Positiver April, gedämpfter Mai-Ausblick

Traditionell wird nach 100 Tagen bei US-Präsidenten die erste große Bilanz gezogen. Zumindest aus börsentechnischer Sicht hat Joe Biden mehr als erwartet geliefert.

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So ist der S & P 500 in seiner bisherigen Amtszeit um knapp zehn Prozent nach oben geklettert, seit der Wahl im November sogar um rund 25 Prozent. Zum Vergleich: Vorgänger Donald Trump war im selben Zeitraum nur auf ein Plus von elf Prozent gekommen. Biden ist mit seiner Performance, die auch mit massiven geldpolitischen Hilfen und der Impferfolge im Land zu erklären sind, der erfolgreichste Börsen-Präsident seit der Wahl von John F. Kennedy im Jahr 1960.

Nach den jüngsten Rekordhochs haben die Anleger an den US-Aktienmärkten am Freitag allerdings erst einmal etwas Druck aus dem Kessel genommen. Negative Impulse gaben Verluste einiger schwergewichteter Technologiewerte sowie neue US-Konjunkturdaten, die einen gewissen Inflationsdruck signalisierten. Der Dow Jones Industrial schloss jedenfalls mit einem Verlust von 0,5 Prozent auf 33.875 Punkten. Für den April steht damit ein Plus von rund 2,7 Prozent zu Buche. Der marktbreite S&P 500 fiel um 0,7 Prozent auf 4.181 Zähler. Der technologielastige NASDAQ 100 sank um 0,8 Prozent auf 13.861 Punkte.

Das Geschäftsklima in der Region Chicago hellte sich im April überraschend auf. Das Konsumklima in den USA stieg auf den höchsten Stand seit gut einem Jahr. Die von der Universität Michigan erhobene Verbraucherstimmung kletterte zum Vormonat auf den höchsten Wert seit März 2020. Neue Konjunkturhilfen der US-Regierung ließen die Einkommen der privaten Haushalte im März um unerwartet deutliche 21 Prozent steigen. Die Arbeitskosten stiegen im Winter stärker als erwartet.

Unter den Einzelwerten fielen Aktien von Twitter mit einem Kurseinbruch von mehr als 15 Prozent besonders negativ auf. Der Kurznachrichtendienst konnte zum Jahresbeginn im Anzeigengeschäft mit Branchengrößen wie Google und Facebook nicht mithalten und enttäuschte mit der Umsatzprognose für das laufende Quartal. Analysten senkten daraufhin das Kursziel.

Mit Chevron und Exxon Mobil gaben die Kurse zweier Schwergewichte der Ölbranche um 3,6 beziehungsweise 2,9 Prozent nach. Die Kurse waren jedoch seit Beginn des Jahres bereits weit vorgerückt.

Die Papiere von Colgate-Palmolive rückten um 1,1 Prozent vor. Der für seine Zahnpasten bekannte US-Konsumgüterkonzern steigerte die Erlöse im Jahresvergleich um sechs Prozent. Preissteigerungen wirkten sich dabei positiv aus.

Zuvor hatte sich der DAX nach den Verlusten vom Vortag zunächst erholt, musste die Gewinne aber wieder abgeben. Schließlich ging der deutsche Leitindex 0,1 Prozent im Minus bei 15.136 Punkten praktisch unverändert aus dem Handel.

Für weitere Kursgewinne fehlten die notwendigen Impulse, sagte Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi. Im Gesamtmonat April legte der Index allerdings etwas zu. Experten gehen von einer weiteren Konsolidierung aus. Zudem steht der Mai vor der Tür, der oftmals ein schwächerer Börsenmonat ist.

Belastet wurde der DAX unter anderem vom schrumpfenden deutschen Bruttoinlandsprodukt zum Jahresauftakt. Wegen der Corona-Beschränkungen gab das BIP um 1,7 Prozent und damit stärker als erwartet nach. „Bislang war es der Industrie möglich, die Verluste im Dienstleistungssektor aufzufangen“, sagte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. „Damit war nun aber Schluss.“ Grund hierfür sei unter anderem der Chip-Mangel, der den Automobilbau ausbremse.

Unter den Einzelwerten richteten sich die Blicke auf das gelungene Börsendebut von Synlab. Die Papiere der Laborkette kletterten auf bis zu 20,08 Euro und damit über ihren Ausgabepreis von 18 Euro. Die Papiere waren bei der 772 Millionen Euro schweren Emission am unteren Rand der Angebotsspanne zugeteilt worden.

Im DAX sicherte sich MTU die Spitze. Der Triebwerksbauer startete trotz eines deutlichen Umsatzeinbruchs mit klar schwarzen Zahlen ins Jahr und bestätigte die Prognose. Die Aktien legten um fast fünf Prozent zu. Analysten lobten unter anderem die Entwicklung der frei verfügbaren Barmittel. Gefolgt wurde MTU von Fresenius und Bayer. Als Schlusslicht ging BASF ins Wochenende. Der Chemiekonzern hatte am Donnerstag seine Zahlen veröffentlich. Obwohl Das Unternehmen seine Jahresziele deutlich anhob, machten Anleger Kasse.

