Private Anleger erleiden mehr Vermögenseinbußen im 1. Halbjahr 2022 als je zuvor 

Privatanleger in Deutschland verzeichneten im ersten Halbjahr 2022 Kursverluste in Höhe von 267 Milliarden Euro. Dem gegenüber stehen laufende Erträge in Höhe von 54 Milliarden Euro. Unter dem Strich sind das Verluste von 213 Milliarden Euro. 

IMAGO / STPP

Der Vermögens-Schaden für Deutschlands Privatanleger ist so hoch wie seit der Finanzkrise 2008 nicht mehr. Damals beliefen sich die Vermögens-Verluste auf 115 Milliarden Euro, im 1. Halbjahr 2022 sind es knapp 100 Milliarden Euro mehr. 

Zu dieser Einschätzung kommt die zweite Auflage des Whitebox Rendite Radars in einer Studie. Whitebox weist die höchsten Verluste seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 1999 aus. 

„Die Zahlen führen uns die Dramatik der Entwicklungen im bisherigen Jahresverlauf nochmals drastisch vor Augen”, erklärt Salome Preiswerk, Gründerin von Whitebox. „Der Angriff auf die Ukraine, die hohe Inflation und die drohende Rezession haben deutliche Spuren an den Kapitalmärkten hinterlassen – und eben auch bei den Vermögen von Privatanlegern.”

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Im Jahr 2021 hätten deutsche Privatanleger erstmals mehr als 300 Milliarden Euro an Finanzerträgen erzielt, nun folge also auf den Rekordgewinn ein Rekordminus. Denn die Kursverluste in Höhe von 267 Milliarden Euro ließen die Gesamterträge abstürzen. Daran konnten auch laufende Erträge aus Dividenden, Zinsen und anderen Ausschüttungen in Höhe von 54 Milliarden Euro nichts ändern.

Die Inflation ließe reale Renditen tief zweistellig ins Minus rutschen. Das ergebe sich aus der Studie wie folgt: Die Rendite privater Anleger lag im 1. Halbjahr 2022 über alle Anlageklassen hinweg bei minus 2,8 Prozent. Auf das ganze Jahr hochgerechnet bei minus 5,5 Prozent. Wird die Inflation mit berücksichtigt, liegt die jährliche Realrendite gar bei minus 12,2 Prozent. Der Whitebox Rendite Radar erfasst Daten seit dem Jahr 1999. Mithin sei dies der niedrigste Wert seit Beginn der Datenerfassung. 

Die Verluste lägen zudem im zweiten Quartal 2022 mit einem Minus von 131 Milliarden Euro nochmals deutlich höher als im ersten Quartal (minus 82 Mrd. €), schreibt Whitebox Rendite Radar. Es sei das erste Mal überhaupt seit dem Jahr 2009, dass Anleger in zwei aufeinander folgenden Quartalen Verluste verzeichneten. Selbst 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, habe es nur ein Verlustquartal gegeben. 

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Whitebox selbst wirbt in ihrer Pressemitteilung für ETF-basierte Value-Anlagestrategien. Dies sollte bei der folgenden Empfehlung von Whitebox berücksichtigt werden: Denn „die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass Anleger in Phasen von Kursverlusten nicht nur aussteigen und damit reine Buch- zu echten Verlusten machen, sondern auch den Zeitpunkt für den Wiedereinstieg verpassen.“ Die Aktienkurse stiegen in aller Regel schon, bevor sich die Lage in der realen Wirtschaft wirklich bessere – und gerade Verlustphasen böten oft die besten Einstiegsgelegenheiten, weil Anleger dann gute Unternehmens-Aktien zu niedrigen Preisen erwerben könnten. 


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Kommentare ( 7 )

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Mausi
1 Jahr her

Das betrifft ja nicht nur „D“. Es betrifft Aktien weltweit. Jetzt auf Value umschichten, bedeutet m. E., dem Trend hinterher zu laufen. Fürs Umschichten ist es längst zu spät. Und es kostet Geld.

