Die Börsen sehen den Wahlsonntag entspannt

Lediglich ein geopolitisch bedeutsamer Event scheint derzeit genügend negative Energie entfalten zu können, um die Anleger für mehr als nur wenige Tage aus ihrer entspannten Komfortzone zu vertreiben. Schon am Freitag vor der Frankreich nahm ein Dax-Rekord das Ergebnis vorweg.

© Jean-Francois Monier/AFP/Getty Images

Was kommt nach diesem Sonntag? Gewinnt Marine Le Pen die Stichwahl um das französische Präsidentschaftswahl, und danach sieht es nicht aus, droht den Märkten, die Emmanuel Macron favorisieren, ein herber Rückschlag. Die Ergebnisse der Wahl sprechen für Micron – vorerst. Doch wie gut stehen die Chancen, dass die Rally der vergangenen Wochen im Fall eines Sieges von Macron weiterläuft? Es dürfte jedenfalls kaum so stürmisch weiter nach oben gehen. Die Märkte dürften sich vielmehr wieder auf andere Themen fokussieren. Etwa auf die Notenbankpolitik. In den USA hat die Fed sich angesichts des konjunkturellen Aufschwungs eine Zinserhöhung im Juni vorbehalten. Das ist zumindest ein kleiner Dämpfer. Und auch EZB-Präsident Mario Draghi könnte sich nach dem Sonntag angesichts des Aufschwungs in Europa klarer in Richtung einer allmählichen Drosselung des Geldstroms positionieren.

Die Bilanzsaison läuft in den USA wie in Deutschland gut. Nach den US-Börsen erreichen nun auch europäische Aktienindizes neue historische Höchststände. Aber stehen Kurse und Anlegerstimmung im Einklang miteinander? Der Stimmungsindex des Investmenthauses Apano registriert seit einem Jahr eine höchst stabile und nahezu durchgängig zuversichtliche Verfassung der Gemütslage der Anleger. Auffallend waren lediglich drei Ausreißer: Ende Juni 2016, Anfang November 2016 und unlängst Mitte April 2017. In allen drei Fällen rauschte der Stimmungsindex wegen politischer Events kräftig nach unten, allerdings nur, um sich ebenso schnell und in gleichem Ausmaß wieder zu erholen. Die Notenbanken scheinen hingegen etwas an Einfluss auf die Anleger zu verlieren. Auch die täglichen Konjunkturmeldungen beeinflussen das Sentiment der Investoren nur sehr kurzfristig. Fazit: Lediglich ein geopolitisch bedeutsamer Event scheint derzeit genügend negative Energie entfalten zu können, um die Anleger für mehr als nur wenige Tage aus ihrer entspannten Komfortzone zu vertreiben.

Wer ein Beispiel sucht, wie aus Partnern schnell Gegner werden, muss nur die Eskalation rund um den Brexit betrachten. Weniger als ein Jahr ist es her, dass die Briten für den Austritt aus der EU gestimmt haben. Bisher sind zwar noch nicht einmal die Brexit-Verhandlungen eingeläutet worden, die Emotionen aber kochen jetzt schon hoch. Erst blockierten die Briten die EU-Haushaltsverhandlungen, dann kamen Details eines Dinners von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Großbritanniens Premier Theresa May an die Öffentlichkeit. Diese drohte vergangene Woche, dass sie für Juncker „bei den Verhandlungen eine verdammt schwierige Frau“ sein werde. Die Europäer dagegen winken mit einer Austrittsrechnung für die Briten, die sich auf 100 Milliarden Euro belaufen soll. Zuvor lag die Forderung noch bei 60 Milliarden Euro. Eines werden die Streitigkeiten aber erreichen. May dürfte mit der konservativen Partei bei den Parlamentswahlen am 8. Juni wohl besser abschneiden als ohnehin erwartet. Dies zeigte sich schon vergangene Woche bei den Kommunalwahlen auf der Insel, bei der Mays Partei als klarer Sieger hervorging.

Griechenland darf sich auf neue Finanzhilfen freuen. Es geht um gut sieben Milliarden Euro aus dem dritten Rettungspaket. Die Regierung in Athen und Geldgeber des Krisenlandes einigten sich vergangene Woche auf ein neues Paket von Spar- und Reformschritten. Damit können die Finanzminister der Eurogruppe bei ihrer nächsten planmäßigen Sitzung am 22. Mai eine Freigabe der weiteren Kreditraten beschließen. Der gefundene Kompromiss sieht ein Sparpaket in Höhe von etwa 3,6 Milliarden Euro durch Rentenkürzungen und Senkung von Steuerfreibeträgen vor. Freuen dürfen sich aber auch Anleger von griechischen Staatsanleihen, deren Kurse zulegen konnten. Dennoch bleiben Papiere mit zehn Jahren Laufzeit für diejenigen interessant, die auf eine endgültige Rettung Athens wetten. Mit Renditen von sechs Prozent jährlich bieten die Anleihen immer noch mehr als vergleichbare Schwellenländer-Bonds.​

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