Auswirkungen auf Wirtschaft: Weitere „Gewinnwarnungen“ durch Corona befürchtet

Börsennotierte deutsche Unternehmen haben 2019 deutlich mehr Gewinn- und Umsatzwarnungen angezeigt als im Vorjahr. Aufgrund des Corona-Virus beziehungsweise der Maßnahmen dagegen erwartet die Unternehmensberatung EY viele Prognosekorrekturen in diesem Jahr.

Ralph Orlowski/Getty Images

Die Zahl der Gewinn- und Umsatzwarnungen hat in Deutschland im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht: Die 306 im Prime Standard gelisteten Unternehmen veröffentlichten insgesamt 171 Gewinn- oder Umsatzwarnungen – ein Anstieg um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Nur im DAX ging die Zahl der Warnungen zurück: von 16 auf elf. In den übrigen Indizes wurde hingegen deutlich häufiger vor schlechten Zahlen gewarnt als im Vorjahr.

Erstmals seit dem Jahr 2014 lag die Zahl der Unternehmen, die ihre eigenen Ziele verfehlten, zudem höher als die Zahl derer, die sich besser als angekündigt entwickelten: Insgesamt 125 positive Gewinn- oder Umsatzerwartungen wurden veröffentlicht – weniger als im Vorjahr, als noch 137 Mal die Prognosen nach oben korrigiert wurden. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie von Ernst & Young (EY). „2019 war ein sehr schwieriges Jahr für viele deutsche Unternehmen. Die Aussichten waren zwar ohnehin nicht übermäßig positiv – tatsächlich entwickelten sich die Geschäfte aber vielfach noch schlechter als erwartet“, beobachtet Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Die weltweite Konjunktur hat deutlich an Kraft verloren, der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt sorgte an den Börsen für zusätzliche Unsicherheit.“ Bemerkenswert sei allerdings die immer noch recht hohe Zahl an Aufwärtskorrekturen, betont Marc Förstemann, Partner bei EY in der operativen Restrukturierungsberatung: „Die Industrie steht zwar enorm unter Druck – auf der anderen Seite machen aber beispielsweise Immobilienunternehmen, Pharmakonzerne und spezialisierte Technologieunternehmen nach wie vor gute Geschäfte – und übertreffen sogar ihre eigenen Prognosen. Wir sehen also nach wie vor keine flächendeckende Krise.“

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Auto-Verkauf in China bricht ein
Die meisten Warnungen kamen im vergangenen Jahr aus der Automobilbranche: Zehn der zwölf börsennotierten Autokonzerne beziehungsweise -zulieferer mussten ihre Prognosen nach unten korrigieren. „Die weltweite Autokonjunktur entwickelt sich schwach, die technologischen Herausforderungen sind enorm“, sagt Förstemann. Besonders die Jahre 2020 und 2021 werden eine erhebliche Herausforderung für die Branche darstellen, da die ambitionierten CO2-Vorgaben der EU-Kommission erreicht werden müssen – sonst drohen hohe Strafzahlungen. Förstemann: „Das Hochfahren der Elektromobilität kostet die Autokonzerne Milliarden. Gleichzeitig führen die Nachwehen der Diesel-Krise zu anhaltenden finanziellen Belastungen.“ Neben der Automobilindustrie erwiesen sich Branchen mit engen Verbindungen zur Automobilbranche im vergangenen Jahr als besonders anfällig – so musste gut jedes zweite Chemieunternehmen seine Erwartungen nach unten korrigieren.

Obwohl die Märkte angesichts der konjunkturellen Eintrübung eigentlich auf schlechte Zahlen vorbereitet waren, wirkten sich die „Gewinnwarnungen“ erheblich auf die Kurse aus: Im Durchschnitt sanken die Kurse am Tag der Warnung um sieben Prozent, die Gewinnziele wurden dabei um durchschnittlich 37 Prozent nach unten korrigiert. Wenn hingegen Unternehmen ein Übertreffen ihrer Prognosen ankündigten, führte das am Tag der ad-hoc-Meldung im Schnitt zu einem Anstieg des Aktienkurses um vier Prozent – was allerdings auch mit einer deutlich geringeren durchschnittlichen Anhebung des Gewinnziels um 18 Prozent korrespondierte.

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Trotz der Entspannung im chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt rechnet Steinbach mit einer schwachen weltweiten Konjunkturentwicklung im ersten Quartal. „Die Ausbreitung des Coronavirus wird neben den humanitären auch erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Der chinesische Markt ist inzwischen sowohl als Produktionsstandort als auch als Absatzmarkt enorm wichtig. Die massiven Maßnahmen der chinesischen Behörden zur Eindämmung der Krise bremsen die chinesische Wirtschaft und unterbrechen weltweite Lieferketten.“ Viele Unternehmen haben die Werksferien verlängert, der Rohstoffbedarf der chinesischen Industrie lässt nach, der Ölpreis sinkt. „Dies wird Folgen haben“, sagt Förstemann, „China dürfte als Wachstumslokomotive im ersten Quartal ausfallen – das werden wir auch in Europa zu spüren bekommen. Neben dem Transport- und dem Rohstoffsektor stehen auch Unternehmen, für die China ein wichtiger Absatzmarkt ist, vor Problemen – also zum Beispiel viele Konsumgüterhersteller und die Autobranche.“

