Klagen gegen LKW-Kartell

Der BSZ, Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein Dieburg gründete im vergangenen Jahr eine Interessengemeinschaft LKW-Kartell und bündelt die Interessen der Geschädigten. Mit den Bußgeldern sind die Kartellanten noch nicht raus.

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Idyllisch und gemütlich soll das Hotel gewesen sein. Gemütlich waren die Folgen jedoch nicht. Top-Manager der führenden europäischen Lastwagenhersteller trafen sich in trauter Runde und verabredeten, die Preise für mittlere und schwere Lastwagen künftig abzusprechen.

Auch sollten neue Technologien koordiniert eingeführt werden. Das ersparte jedem Hersteller beträchtliche Entwicklungskosten. Diese Treffen fanden bereits 1997 statt. »Das war der Beginn geheimer Absprachen«, stellte die EU-Kommission fest. Kurz: Ein Kartell.

Mit diesen Absprachen konnten die Preise nach oben manipuliert werden, sagt der renommierte Heidelberger Fachanwalt Axel Widmaier: »Für die Kartellanten eine lukrative Sache. Die Preise sind stabil, die Hersteller stehen in keinem Konkurrenzkampf und können damit höchstmögliche Profite erzielen.«

Jetzt laufen die ersten Schadensersatzverfahren. Denn im vergangenen Jahr hatte die EU in einem aufsehenerregenden Verfahren den LKW-Herstellern eine erste Rechnung präsentiert: Fünf Hersteller müssen 2,9 Milliarden Euro an Bußgeldern an die Europäische Union überweisen.

Die höchste Strafe, die die EU jemals in einem Kartellverfahren verhängte. Denn, so die Begründung, das Kartell betreffe einen großen Markt. Es habe auch über einen langen Zeitraum bestanden.

Betroffen Daimler, die rund eine Milliarde Euro bezahlen müssen, Volvo/Renault sind mit 670 Millionen Euro dabei, Iveco mit 490 Millionen und DAF mit 750 Millionen. Lediglich MAN kam ungeschoren davon; der Münchner Lastwagenhersteller hatte nach einem Korruptionsskandal 2009 bereits 250 Millionen Euro bezahlen müssen, sich dann Ehrlichkeit auf die Fahnen geschrieben und das alte LKW-Kartell auffliegen lassen. Aufgrund der Kronzeugenregelung wurde ihm die Buße erlassen.

Der Kreis der Geschädigten ist groß

Aber die hohen Bußgelder an die EU sind nicht der einzige Schaden der LKW-Hersteller. Denn auch Spediteure können Schadenersatz gegenüber den Herstellern geltend machen und teilweise erhebliche Beträge einfordern.

Schließlich gehören Lastwagen zu den Kernelementen einer Wirtschaft. Transporte sind essentiell. Rohstoffe, Maschinen, Lebensmittel – das meiste wird mit LKW transportiert. Der BSZ, Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein in Dieburg sagt: »Durch dieses illegale Verhalten der LKW-Hersteller wurden viele Unternehmen bei der Anschaffung neuer Lastwagen durch viel zu hohe Preise erheblich geschädigt. Das hat in der Regel auch dazu geführt, dass die Transportraten gestiegen sind und somit die Transportgüter verteuert wurden.«

Höhere Transportkosten treiben die Preise für Produkte nach oben. Den Schaden hat die Wirtschaft. Und eines wird dabei meist nicht beachtet, meint Anwalt Widmaier: »Durch die Diskussion in der Öffentlichkeit mit den enormen Bußgeldern, die verhängt werden, wird meist völlig übersehen, was sehr viel wesentlicher ist, dass nämlich die Betroffenen, die Spediteure die Hauptgeschädigten sind.«

Geschädigte können auch andere Unternehmen, Verbraucher und staatliche Institutionen sein. Widmaier: »Leidtragende sind auch der Verbraucher und staatliche Institutionen. Man denke dran, dass jede Stadt Lastwagen oder landwirtschaftliche Maschinen kauft, um ihren hoheitlichen Aufgaben nachzukommen. Auch die sind betroffen, weil zu teuer eingekauft. Und damit indirekt auch wieder jeder Bürger in diesem Land, der seine Steuern bezahlt.«

Der Schaden kann also vielfältig sein. Es hat jeder Geschädigte Anspruch auf Ersatz.