Dr. Bomke
1 Jahr her

Die Schlussfolgerungen aus den Daten sind mir zu einseitig. Wir sind erzkonservativ wirtschaftende Anleger und haben inflationsabsicherung durch Edelmetall und Betongold betrieben. Risikostreuung halt! Und es funktioniert bisher offenbar sehr gut.

Entscheidend ist auch, ob man Vermögensverlust realisiert oder nicht. Alle, die ihre Anlagen liquidieren müssen, erleiden dort zu dieser Zeit Verluste. Wer sie stehen lassen kann, kann günstigere Zeiten abwarten. Man braucht zur Zeit einen langen Atem. Durch Verluste bedroht sind aber vor allen Dingen diejenigen, welche ihre Anlage in Erwartung von Renditen mit Fremdkapital pimpen. Sowas hat 1929 die große Depression der Weltwirtschaft ausgelöst.

Candida Albicans
1 Jahr her

Ich halte diese punktuellen Betrachtungen nicht für sinnvoll. Investitionen in Aktien muss man über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren betrachten. Außerdem fehlt hier die Berücksichtigung des Verfalls des Euro gegenüber dem US-Dollar und dem Schweizer Franken. Hier sind im Verlauf eines Jahres zusätzlich ca. 20% Verlust für diejenigen eingetreten, die in Euro bezahlen müssen. Man muss also für Dinge, die in US$ notieren, wie z.B. die meisten ETFs oder auch Gold, in Euro entsprechend mehr bezahlen.

Urbanus
1 Jahr her

Vergesst alle unsinnigen Finanztipps, alles nur heisse Luft. Mein Tipp: min.10 ha. Ackerland (man muss es aber schon haben), inc. Wald. Ein Teil davon zur Selbstversorgung (Garten, Bio). Man muss aber selber anpacken. Dann macht es sogar Spaß. Allerwichtigste dabei: keine Beratung von der Bank.

Last edited 1 Jahr her by Urbanus
Oneiroi
1 Jahr her

Der ETF-Trend nahezu aller Finanzberater ist bedenklich, da damit die Branchenblasenbildung erst richtig Fahrt aufgenommen hat. Jeder ETF ist in Apple, Microsoft, Tesla und Google drin. Und die nachfolgenden 20 Positionen werden in der Regel auch von jedem Fondsmanager 1:1 mit unterschiedlicher Gewichtung kopiert, sodass viele Private an der Blase mitpumpen. Das dann die Korrektur bei aufgeblasenen Unternehmen vergleichsweise größer als bei jenem im Seitwärtskanal ist, war zu erwarten.

Kampfkater1969
1 Jahr her

Die Inflation ist eine verdeckte Vermögenssteuer.

Noch ein anderer Aspekt:
Aktien machen in der Regel den Inflationsausgleich mit.
Wer also 100.000 Euro an der Börse anlegt und 10 Jahre lang ein Inflation von jährlich 5% mitmacht wird dann etwa 163.000 Euro besitzen. Real hat er sein Vermögen erhalten. Nominal einen Gewinn von 63.000 Euro gemacht.
Wenn er nun den Gewinn realisiert, so wird ihm der Staat etwa 25% an Kapitalertragssteuer von den 63.000 Euro Gewinn einkassieren, etwa 15.750 Euro in zukünftigem Geld. Umgerechnet auf den heutigen Wert knapp 10.000 Euro.

Mausi
1 Jahr her
Antworten an  Kampfkater1969

Sehe ich auch so. Und bei Verlusten lehnt sich der Staat zurück, weil die ja aus bösen Spekulationsgeschäften resultieren. Anderswo ist der Staat immer schnell bei der Hand und sozialisiert die Verluste. Der Bürger darf sie noch nicht mal bei sich selbst sozialisieren