Fed-Chef Powell verschiebt Zinswende: Die Inflation ist „vergänglich“

Fed-Chef Jerome Powell hat vor der Notenbank-Prominenz in Jackson Hole die Zinswende nun doch auf die lange Bank geschoben. Die Aktienmärkte danken es ihm.

IMAGO / ZUMA Wire
Jerome Powell, Chairman, Board of Governors of the Federal Reserve System

Die Spannung war groß im Vorfeld des Notenbanker-Treffens in Jackson Hole und der heutigen Rede des Chefs der amerikanischen Notenbank Fed. Die Zeichen deuteten auf einen rascheren Ausstiegspfad der Fed aus der ultralockeren Geldpolitik, vor allem deshalb, weil insgesamt sechs US-Notenbankgouverneure noch in den letzten beiden Tagen einen schnellen Beginn des „Tapering“ gefordert hatten: den Ausstieg aus den hohen, dreistelligen monatlichen Wertpapieraufkäufen der Fed. Manche Marktteilnehmer hatten sogar den Eindruck gewonnen, der Fed-Chef würde heute bereits einen genaueren Ausstiegsfahrplan skizzieren.

Doch ein verschnupfter Fed-Chef spielte in seiner Rede eher auf Zeit. Zwar gebe es deutliche Fortschritte in Richtung Vollbeschäftigung in den USA, weshalb es angemessen sein könnte, in diesem Jahr das Tapering zu beginnen. Doch sonderlich eilig scheint er es nicht zu haben. Das Risiko der Delta-Variante für die wirtschaftliche Erholung breitete er als Abwehr-Argument gegen einen zu schnellen Ausstieg aus. Erstaunlich vor allem, wie er angesichts der amerikanischen Inflationsrate von 5,4 Prozent von einem nur „moderaten Überschreiten des 2 Prozent-Ziels der Fed“ fabulierte. Er nannte die Inflation „transitory“, also vergänglich, und reihte sich damit in die Rezeption von EZB-Chefin Christine Lagarde und vieler Politiker ein, die seit Monaten von einem nur temporären Inflationsdruck reden. Dass Powell den Einstieg in das Tapering auch nicht als Signal für Zinsanhebungen verstanden wissen will, erklärt, warum die Börsen ihre Rallye unmittelbar danach fortsetzten.

Spannend wird jetzt vor allem sein, ob Powells Position tatsächlich eine Mehrheit in den Gremien der Fed hat. Da gilt es jetzt, die nächste Sitzung abzuwarten. Allerdings sehen eine Reihe von Experten immer stärker die Gefahr, dass die Notenbanken die Gefahr der Inflation zu lange leugnen und zu spät aus der exzessiven Geldpolitik aussteigen. Mit der faktischen Abschaffung des Zinses haben sich die Notenbanken der Welt zu Gefangenen der Finanzmärkte und der schuldenverliebten Politiker gemacht. Die Zinsen anzuheben können sie nicht wagen, weil dann zu viele Staaten wegen ihrer hohen Verschuldung schlichtweg pleite wären. So bleibt nur, die Inflation Wegzureden in der Hoffnung, dass die Bevölkerung das auch glaubt.

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Kommentare ( 22 )

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Alexis de Tocqueville
2 Jahre her

„vor allem deshalb, weil insgesamt sechs US-Notenbankgouverneure noch in den letzten beiden Tagen einen schnellen Beginn des „Tapering“ gefordert hatten“

Ja, genau die sechs, die dieses Jahr nicht stimmberechtigt sind.
Und wenn sie es nächstes Jahr wieder sind, sind die jetzigen Aussagen nur noch kalter Schnee und Kaffee von gestern, die Welt dreht sich und so…

„Spannend wird jetzt vor allem sein, ob Powells Position tatsächlich eine Mehrheit in den Gremien der Fed hat. „

Ähm, nö, eigentlich nicht.

Sonny
2 Jahre her

Ich habe noch nie davon gehört, dass man eine Inflation einfach wegreden oder aussitzen kann, ohne dass massiver Schaden für alle Volkswirtschaften entsteht. Und ob dieser Schaden geringer ist als der Bankrott von anderen Staaten, wird sich noch zeigen.
Das zeigt mir, dass die Damen und Herren der Finanzwirtschaft schlichtweg völlig ratlos sind, wie sie aus diesem Dilemma wieder herauskommen sollen.

