Die erwartbare Zinswende der FED und ihre Auswirkungen auf Europa

Die US-Notenbank könnte früher als bislang geplant beginnen, ihre Anleihebestände zu reduzieren. Sollte die FED tatsächlich Ernst machen, dürfte das auf längere Sicht die Teuerung in der Eurozone weiter verschärfen. 

IMAGO / Kyodo News
Zentrale der Federal Reserve in Washington D.C.

Die FED erwägt einen noch schärferen Schwenk hin zu einer weniger expansiven Geldpolitik. „Einige Teilnehmer merkten auch an, dass es angemessen sein könnte, relativ bald nach Beginn der Anhebung des Leitzinses mit der Verkleinerung der Bilanz der Federal Reserve zu beginnen“, heißt es in einem FED-Protokoll über Verhandlungen vom 14. und 15. Dezember, aus dem Reuters zitiert. Die Notenbanker bedenken also, das 8,8 Billionen schwere Wertpapierportfolio der FED zu reduzieren. Bislang war geplant, die Anleihekäufe von 120 Milliarden Euro schrittweise bis Mitte 2022 auf null zu senken. Außerdem standen drei Zinserhöhungen von je 0,25 Prozent für dieses und kommendes Jahr im Raum sowie zwei Erhöhungen im Jahr 2024. Der Leitzins würde also bis Ende 2022 auf 0,75 bis 1 Prozent ansteigen und bis zum Jahr 2024 auf 2 bis 2,25 Prozent. Derzeit liegt er in der Spanne von 0 bis 0,25 Prozent.

Gleichwohl: Die sogenannte Zinswende dürfte kein großer Wurf in puncto Inflationsbekämpfung werden. Glaubt man den Zahlen des US-Ökonomen John Williams, der die US-Teuerungsrate nach der Berechnungsweise von 1980 misst, dann liegt bereits jetzt die wahre Verbraucherpreisinflation bei rund 15 Prozent. Das wäre so hoch wie Ende der Siebziger Jahre, als der damalige FED-Chef Paul Volcker den Leitzins auf fast 20 Prozent anhob, um die Teuerung in den Griff zu bekommen. Volcker konnte sich damals wohl auch durchsetzen, weil die öffentlichen US-Schulden gerade einmal 900 Milliarden US-Dollar betrugen. Heute gibt es dafür – angesichts von Rekordschulden und einer zunehmend zombifizierten Wirtschaft – kaum mehr Unterstützer. Bei Volckers Zinswende stiegen die Anleihezinsen auf 10-jährige US-Staatsanleihen von 9 auf knapp 15 Prozent. Das würde der aktuelle US-Haushalt nicht lange verkraften – allein im Corona-Jahr 2020 stiegen die Staatsschulden um knapp 5 Billionen auf 28 Billionen US-Dollar.

Crash- und Inlfationsrisik0
Der FED bleiben zwei Möglichkeiten, die aber letztendlich auf das gleiche Szenario hinauslaufen. Entweder sie erhöht im kommenden Jahr tatsächlich die Zinsen – oder sie tut trotz des öffentlichen Erwartungsdrucks nichts und reduziert bloß weiter die Anleihekäufe. Im ersten Szenario ist eine kleine Korrektur an den Börsen in den kommenden Jahren wahrscheinlich. In den vergangenen 20 Jahren folgten auf Zinserhöhungszyklen der FED immer wieder Börsencrashs und Rezessionen– etwa 2000, 2008 und 2020. Der darauffolgende Zinserhöhungszyklus endete auf einem immer niedrigeren Zinsniveau. Bei einer Zinserhöhung könnte in den kommenden Jahren eine kleine Korrektur an den Börsen kommen – vielleicht um 20 oder 30 Prozent – woraufhin die FED wiederum die Zinsen auf null senken und die Geldmenge ausweiten dürfte.

