Falscher Jubel: Das Verbrenner-Verbot kippt – nicht

Und wieder jubeln die Oberflächen-Medien: Das Verbrennerverbot, also das Todesurteil für die Autoindustrie und gutes Fahren, sei gekippt. Leider stimmt es nicht. Noch ist nichts gekippt und wenn, kippt nur ein mickriger Rest. Hier die Tatsachen.

picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth

Die Debatte um das sogenannte Verbrennerverbot bekommt neue Dynamik, und plötzlich heißt es in Brüssel: Das Aus für Benziner und Diesel ab 2035 steht auf der Kippe. Doch was ist dran an dieser Behauptung?

Zunächst der Blick auf die Faktenlage:

Seit 2023 gilt in der EU ein Gesetz, das für Neuwagen ab dem Jahr 2035 null Gramm CO2 pro Kilometer vorschreibt. Das bedeutet faktisch: Keine neuen Verbrenner mehr, es sei denn, sie laufen ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen. Diese Regel ist offiziell noch immer in Kraft, sie wurde nicht aufgehoben, nicht geändert und nicht ausgesetzt.

Doch hinter den Kulissen arbeitet die EU-Kommission an einer überraschenden Abschwächung. Nach Informationen aus Brüssel will man das bisherige 100-Prozent-Ziel nicht mehr durchhalten. Stattdessen soll der CO2-Ausstoß neuer Fahrzeuge bis 2035 nur noch um 90 Prozent sinken, und auch die strengeren Ziele für 2040 sollen entschärft werden.

Was bedeutet das konkret?

Ein 90-Prozent-Ziel wäre kein totales Verbot von Verbrennungsmotoren mehr. Hersteller könnten in begrenztem Umfang weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verkaufen. Etwa besonders effiziente Hybride oder Modelle, die durch ihre Flottenbilanz ausgeglichen werden. Das Regelwerk würde also von einem klaren „Verbrenner-Aus“ zu einem Restkontingent für Verbrenner umgebaut.

Warum dieser Kurswechsel?

Die europäische Autoindustrie steht unter sehr massivem Druck. Der Absatz von Elektroautos stagniert, viele Unternehmen verlieren Marktanteile an chinesische Hersteller. In Deutschland und Italien wächst der politische Widerstand gegen ein vollständiges Verbrennerverbot. Die Kommission reagiert und sucht einen Ausweg, der Klimaziele und wirtschaftliche Realitäten miteinander versöhnt.

Doch wichtig ist: Entschieden ist noch gar nichts

Der Vorschlag der Kommission wird erst in den kommenden Tagen offiziell vorgelegt. Danach müssen sowohl das Europäische Parlament als auch die Mitgliedstaaten zustimmen. Es ist also ein politischer Entwurf, kein neues Gesetz. Und bei diesem Thema ist Widerstand garantiert: von grünen Fraktionen, Klimaverbänden und einigen Staaten, die am 100-Prozent-Ziel festhalten wollen.

Was heißt das für die Bürger?

Die Schlagzeile „EU kippt Verbrennerverbot“ ist zu kurz gegriffen. Richtig ist: Die Kommission versucht, das Verbot aufzuweichen. Aber der Beschluss von 2035 gilt weiter, bis ein neues Gesetz verabschiedet wird. Die Entscheidung fällt also erst in den nächsten Monaten.

Unterm Strich lässt sich sagen:

Es gibt keine Rückkehr zum alten Verbrenner. Aber ein Fenster könnte sich öffnen für eine kleine, begrenzte Zukunft des Verbrennungsmotors – politisch umkämpft, technisch eingeengt, aber eben doch möglich.

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