Steinbach ergänzt: „Derartige Ereignisse können Unternehmen im Erwartungsmanagement gegenüber Analysten und Investoren nur schwer vorhersehen. Im Lauf des Jahres dürften wir daher – je nach weiterer Ausbreitung des Coronavirus – weitere Prognosekorrekturen bei börsennotierten Unternehmen sehen.“ Nicht nur die vergangenen Wochen zeigten, wie globalisiert die weltweiten Lieferketten inzwischen sind und wie anfällig. „Weltweite Lieferketten funktionieren nur, wenn alle Rädchen ineinandergreifen. Wenn aber mit China ein wichtiger Produktionsstandort ausfällt, sind die Folgen rasch auch in Europa und Amerika zu spüren – die Teileversorgung stockt, erste Werke auch außerhalb Chinas drosseln die Produktion. Nun wird hektisch nach alternativen Lieferanten gesucht – sofern es überhaupt welche gibt. Nach dem Brexit ist dies ein weiterer Fall, der zu denken geben sollte: Weltweite Lieferketten sollten nicht nur auf Kostenminimierung, sondern auch auf Flexibilität und Belastbarkeit ausgerichtet sein“, so Förstemann.


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Kommentare ( 5 )

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MakeSense
4 Jahre her

SARS-CoV 2 kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem weniger als 300 Meter neben dem bekannten Fischmarkt liegenden Biolabor der höchsten Stufe. Dass das Überspringen eines Corona Virus vom Tier auf den Menschen erfolgt, passiert alle 5-20 Jahre einmal. Dass ein Virus aus einem entprechenden Labor entkommt, ist sicher nicht um Größenordnungen weniger wahrscheinlich. Ersteres hätte irgendwo auf der Welt passieren können, vielleicht mit geringfügig höherer Wahrscheinlichkeit in China auf einem Fischmarkt (wegen der Essgewohnheiten) und der Tatsache das es eher in einer dicht besiedelten Stadt passiert als im Durchschnitt des Landes. Letzteres wird immer in der Nähe oder in unmittelbarem… Mehr

deepchomsky
4 Jahre her
Antworten an  MakeSense

Ich muss Ihrem Post leider an einigen Stellen sehr stark wiedersprechen. Viele Ihrer Behauptungen wurden entweder revidiert oder sind unbelegt. Fangen wir mit der Theorie der Biowaffe an: Es gibt starke Evidenzen, dass es sich um natuerliche Mutationen des neuen Coronavirus handelt. Der urspruengliche Bericht aus Indien ist an vielen Stellen faktisch falsch (https://asia.nikkei.com/Spotlight/Caixin/Scientists-slam-Indian-study-that-fueled-coronavirus-rumors). Es handelt sich also nach momentanen Stand nicht um eine Biowaffe. Ihre ’statistischen‘ Betrachtungen lassen viele Faktoren aussen vor und sind ausserdem extremst ungenau. Als Beispiel gehen sie davon aus, dass Forschungszentren einfach zufaellig irgendwo gebaut werden. Meistens werden diese Zentren aber dort gebaut, wo sie… Mehr

MakeSense
4 Jahre her
Antworten an  deepchomsky

Ungenauigkeiten im einstelligen Bereich sind Größenordnungsberechnungen eigen und falsifizieren diese nicht. Die unterstützenden Argumente hinsichtlich der indischen Beurteilungen sind nicht in meine Berechnung eingegangen. Ich kann deren Validität auch nicht fachlich beurteilen. Immerhin geben sie jedoch einen Hinweis, selbst wenn andere Wissenschaftler eine Gegenposition vertreten. Dass der Standort in Wuhan für ein natürliches Überspringen in gewissem Umfang relevanter ist habe ich bereits mit meinem Korrekturfaktor von 100 einbezogen. Das von Ihnen herangezogene Beispiel des Tropeninstituts, das eben dort gebaut wird, wo tropische Krankheiten am öftesten auftreten ist im Hinblick auf das Überspringen eins Virus auf natürliche Art nicht gegeben. Über… Mehr

Epouvantail du Neckar
4 Jahre her

Wer warnt da wen vor wem?

Magic
4 Jahre her

Mein Versicherungsdealer wollte mir heute einen Investmentfonds andrehen. Zeigte stolz die Performance des letzten Jahres und eine Weltkarte, auf der die Regionen grün markiert waren, wo der Fonds investiert: USA, Zentraleuropa und China. Als ich ihm sagte, Europa werde an seinen Umweltauflagen und China an Corona ersticken, guckte er mich mit einer Mischung aus Unglauben und Erschrecken an. Er konnte sich gar nicht vorstellen, das sich die Aktienmärkte anders, als in den letzten Jahren entwickeln könnten. Hab ihm geraten, sich flüssig zu machen und auf den großen Knall zu warten. Glaube, dass da jemand sehr verunsichert ins Wochenende gegangen ist…