Agitation oder Trost: Muezzine rufen zum Gebet

Zum Beginn des Ramadan rufen viele Moscheen Gläubige zum Gebet. Kritiker fürchten den damit verbundenen Herrschaftsanspruch und Rückfall in vormoderne Zeiten. Stärkster Befürworter der islamischen Machtdemonstration ist die FDP.

imago images / Team2
Die DITIB Tuerkisch Islamische Gemeinde zu Recklinghausen e.V., hat von der Stadt Recklinghausen wegen der Coronakrise die Genehmigung zur externen Beschallung des Gebetrufes ueber Lautsprecher erhalten.
Es begann mit der Duisburger Zentralmoschee, einer der größten Moscheen in Deutschland im osmanischen Baustil: Sie durfte jetzt erstmals und auf die explizite Bitte der benachbarten christlichen Kirchen hin öffentlich vom Minarett herunter zum Gebet rufen lassen, wie die türkischstämmige Deutsche Hülya Ceylan, die Vorsitzende des weitestgehend dem türkischen Staat unterstehenden NRW-Landesverbandes DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion), das Zustandekommen erklärt hatte.

Ceylan sagte gegenüber einer islamreligiösen Internetseite, die von der evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der islamistischen Milli-Görüş-Bewegung zugerechnet wird: „Nach dem Angebot der Kirche haben wir uns mit der Stadt Duisburg und dem Zuständigen für den Krisenstab (Red.: wegen Corona) zusammengesetzt und die Genehmigung eingeholt. Nun wird jeden Abend um ein Zeichen der Solidarität zu setzen, der Gebetsruf ausgerufen.“ Mittlerweile hat sich die Zentralmoschee in immer mehr Städten durchgesetzt, von Nord bis Süd, auch in Frankfurt.

Meist wird getan, es sei wie beim Glockengeläut der christlichen Kirchen, ein Aufruf zum Gebet. Aber das ist nicht so, sondern schließt andere Glaubensbekenntnisse bewußt aus – es kann als Machtanspruch verstanden werden:

Allahu akbar (4 mal) Allah ist der Allergrößte (4 mal)
aschhadu an la ilaha ha llah (2 maI) Ich bezeuge, daß es keinen Gott außer Allah gibt (2 mal)
aschhadu anna muhammada-rasulu-llah (2 mal) Ich bezeuge, daß Muhammad der Gesandte Allahs ist (2 mal)
hajja ‘ala-salah (2 mal) Kommt her zum Gebet (2 mal)
hajja ‘ala-l-falah (2 mal) * Kommt her zum Heil (2 mal)
Allahu akbar (2 mal) Allah ist der Allergrößte (2 mal)
la ilaha illa llah Es gibt keinen Gott außer Allah

 

Unterstützt wird der Aufruf zum Gebet von den evangelischen und katholischen Kirchen. Seit den 70er-Jahren verstehen sie die religiöse Orientierung als Gemeinsamkeit gegen wachsende Glaubenferne. Während das Geläut aus Lärmschutzgründen immer weiter eingeschränkt wurde wird der Ruf des Muezzins ausgeweitet. Meist wird derzeit das Vermummungsverbot in den Moscheen als Begründung herangezogen. Aber es ist nur der Einstieg. Auf Seite der Rufer steht die FDP – sie will seit 2012 den Ruf des Muezzins mit dem Geläut gleichsetzen. Immer wieder forderte Christian Lindner die Gleichsetzung von christlichen Kirchen und Islam.  Ziel sei paradoxerweise die stärkere Trennung von Staat und Kirche. Das soll erreicht werden,  indem die Kirchen durch die inflatorische Gleichrangigkeit gewissermaßen entwertet werden: Gibt es Dutzende von Sekten und Glaubensgemeinschaften ist der Anspruch der Staatskirchen entwertet.

Kritiker fürchten, dass hier zur Toleranz für Intolerante und für ihre archaischen Gesellschaftsvorstellung aufgerufen wird. Gleichberechtigung und Toleranz sind keine Werte, die in den Moscheen vermittelt werden. So kommentiert FDP-Mitglied Ali Utlu den Vorstoß der FDP und die Auswirkungen eines wachenden islamischen Einflusses auf die Alltagskultur und Alltagspolitik:

— Ali Utlu ?️‍? (@AliCologne) April 25, 2020

Aber das ist nicht das erste Mal, dass die Krefelder FDP mit derlei Bestrebungen für Aufmerksamkeit sorgt. Am 21. Oktober 2012 berichtete die Westdeutsche Zeitung:

„Geht es nach der Krefelder FDP gehört der traditionelle muslimische Gebetsruf des Muezzin schon bald zum Alltag in der Stadt. Das beschlossen die Parteimitglieder auf Antrag der Jungen Liberalen am Samstag auf ihrem Kreisparteitag im Restaurant Hexagon am Theaterplatz. Eine große Mehrheit sprach sich dafür aus, den islamischen Gebetsruf und das christlich-liturgische Glockengeläut zukünftig rechtlich gleich zu behandeln, solange allgemein gültige Lärmobergrenzen und gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden.

Der FDP-Kreisvorsitzende Joachim C. Heitmann sagte dazu: „In Deutschland darf es aus unserer Sicht keine Religionsausübungsfreiheit zweiter Klasse geben. Daher ist für uns klar, dass alle Religionsgemeinschaften rechtlich gleich zu behandeln sind. Die einseitige Bevorzugung christlichen Glockengeläuts bei gleichzeitigem Verbot des traditionellen muslimischen Gebetsrufs darf deshalb nicht länger Bestand haben.““

Im Jahr 2010 begrüßte der integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion die Entscheidung, wonach der Muezzin fünfmal am Tag in Rendsburg zum Gebet rufen darf.

Es regt sich allerdings auch Widerstand. Kritiker fürchten, dass der Machtanspruch des Islam unterschätzt werde. Im Namen der Toleranz werde die Intoleranz gefördert. Die massive Förderung der Moscheen mit staatlichen Mitteln und Imamen aus der Türkei, die dann dem dortigen Religionsministerium unterstehen, die finanzielle Unterstützung radikaler Islamisten mit Geldern aus den radikal-islamistischen Golfstaaten zeigen, dass der Islam nicht nur Privatsache ist, sondern eine politische und gesellschaftsverändernden Auftrag und Wirkung hat.

Liberale reagierten teils mit deutlich formulierter Ablehnung, teils mit auch mit erheiternden Kommentaren:


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