Thorsten
2 Jahre her

Wegen den horrenden Staatsschulden sind die Zinsen nicht anhebbar, da dies der Wirtschaft zuviel Geld entziehen würde.
Es wird wohl auf irgendwelche Taschenspielertricks hinauslaufen, dass die Zentralbanken diese Schulden übernehmen und dann irgendwie „endlagern“.
Eine kräftige Inflation ist unumgänglich, weil durch die Geldentwertung die Sparer ihre Geldguthaben nur zum Teil in Realwerte umsetzen können.
Tipp: kaufen sie Goldminen und Immobilienaktien-ETFs

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Nun, von hoher Inflation warnen Endzeit-Propheten aber schon seit über 10 Jahren und bis auf das letzte Jahr, war diese niedrig. So lange das frische Geld in die Investments gepumpt wird, steigen nur die Asset-Preise an und nicht die Preise für alltägliche Güter.
Goldminen sind seit mindestens 20 Jahren ein sehr lausiges Investment. Alleine in den letzten zwei Monaten ist der Goldminen-Index, GDX, um gut 20% eingebrochen.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  Rafael

Naja, der Cantillion Effekt. Erst Asset-Blase, dann irgendwann Erzeugerpreise, und dann recht schnell die Verbraucherpreise…
Die Asset Preise kann man nicht ewig aufpumpen, ohne dass es Einfuss auf die Realwirtschaft hat. Stichwort Mieten.
Rechnen Sie doch nur mal den Kauf einer Mietwohnung zur Geldanlage durch.
Bedenken Sie auch, dass der Grundstein der Weimarer Hyperinflation schon im WK I. gelegt wurde.

jo1486
2 Jahre her

Ich denke nicht das es bei der Notenbankpolitik noch vorrangig um die Finanzmärkte geht. Einen Leitzins von 1-2% würde wohl kaum eine der rund 9000 weltweiten Aktiengesellschaften in den Abrgrund schicken. Sicher, die Finanzmärkte würden kurzzeitig einbrechen, aber die Realwirtschaft, und dafür steht die Börse noch immer, würde es verkraften. Selbst Tech-Konzerne bringt eine moderate Zinserhöhung nicht um. Es geht um etwas anderes: Wir erleben einen Paradigmenwechsel, vom FED-Put in den Gov-Put (George Gammon). Wir erleben nun ein exorbitantes Fiscal Deficit Spending durch die Notenbanken, um immer gewaltigere Staatsausgaben für Klima-, Wohlfahrts- und Rentenausgaben zu stämmen, die wir uns bereits… Mehr

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  jo1486

„Selbst Tech-Konzerne bringt eine moderate Zinserhöhung nicht um.“ Gerade die nicht. Klar, die jungen hochverschuldeten Wachstums- Techunternehmen kriegen mächtig auf die Mütze. Die schwachsinnigen Wasserstoff und Cannabisklitschen, gehypte Pennystocks, SPACs, Meme Aktien, die kassieren mächtig Prügel. Und so manche werden nicht mal überleben. Spielt aber von der Marktkapitalisierung gar keine Rolle. Big Tech geht sicher nicht Richtung Abgrund. Man schaue sich nur die Bilanzen von Facebook oder Google an. Ich fang an zu sabbern, wenn ich so ne Bilanz sehe. Und die zig Milliarden Cash-Berge auf denen allein Apple sitzt… was Besseres als eine Zinserhöhung kann da gar nicht passieren.… Mehr

Peter Gramm
2 Jahre her

Tja, die Zinsen können sich auch die Amerikaner nicht schnitzen. Langsam dämmert es auch ihnen – je mehr Länder sich vom US Dollar Diktat abwenden um so dünner wird die Luft des immer wackligeren Dollars. Zunehmend wird es auch immer schwieriger Partner für die Kriegsabenteuer zu finden. Vor allem dann wenn sie so von „Erfolg“ gekrönt sind wie momentan in Afghanistan.und sich darüber hinaus Nato Partner mit russischen Waffen eindecken. Alles eine sehr schwierige Gemengelage.

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Peter Gramm

Ich sehe nicht, dass der Dollar wackelt, bzw. in den nächsten 10 Jahren als Leitwährung abgelöst wird. Keinen Cent würde ich darauf wetten.

Babylon
2 Jahre her

Zinswende? Geht nicht mehr. Der Zug ist abgefahren. Aktien Richtung Norden, Gold noch stärker.