Widmaier weiter: »Denn der Europäische Gerichtshof hat schon früh entschieden, dass zum Schaden auch der Vermögensnachteil, den man erleidet, Zinsen und Gewinnausfall gehören. Da können enorme Summen zusammenkommen.«

Statt Sammelklagen besser Sammelverhandlungen

Allein in Deutschland dürfte 10.000 Transportunternehmen ein erheblicher Schaden entstanden sein, der als Schadensersatz eingefordert werden kann.

Eine neue sogenannte EU-Kartellschadenrichtlinie gibt genau vor, wie der Schadenausgleich zu erfolgen hat. Bis zum Jahresende müssen die EU-Staaten diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt haben.

Danach kann jede natürliche oder juristische Person, die durch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, vollständigen Ersatz verlangen. Der Anspruch richtet sich gegen die Verursacher, also gegen die Kartellanten insgesamt.

Der Städtetag und kommunale Spitzenverbände hatten empfohlen, Klagen bis zum 19. Januar einzureichen. Ansonsten drohe Verjährung. Doch Fachmann Axel Widmaier sieht das nicht so: »Es wird etwas übertrieben mit einer drohenden Verjährungsfrist im Januar dieses Jahres. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass im Laufe des Jahres Ansprüche verjähren können. Die Geltendmachung eventueller Ansprüche sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden.«

Betroffene sollten sich in diesem Jahr in jedem Fall entscheiden, ob sie gegen einen der LKW-Produzenten vorgehen wollen oder nicht: »Ich muss auch nicht Daimler verklagen, ich kann mir einen aus der Gruppe heraussuchen. Im Zweifel werde ich natürlich schauen, dass ich, was die EU-Kartellschadenrichtlinie auch zulässt, im Wege der Gesamtschuldnerschaft alle in Anspruch nehmen kann und mir dann, wenn ich ein obsiegendes Urteil erziele, den Solventeren heraussuche.«

Möglich sei auch eine Klage mit Heimvorteil gegen einen LKW-Hersteller, der in Deutschland seinen Sitz hat: »Damit habe ich vielfältige Vorteile. Die Gerichtssprache ist deutsch, ich habe die deutsche Rechtsordnung, die ich kenne. Und ich habe kürzere Anfahrtswege. Das kann vielfach dafür sprechen.«

Noch besser allerdings sei es, so empfiehlt Rechtsanwalt Axel Widmaier, es möglichst nicht zu einer Klage kommen zu lassen. Denn zu unwägbar ist der damit verbundene Aufwand. Viel sinnvoller ist es, die Interessen zu bündeln und in einem außergerichtlichen Verfahren ein Ergebnis mit den Herstellern zu erzielen.

Widmaier: »Es hat sich gezeigt, dass gerade in diesem Bereich außergerichtliche Lösungen und die Herbeiführung eines sinnvollen Vergleiches der richtige Weg ist. Das Ziel muss dabei sein: Durch eine Zusammenführung einer Vielzahl von Geschädigten, wir nennen das Interessengemeinschaft, diese zu sammeln und dann zu versuchen, mit den Unternehmen zu einer sinnvollen Lösung zu kommen.«

Der BSZ, Bund für soziales und ziviles Rechtsbewußtsein Dieburg hatte im vergangenen Jahr eine Interessengemeinschaft LKW-Kartell gegründet und die Interessen der Geschädigten gebündelt. Jeder Geschädigte kann kostenlos dieser Interessengemeinschaft beitreten und hat die Möglichkeit einer kostenlosen Erstberatung durch kompetente Fachanwälte.

Je größer die Gruppe der Anspruchsteller, umso größer die Bereitwilligkeit zu Verhandlungen, so die Erfahrungen des BSZ.

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