Dieser Prozess dürfte in einer Stagflation und schlussendlich in einer massiven Umverteilung von Vermögen enden, etwa in sehr hoher Inflation. Denn die ungedeckte Geldschöpfung des Bankensystems verzerrt die Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft massiv. Der künstlich gesenkte Zins verleitet die Bürger dazu, weniger zu sparen und mehr zu konsumieren. Gleichzeitig reicht das Bankensystem die Kredite aus dem Nichts vor allem an Produktionsgüterindustrien aus. Das knappe Kapital wird also von der Konsum- und Produktionsseite überbeansprucht. Das geht solange gut, wie sich die Geldschöpfung stetig beschleunigt. Schlussendlich gibt es aber laut dem Ökonomen Ludwig von Mises keinen Weg, den finalen Kollaps zu verhindern: „Die Frage ist nur ob die Krise früher durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion kommen soll, oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems.“

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Für die Verbraucher in der Eurozone sind die FED-Pläne keine gute Nachricht. Wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar abwertet, importieren sich die Euro-Länder Inflation (TE berichtete). Zuletzt stiegen die Importpreise in Deutschland ohnehin auf ein 48-Jahres-Hoch. Wer Güter aus dem Ausland kaufte, zahlte innerhalb eines Monats 3,0 Prozent mehr und innerhalb eines Jahres 24,7 Prozent. Ohne die Energiepreise lag der Anstieg bei 1,0 beziehungsweise 12 Prozent. Während Exporteure profitieren, werden Importeure benachteiligt. Allein im Jahr 2020 kauften letztere Waren im Wert von knapp 68 Milliarden Euro aus den USA.

Laut dem US-Volkswirt Steve Hanke steht die Eurozone momentan aber noch besser da, als die USA. Der Professor der John-Hopkins-Universität hat in einem Fachartikel den Geldüberhang berechnet, der in den kommenden zwei Jahren die Preise in zehn entwickelten Ländern erhöhen wird. Hohe Inflation erwartet er bloß in den USA und Israel, etwa werde die US-Inflation bei 5 bis 6 Prozent pro Jahr liegen. Für die Eurozone rechnet er mit 2,5 bis 3 Prozent, wobei Deutschland etwas darüber liegen dürfte, wie der ehemalige Reagan-Berater und Hyperinflationsexperte erklärt. Doch Hanke könnte zu optimistisch schätzen. Etwa forderten der französische und der italienische Staatschef erst vor Weihnachten, die Schuldenregeln in der EU weiter aufzuweichen. Derzeit sind diese aufgrund der Corona-Krise ausgesetzt. Außerdem deutet sich ein teurer Umbau der Wirtschaft hin zu sogenannten Klimaneutralität an. Robert Habeck hat sich bereits im Mai dafür ausgesprochen, dass die EZB diesen Prozess geldpolitisch unterstützt.


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Kommentare ( 9 )

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IJ
2 Jahre her

Man muß jetzt als Sparer die richtigen Konsequenzen ziehen und soweit wie möglich Euro-inflationssicher anlegen. Wer Anlageformen im Rohstoffbereich wie Gold scheut, sollte in Aktien-Substanzwerte aus dem angelsächsischen Raum anlegen, wobei Großbritannien noch interessanter als die USA sein könnte. Immerhin war die britische Zentralbank die erste der weltweit führenden Zentralbanken, die kürzlich die Zinsen erhöht hat.

Last edited 2 Jahre her by IJ
Thorsten
2 Jahre her

Die FED hat das gleiche Schuldenproblem wie die EZB. Wenn sie die Zinsen erhöht, dann kommen die Staatsfinanzen (der USA) ins Wanken.
Wobei die FED die bessere Ausgangsbasis einer stärker marktorientierten, größeren und wettbewerbsorientierten Währungssystem hat. Noch dazu ist es Weltleitwährung, besonders in Asien.
Selbst bei kleineren Erhöhungen wird der Euro ins Taumeln kommen. Ich rechne mit maximal 2 Trippelschritten nächstes Jahr. Es könnte noch weniger werden, wenn ein erster Schritt schon große Auswirkungen zeigt.
Die EZB steht vor einer Bewährungsprobe. Ich würde es als „Krise“ bezeichnen.

Rosalinde
2 Jahre her

Ich würde sagen: zum Glück gibt es die Inflation!
Ohne diese könnten Lagarde & Co. endlos so weiter machen.

butlerparker
2 Jahre her

Die USA können die Zinsen sehr wohl erhöhen, ohne die Wirtschaft nachhaltig zu belasten. Hier möchte ich H. Huber, dem ich ansonsten für den informativen Artikel herzlich danken möchte, widersprechen. So lange der $ die Weltwährung ist, so lange können sie theoretisch unbegrenzt diesen drucken. Die US Wirtschaft ist auch wesentlich stabiler als die Euro Zonen Wirtschaft, weil sie mehr verbraucherorientiert aufgestellt ist und weniger exportorientiert. Von daher ist sie auch pol. Krisen wie jetzt gegenüber RUS oder China weniger empfindlich. Zumindest gehen doch die Schritte der FED in die richtige Richtung, während Mme Lagard dem guten Erdogan nacheifert und… Mehr