Lassen sich Börsenbewegungen immer erklären? Wenn es um kurze Zeiträume geht, so muss das bezweifelt werden. Häufig ist etwa in aktuellen Börsenkommentaren von einem -unerwarteten Anstieg der Corona-Fallzahlen in diversen Ländern die Rede, wenn schwankende oder gar fallende Kurse begründet werden. So erregt in diesen Tagen die indische Mutante des Virus Besorgnis, Viele Virologen halten jedoch die Wahrscheinlichkeit für gering, dass dieses Virus deutlich gefährlicher ist. Was aber ist mit den Kursen dann los? Womöglich verlieren Anleger angesichts der extremen Rally seit dem Herbst die Relationen aus dem Blick. Der breite US-Index S & P 500 hat seit Anfang November um fast 30 Prozent zugelegt, der DAX ist sogar noch etwas atärker gestiegen. Die Börsen sind also binnen sechs Monaten sehr stark gelaufen, es ist gewöhnlich, dass dann eine Seitwärts- und Konsolidierungsphase folgt. Ob der Mai seinem schlechten Ruf bei Börsianern 2021 gerecht wird, kann hier (noch) nicht beantwortet werden. Aber die ein oder andere Gewinnmitnahme sollte für Anleger kein Tabu sein. ​

Positive Nachrichten sind angesichts des Stimmungstiefs bei den Regierungsparteien in Berlin heiß begehrt. So durfte Wirtschaftsminister Peter Altmaier vergangene Woche erleichtert verkünden, dass das Wirtschaftswachstum in Deutschland besser ausfallen dürfte als angenommen. Angesichts eines starken Exportgeschäfts deutscher Firmen prophezeit Altmaier nun ein BIP-Plus von 3,5 Prozent. Im Januar hatte er lediglich drei Prozent veranschlagt. Die Prognose stützt auch der Ifo-Geschäftsklimaindex, der zum dritten Mal in Folge gestiegen ist, wobei aber insbesondere der Dienstleistungssektor schwächelt. Dagegen verbesserte sich das Geschäftsklima „im Verarbeitenden Gewerbe auf den höchsten Wert seit Mai 2018“, erklärt Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Der Trend zu nachhaltigen Investments an den Finanzmärkten ist unübersehbar. Das umfasst den ganzen Zirkel der Informationswertschöpfungskette: von den Geschäftsberichten der Firmen bis zu Käufern der Investmentprodukte. Die entsprechend steigende Nachfrage nach Aktien von nachhaltig orientierten Firmen schlägt sich einerseits in positiven Analysteneinschätzungen nieder, sorgt andererseits aber auch für bisher ungekannte Probleme. Das zeigt die Analyse der Analystenzitate in Leitmedien wie „Financial Times“, oder „Wall Street Journal“ zwischen Februar und April 2021. Ein Blick auf die 30 Titel, die am stärksten von Analysten besprochen wurden, demonstriert: „Volkswagen ist mit dem Strategieschwenk zur Elektromobilität zurück im Geschäft“, so Matthias Vollbracht, Leiter Research von Media Tenor International. Mit einem Saldo von positiven und negativen Wertungen von plus 20 Zählern steht das Unternehmen in den Augen der Finanzprofis nun besser da als vor dem Dieselskandal und auch besser als Tesla (plus 19). Noch viel positiver hat sich zuletzt das Meinungsklima zur BMW-Aktie entwickelt (plus 64). Erwartungsgemäß kritischer sehen die zitierten Finanzexperten Unternehmen wie BP (minus 31) oder Petrobras (minus 23). Verlierer im Meinungsklima unter den Top 30 besprochenen Aktien ist Blackrock. Der Fondsriese bekommt die überhitzte Nachfrage nach Nachhaltigkeitsaktien zu spüren, der nur ein (zu) kleines Angebot gegenübersteht. Abgestürzt ist auch das Analystensentiment gegenüber der Großbank Credit Suisse im Zusammenhang mit den Greensill- und Archegos-Skandalen. Hier vermissen die Analysten ein nachhaltiges Risikomanagement. Insgesamt wurden 10 396 Aussagen ausgewertet.


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Kommentare ( 4 )

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Klaus D
2 Jahre her

wie dreist ist das denn….Merkel hat das auch so gemacht nur hat sie das über massive steuererhöhungen finanziert….das freut die börsen denn dann kommt viel geld ins spiel…

Bernd W.
2 Jahre her

Der Greis im Oval Office müht sich redlich, das muss man durchaus anerkennen.
Doch auch er ( wie alle anderen!) hat eben keine Notenpresse im Keller, die echtes Geld drucken kann. Die Fantastilliarden, die weltweit für Konjunkturprogramme und gesellschaftlichen Umbau generiert werden, sind nichts als heiße Luft; ebenso die völlig von der Realität abgekoppelten Börsenwerte.
Man kann halt nicht mal eben große Teile der Weltwirtschaft für bald 2 Jahre stilllegen, und dann ohne große Schäden da wieder rauskommen.
Die Verarmung klopft auch bei uns schon leise an viele Türen, doch (fast) alle hören weg…

friedrich - wilhelm
2 Jahre her

……mir ist die substanz vieler börsennotierter unternehmen bekannt, daher sind meine gewinnaussichten auch nicht übergroß! viel größer sind sie mit direkten beteiligungen, und dabei strebe ich mindestens ein viertel an. edelmetallfördernde und -verarbeitende unternehmen habe ich vermehrt im besitz. dazu kaufe ich immobilien an orten hinzu in denen ich schon beheimatet bin. meine ranch in südamerika habe ich um weitere 170000 ha erweitert! weinberge in südtirol und österreich etwas vergrößert. in österreich und südtirol habe ich noch marillenbäume gepflanzt. vielleicht mache ich dort noch jeweils eine kleine brennerei auf! meine frau wird sich ganz aus der leitung ihrer krankenhäuser zurückziehen… Mehr

andreask90
2 Jahre her

Erklärt sich der Kursanstieg unter Biden vielleicht damit, dass nach Zulassung der Impfstoffe massiv geimpft wird, die Zahlen der Corona-Toten der Realität angepasst werden, immer mehr Staaten den Lockdown beenden?
Sind das Bidens Verdienste?
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