann ja auch nicht anders, schließlich haben sie ja die Weisheit mit Löffeln gefressen, die ganzen Überqualifizierten in der Regierung. Da bin ich ja froh, dass immer wieder darauf hingewiesen wird, wie doof ich… Mehr

Manfred_Hbg
7 Monate her

Zitat 1: „Der BGL erinnerte die Bundesregierung an die Einhaltung ihrer Koalitionszusage zur Vermeidung einer doppelten CO2-Bepreisung bei Maut und Diesel. > Sollte ich mit Blick auf die Demos und auf die Politik nix übersehen habe, mal eine Frage: WELCHE Zusagen hat eigentlich der mitdemonstrierende Güterkraftverkehr bzw der BGL und die Speditionen von der Politik bekommen? ? – – – – – Zitat 2: „Gegenüber der Rheinischen Post versprach Lindner im Gegenzug den verstärkten Abbau von bürokratischen Lasten“ > Das ist ja gut und schön wenn Lindner (FDP) bei den Landwirten für den „Abbau von bürokratischen Lasten“ sorgen will. DOCH… Mehr

Jens Lueck
7 Monate her

Ich sehe hier aus meinem Fenster in Berlin auf die Kantstraße. Hier kommt gerade eine Welle hunderter Traktoren an, die laut hupend durch die Straße fahren. Ich werde morgen mit meiner Frau auch am Brandenburger Tor stehen und gegen die „60-Milliarden-Euro-In-Alle-Welt-Verschwender“ auf der Regierungsbank demonstrieren. Die Ampel muss weg! Schnellstens!

kasimir
7 Monate her
Antworten an  Jens Lueck

Sehr gut, Jens! Wäre ich noch in Berlin, würde ich auch zum Brandenburger Tor gehen. Habe aber meiner Verwandtschaft Bescheid gesagt und die werden auch morgen dort hingehen…