Tatort zum 1. Mai verstrickt sich: Seilschaft

Da hat der Tatort auch am revolutionären Maifeiertag wenig Revolutionäres zu bieten. Aber die Feindbilder stimmen, selbst wenn der Großkapitalist auch mal mit einem elektrisch betriebenen SUV oder einem Ruderboot durch die Gegend braust.

© ARD Degeto/SRF/Pascal Mora

Die „gute” Nachricht vorneweg: In der Schweiz sind die Kommissare, folgt man dem Sonntagabendkrimi, etwa genauso kaputt und verpeilt wie viele ihrer deutschen Kolleginnen. (O-Ton zum übernächtigten Kollegen: “Schlafen kannst Du wenn Du tot bist“)

Da hat der Tatort auch am revolutionären Maifeiertag wenig Revolutionäres zu bieten. Aber die Feindbilder stimmen, selbst wenn der Großkapitalist auch mal mit einem elektrisch betriebenen SUV oder einem Ruderboot durch die Gegend braust. Schon zu Beginn klimpern die gefüllten Champagnergläser, und man lässt es sich bei einer Videogala unter „Investoren“ in eine vermeintlich gute Sache sehr gut gehen. Entwicklungshilfe in Afrika wird angepriesen wie ein attraktives Aktienpaket, Starmoderator James Mc Dermott (David Chrisman), der sogar im „Königshaus alle gekannt habe“ lockt Investitionen für Kleinkredit-finanzierte Kleinstprojekte mit markigen Sprüchen wie „Mehr ist mehr – und doch nur ein bisschen für Sie !“ Wie man kurz darauf erfährt, haben diese Investitionen den charmanten Effekt, dass sie die Gegenden, in die sie fließen, aufwerten und den Wert der dortigen Immobilien gleich mit. Was dazu führt, dass die „Investoren dann noch reicher werden“. Jedoch, die Parteinahme für die „Internationale Entwicklungskonferenz“ bekommt McDermott schlecht, schon tags drauf liegt er wie ein Stück Vieh mit dem Bolzenschussapparat gemeuchelt und ohne seine Zehen in seinem Hotelzimmer. Die hat Finanzmanager Dominic Mercier per Post zugeschickt bekommen. Eine Warnung ?

Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler), die zwar klimafreundlich mit dem Fahrrad zum Tatort kommt, aber gleich vorm humorlosen Nobelhotel weggeschickt wird (die mögen keine Drahtesel vor dem Haupteingang), schließt messerscharf: Wenn sich jemand soviel Mühe für einen Mord gibt, dann muss das Motiv persönlicher Natur sein. Trotzdem gibt sich das Drehbuch von Claudia Pütz und Karin Heberleich erstmal alle Mühe, den Zuschauer auf eine andere Spur zu setzen. Investitionen ziehen ja auch immer Mafiosi an, hier in der Schweiz soll es sich den Polizisten zufolge dabei hauptsächlich um Albaner und Italiener handeln, die ihre schmutzigen Einkünfte auch mal gerne in augenscheinlich humanitären Hedgefonds („Green Human Investment“) waschen. Ott und Kollegin Isabelle Grosjean (Anna Pieri Zuercher) erfahren im Schlachthof, dass man Bolzenschussapparate wie „Pizza im Internet“ bestellen kann und dass die Mafia ihre Männer gerne im Boxklub von Nina Katz (Ariane Pochon) rekrutiert. Damit niemand auf die Idee kommen kann, dass der Boxsport nur männlichen Schlägern vorbehalten ist, hat die ARD gleich eine ganze Truppe Züricher Mädels zum Sparring geschickt. (Vorsicht, das macht die Nasen platt, Anm.).

Währenddessen kann man beobachten, wie man den obersten Boss einer Versicherungsgesellschaft (Gregor Mathers, gespielt von Aaron Hitz) der übers Wasser paddelt, am besten in eine Falle lockt: Einfach einen goldenen Gummivogel im Wasser auslegen, dann hält der Finanzmogul garantiert an, um dessen Wert zu prüfen, und man (oder frau) kann ihn in Ruhe vom Kajak herunter erschlagen. Auch dem geduldigen Tatort-Fan werden, als der Tote mitsamt seines versenkten Kanus und mit einer seltsamen Bondage-Gesichtsfessel ausgestattet geborgen wird, doch Zweifel gekommen sein, ob dieser Krimi denn noch in den sicheren Hafen eines plausiblen Endes einlaufen wird. Aber nun rotiert das Steuerrad und die Autorinnen hieven den schwerfälligen Pott Drehbuch zusehends weg von der organisierten Kriminalität und dem Gelder waschenden, Organhandel betreibenden Finanzmonster, hin zum Privatleben der Ermordeten, die sich z.B. einen „crazy Lebenstil finanzierten“ (Kriminalassistent Noah Löwenherz über Mc Dermott).