Berlindiesel
2 Jahre her

Ich vermeine einen weiteren Grund für die weltweite Schulden- und Geldmengenausweitungspolitik zu sehen. Szenarien, wie wir sie seit den 2000ern erleben, wären früher mit Kriegen, und angesichts der weltweiten Verwicklungen und Überschuldungen, auch mit einem Weltkrieg aufgelöst wordem. Spannungeh und Interessengesätze, wie zwischen China und den USA oder Europa und China bzw, dem islamischen Raum gäbe es genug, um daraus Kriegsgründe zu konstruieren – in Syrien war man ja schon nahe dran, Taiwan wäre eine weiterer. So wie es 1914 und 1939 oder präziser 1917 und 1941 mit dem Kriegseintritt der USA geschah. Ansgesicht der Atiombombe sind Weltkriege oder Kriege… Mehr

Ticinese
2 Jahre her

Weltweit Schuldenpolitik bis zum Anschlag. In den USA und in der Eurozone zeigt die Inflation ihre hässliche Fratze, in China ist der Immobilienmarkt am kollabieren. Kann der final crash des Fiat-Geldsystems überhaupt noch aufgehalten werden?
Und die zerstrittene EU dürfte dabei die schlechtesten Karten haben. Die 2020er-Jahre könnten durchaus enden wie die 1920er: Weltwirtschaftskrise, politischer Umsturz und im schlimmsten Fall Krieg.
Das goldene Zeitalter mit all seinen Illusionen scheint wohl am Ende der Fahnenstange angekommen.
 
 

Prometheus
2 Jahre her

Die FED kann die Zinsen nicht erhöhen. Ich bin jedes Mal wieder darüber erstaunt, wie naiv die Leute sind. Und jedes Mal fallen sie wieder drauf rein. Bei einer Zinserhöhung werden folgende Dinge passieren: -Zahlungsunfähigkeit der USA -Zahlungsunfähigkeit von in USD verschuldeten Schwellenländern -Implosion des amerikanischen Immobilienmarkts -Pleiten von Zombieunternehmen -Kreditausfälle bei Banken durch Zombieunternehmen -Bankenpleiten -Implosion der amerikanischen Wirtschaft und der in USD verschuldeten Schwellenländer -Implosion der Derivatblase -Börsencrash und dadurch noch mehr Unternehmenspleiten, da der dynamische Verschuldungsgrad dann in die Höhe schnellt In jedem Fall kommt es zu einem wirtschaftlichen wie auch finanzwirtschaftlichen Totalzusammenbruch. Erst weil man seit… Mehr

StefanB
2 Jahre her

Dazu: „Auf die Frage nach den Auswirkungen von Negativzinsen auf die Sparer sagte Lagarde, sie (die Sparer, Anm. d. Red.) sollten darüber nachdenken, um wie viel schlimmer die Situation wäre, wenn die EZB die Zinssätze nicht so stark gesenkt hätte. “Würden wir uns heute nicht in einer Situation mit viel höherer Arbeitslosigkeit und einer weitaus geringeren Wachstumsrate befinden, und ist es nicht wahr, dass wir letztendlich das Richtige getan haben, um für Arbeitsplätze und Wachstum zu sorgen, anstatt Sparer zu schützen?”, fragt Lagarde.“* —> So haben wir zwar – zumindest in D – eine relativ geringe Arbeitslosigkeit, aber dafür Arbeitsplätze… Mehr

Babylon
2 Jahre her

Euroland dürfte innerhalb der EU etwas schlechter fahren als die Nicht-Euroländer wie etwa Polen, Tschechien und andere, die noch unabhängige Notenbanken haben und damit mehr Spielraum in der Zinsgestaltung. Insofern wären für Anleger z.B. noch tschechische Staatsanleihen von gewissem Intereesse auch in Hinblick auf Bewertungen des Euro auf den Devisenmärkten, falls die Zinsen in den USA steigen, was für den Euro so ziemlich ausgeschlossen ist, alleine schon aus Gründen der Staatsfinanzierung verschiedener Südländer der Eurozone durch die EZB.

Last edited 2 Jahre her by Babylon