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Babylon

Gold steht gerade in etwa dort, wo es vor 10 Jahren schon stand, als die Bilanzen der Notenbanken viel kleiner waren. Besser kann man nicht beweisen, dass Gold ein mieses Investment ist. Als Powell das letzte Mal gesprochen hat, ist es innerhalb weniger Tage von 1.900 auf 1750 gefallen. Mit Gold hat man ein Asset in der Hand, dass der FED Präsident mit ein paar Worten zum crashen bringen kann. Mir wäre mulmig, wenn meine Ersparnisse in so einem risikoreichem, volatilem Asset investiert wären.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  Rafael

Es ist Bargeld, kein Investment. Gold wird noch wertvoll sein, wenn es Euro und Dollar gar nicht mehr gibt. Betrachten Sie Gold nicht als Investment, sondern als eine Währungsspekulation, die langfristig (nämlich über Generationen) immer zugunsten von Gold ausgeht. Wie Gold in Dollar steht, ist da etwa so relevant wie sein Preis in Rentenmark. Aber eine Goldmark ist immer noch eine Goldmark. Selbst wenn sein (offizieller) Preis in Dollar auf Null fällt, weil es wieder verboten wird, dem physischen Gold ist das völlig egal. Wenn Sie Ihre Ersparnisse in Papiergold haben, sollte Ihnen mulmig sein. Das ist nur ein Versprechen,… Mehr

Iso
2 Jahre her

Die Inflation ist niemals vergänglich. Was in diesem Jahr 10% teurer wird, wird in Zukunft nicht billiger. Vielleicht ist die Inflation im nächsten Jahr „nur“ bei 8%. Aber das sind dann neue 8%, die sich mit den 10% von diesem Jahr summieren. Gut ist, dass es zum schlechten Staatsgeld beste Alternativen gibt.

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Iso

Nicht unbedingt: es kann auch eine Verknappung durch Lieferprobleme sein.

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Iso

Sehen Sie sich zum Beispiel den Holzpreis an. Ein schönes Beispiel für vergängliche Inflation. Der Preis ist mittlerweile auf vor Corona Niveau gefallen.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  Rafael

Und von dort steigt er jetzt. Nicht auf den nach-corona peak, aber er er wird steigen. Wie alle Rohstoffpreise.
Möchten Sie um einen Kasten Bier wetten? Ich zahle, wenn der Preis gleich bleibt oder fällt, Sie, wenn der Kasten morgen teurer ist.

Thrym
2 Jahre her

Die momentanen Zinssätze samt heißlaufender Geldpresse sind im Grunde nichts weiter als eine Zusatzsteuer für Uninformierte.
Man muss sein Vermögen nicht in Dollar oder Euro stecken. Noch kann man anonym Edelmetalle, Kryptowährungen, Kunst, Oldtimer, seltene Autogramme oder ähnliche nicht beliebig vermehrbare Sachwerte kaufen.
Und nein, Gold, Immobilien oder Aktien sind gerade nicht „schon sehr teuer“. Eine Wohnung oder der DAX kosten heute ähnlich viel in Gold wie vor 20 Jahren. Euro und Dollar werden einfach wertloser.

Thorsten
2 Jahre her
Antworten an  Thrym

Eine Art Vermögenssteuer: in einem Jahr ist ihr Vermögen 3% weniger wert …

Thrym
2 Jahre her
Antworten an  Thorsten

Allerdings eine Vermögenssteuer, die nur die unteren Schichten trifft. Kein reicher oder Wohlhabender Mensch besitzt hohe Summen (Bar)Geld.

Rafael
2 Jahre her
Antworten an  Thrym

Inflation ist eine Steuer, das stimmt. Aber Gold ist ein mieses Investment, dass nicht vor Inflation schützt. Der Goldpreis dümpelt vor sich hin und ist letztes Jahr von fast 2.100 Dollar auf 1.800 gefallen, teilweise auf 1650. Gold steht heute in etwa dort, wo es vor 10 Jahren stand. Und keiner weiß, ob es nicht noch 10 Jahre so weiter geht.

Alexis de Tocqueville
2 Jahre her
Antworten an  Rafael

Gold ist gar kein Investment. Und das war es auch noch nie. Es war immer Geld. Sie bekommen für eine Unze Gold heute einen vergleichbaren Gegenwert wie vor Jahrtausenden. Damals wars ein Esel, heute ein Moped. Eine gute Toga, ein guter Anzug. Ein gut geschmiedetes Messer, ein… Rasenmäher meinetwegen. Ist doch egal, wie Gold steht oder vor zehn Jahren stand. Oder vor oder in zwanzig Jahren. In zwohundert Jahren gibts Gold immer noch, und es steht in Euro unendlich, weil der Euro weg ist. Gold wird seinen Wert erst verlieren, wenn die Goldmenge inflationiert. Also wenn wir es massenhaft zu… Mehr

Kraichgau
2 Jahre her

letztens war erst ein Artikel zu lesen in der Welt? das die guten US-Bürger wieder beginnen,angesichts der steigenden Immobilienpreise sich wieder mittels Hypotheken darauf zu verschulden..2008 2.0…
aber es interessiert mich weiterhin,wie die Besitzverhältnisse dieser Privatbank(von wegen „Federal Reserve“) nun eigentlich sind.
Die schweben ja ebenso im luftleeren Raum wie „unsere“ überführte Gesetzesbrecherin Lagarde…