Die Motive des Mörders (oder der Mörderin) bekommen einen ganz und gar neuen Hintergrund, als die Vorsteherin des Waisenhauses Sonnenhof, Ursula Schöpfer (Marietta Jemmi), die von Mercier Geld bekommen hatte, ebenfalls ermordet (Ihr wurde bei vollem Bewusstsein im Bette eine giftige Raupe in den Rachen gesteckt) aufgefunden wird. Die Dame konnte sich teure Oldtimer und Luxusuhren leisten, weil sie offenbar ihre weiblichen Schützlinge einem Missbrauchsring reicher Manager auslieferte. Eines der Opfer (Gina „Gogo“ Keller gespielt von Rabea Egg) konnte entkommen und übte aus der Obdachlosigkeit blutige Rache an ihren Peinigern, denn die Schutzpolizei war zu leichtgläubig. So geschickt stellt das Mädchen sich als privater Rächer an, dass sie auch die Frau vom Fach, die offenbar ebenfalls als Kind traumatisierte Kommissarin Ott, beim Showdown im Jachtclub übertölpelt, Mercier mit deren Dienstwaffe exekutiert und sich dann durch Suizid der Justiz entziehen kann.

Dass eines der von McDermott nach Wales entführten Waisenkinder (Zoé, gespielt von Cheyenne Tanner) zu guter Letzt zurück nach Zürich gebracht wird, kann nicht wirklich als versöhnliches Ende – und soll es wohl auch nicht – verstanden werden.

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Kommentare ( 7 )

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Melly
10 Monate her

Wer tut sich den ganzen Blödsinn noch an? ich kenne niemanden, aber ich lebe ja auch im Osten und bin doof ! Gott sei Dank !

Ferengi
10 Monate her

Nun, auch dieser „Tatort“ wurde von der ARD beauftragt, auch wenn er aus der Schweiz kam. Das SRF wird wohl kaum den Ast absägen, auf dem es sitzt und produziert halt das, was man im ARD-Irrland wünscht.

Andreas aus E.
10 Monate her

Völlig unrealistisch, reaktionäre Großkapitalisten im Elektro-SUV.
Eben bei unserem Montagsspaziergang kamen ja auch wieder welche dieser Bonzen vorbei, der Himmel war fast schwarz wegen der ganzen einfliegenden Hubschrauber, und Luft bekam man nicht wegen der zufahrenden Sicherheitsleute im schweren Diesel, geschweige denn einen Parkplatz, aber das Schlimmste war, daß die, die selbst nicht fliegen oder fahren mußten, einem am Aktionsstand das Bier weggesoffen haben.

Last edited 10 Monate her by Andreas aus E.
Querdenker73
10 Monate her

Gegenderte „Tatorte“ mit „Produktplazierung“ (früher: Schleichwerbung) haben bei mir keine Chance mehr. Völlig egal, wie woke die Ermittler und (natürlich) kaputt deren Ehen sind. Abschied vom überalterten Weltbild. Lesbische Weltbilder dominieren. Linke Gewalt darf nicht thematisiert werden, obwohl sich hier unendlich viele Themen umsetzen ließen. Damit würde sich kein Drehbuchautor selbst in’s Abseits schießen…Frauen sind grundsätzlich die besseren Ermittler. Und die neueren Ermittlerkombinationen weiß – schwarz (pardon: Natürlich schwarz – weiß) versprechen 100% Aufklärung. Polizisten werden oft als -na sagen wir mal- einfältig dargestellt. Volkserziehung auf unterster Ebene! Gähn..

ekki
10 Monate her

wer schaut noch tatort??? ich habe bis vor ca. 10 jahren die meisten tatorte gesehen, mich dann aber komplett aus den gez medien ausgeklinkt. bei zuvielen tatort-sendungen scheint es den machern um die „richtige“ message zu gehen, nicht um eine packende story. da gucke ich mir viel lieber die alten tatorte aus den 70er ,80er und 90er jahren an, interessante zeitdokumente ohne politische erziehung. respekt für die leidensfähigkeit des autors, aber es wäre sinnvoller, die zeit anders zu nutzen und die einschaltquoten der ard etc. zu senken.

cernunnos
10 Monate her
Antworten an  ekki

Ich kenne jetzt die alten Tatorte nicht. Aber ich habe viel Derrick gesehen. Und wenn man etwas genauer hinschaut, sind viele Folgen genauso durchzogen von einem erzieherischen Gedanken. Was möglicherweise bei einem Krimi nicht ganz ausbleiben kann, liegt ja am Genre, aber ganz so harmlos war das alles dann auch wieder nicht. Nicht so mit dem Holzhammer wie heute, aber dennoch.

ekki
10 Monate her
Antworten an  cernunnos

ich habe die tage ein paar alte derrick folgen gesehen, gegen die neuen tatorts ist das harmlos. am liebsten ist mir aber der kommissar mit eric ode und richtig guten schauspielern. auf jeden fall ging es da noch um die fälle…