Ausdauerjagd auf Döpfner

Seitdem Julian Reichelt seinen Posten als Chefredakteur bei „Bild“ räumen musste, mehren sich die Angriffe auf Springer-Chef Mathias Döpfner. Er soll „rechten Kräften“ Vorschub geleistet haben. Der historische Hass gegen Springer als unabhängigen Verlag ist offenbar seit 1968 ungebrochen.

IMAGO / Sven Simon

Wenn der Kampagnenjournalismus tobt, dann ist die mediale Treibjagd nicht fern. Der Vorwurf richtete sich in der Vergangenheit nicht immer, aber häufig gegen die Bild-Zeitung. Die Stimmung gegen Springer hat sich seit den Studentenunruhen kaum verändert; sie lebte nur latent und hinter der Maske intellektueller Überlegenheit fort, indes man innerlich immer noch dem Motto frönt, Springer am besten zu enteignen. Schon vor der Reichelt-Affäre manifestierte sich etwa in den sozialen Medien das Hashtag #HaltDieFresseSpringerPresse als Wiederauflage längst vergangener Revolutionschöre.

Dieselben Personalien, die eine Millimeterverschiebung des Diskurses weg von der linken Meinungshegemonie als mögliche Errichtung eines „Vierten Reiches” denunzieren, sind sich gleichzeitig einig, dass eben dieser vermeintliche Platzhirsch des linksfeindlichen Journalismus beseitigt werden muss. Man lebt in der paradoxen Weltsicht, einerseits als beherrschender „Gatekeeper“ zu bestimmen, was gesagt werden darf und was nicht, führt sich andererseits als Rebell gegen ein imaginäres konservatives Establishment auf, das nur noch aus einem einzigen Mitbewerber besteht.

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In Mathias Döpfner erkennt diese Meute ihren Platzhirsch – allein schon seiner physischen Erscheinung wegen. Er dient als Projektionsfläche angesichts ausbleibender, ebenbürtiger Konkurrenten. Dass der angebliche Platzhirsch in den Massenmedien tatsächlich ein ideologisches Einhorn ist, könnte das Narrativ zerstören. Einer der komischen Höhepunkte dieses Kampfes: die Tagesschau-Sprecherin Caren Miosga spricht von der „Macht der Bild-Zeitung“. Eine Tagesschau-Sprecherin, deren öffentlich-rechtlicher Rundfunk 9 Milliarden Euro jährlich aus Bürgerhand erhält, von denen mehr als 6 Milliarden allein auf die ARD entfallen – dem größten nicht-kommerziellen Programmanbieter weltweit.

Seit der Causa Reichelt schallt das Halali durch den medialen Wald. Doch es handelt sich um keine Treibjagd – sondern eine Ausdauerjagd. Eine Ausdauerjagd treibt das Tier bis zur Erschöpfung. Es handelt sich um die brutalere, rücksichtslosere Form. Das Opfer soll durch Hetze totgetrieben werden. Der Kopf von Reichelt hängt an der Trophäenwand, aber das eigentliche Ziel ist Döpfner, ist Springer selbst. Das öffentliche Narrativ schiebt bereits den Springer-Chef in die Rolle des eigentlichen Täters, Reichelt spielt fast keine Rolle mehr. Vielleicht wäre ohne Politico-Übernahme die Reichelt’sche Schürzenjagd nie wieder aufgetaucht. Die strategische Lancierung eines New York Times-Artikels vor der Übernahme von Politico war der Warnschuss: Wenn Springer es wagt, sich nicht nur im heimischen Milieu, sondern auch jenseits des Teichs breit zu machen, dann stört Döpfner die Harmonie im linken Juste Milieu.

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Die üblichen Register werden jetzt gezogen. Eine Privatnachricht, dumm wie die Reichelt-Affäre, aber nicht halb so skandalös wie aufgebauscht, soll Döpfners Fall beschleunigen. Der Spiegel stempelt ihn als „politischen Wirrkopf“ ab. Döpfner düpiert seine Kollegen, weil er ihnen attestiert, den Bezug zur Realität und zu den Lesern verloren zu haben. Für die etablierten Medien kann das nur AfD-Sprech sein. Vielleicht ist die Reaktion auch deswegen so vehement, weil sich die „Propaganda-Assistenten“ ertappt vorkommen. Die Kontext-Wochenzeitung mokiert sich darüber, dass Döpfner Deutschland als „DDR-Obrigkeitsstaat“ bezeichnet und schreibt: „Man stelle sich vor, ein Politiker hätte das gesagt. Einer von der Linken etwa. Er wäre zum Totengräber der Demokratie erklärt worden.“ Dabei ist es doch das prägende Element der Berliner Republik, dass linke Politiker über Lager und Erschießung Oppositioneller witzeln können, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – aber ein vermeintlich „Rechter“ wie Döpfner nicht über die meinungsmediale Herunterwirtschaftung des besten Deutschlands aller Zeiten.

Jetzt wird eifrig an Döpfners Stuhl als Präsident des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) gesägt. Das Klima soll offensichtlich so feindlich aufgeladen werden, damit der Springer-Chef den prestigeträchtigen Posten verliert. Es wäre ein Signal im Machtkampf. „Übermedien“ hatte bereits eine Anfrage gestellt, ob Döpfner als BDZV-Präsident noch haltbar sei. Christoph Rüth von der Funke Mediengruppe lieferte: Döpfners Formulierung sei eines BDZV-Präsidenten „nicht angemessen“ und die Bezeichnung „Propaganda-Assistenten“ für die Mehrheit der Journalisten „völlig unpassend“. Die „Kontext“-Wochenzeitung drehte den Spin weiter und fragte 13 Vertreter von Medienhäusern an. Darunter Richard Rebmann, ehemaliger Geschäftsführer der Südwestdeutschen Medien Holding GmbH und früherer BDZV-Vizepräsident.

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Rebmanns Antwort ließ die Jagdgesellschaft frohlocken. Nicht nur habe Döpfners Behauptung „unserer Branche und allen Journalisten einen Bärendienst erwiesen“, sondern die Äußerungen hätten „radikalen, rechten Kräften Vorschub geleistet, die von einer gelenkten Presse ausgehen“. Da war es wieder, das „Vierte Reich”. Und wieder die Bestätigung einer historischen These aus den 60ern: Springer als Hort der Volksverhetzung. Dabei wäre die eigentliche Nachricht gewesen, dass sich von den 13 angeschriebenen Medienhäusern nur Rebmann zu Wort gemeldet hat. Eine weitere Anfrage wurde damit beantwortet, dass man sich nicht äußern wollte; die übrigen 11 erst gar nicht beantwortet. Auch das muss man betonen: Es gibt selbst unter Journalisten schweigende Mehrheiten und jene, die sich nicht mit jeder losgelösten Schmutzkampagne gemein machen wollen. Selbst der Zeit scheint das Geschehen mittlerweile unheimlich und fragt: „Geht der Enthüllungseifer zu weit?“

Man muss keine Liebesappelle Richtung Springer senden. Aber es ist auffällig, wenn die Medien genau jene Hebel bedienen, die sie in der Vergangenheit als Eigenart des Bild-Journalismus anprangerten. Der vermeintliche Qualitätsjournalismus unterscheidet sich vom Boulevard nur noch durch dünnere Überschriften, weniger Bilder und längere Texte. Schöngeschraubte Sätze, intellektuelle Luftschlösser und in sich selbst badende moralische Wohlgefälligkeit können dagegen die eigene Niedertracht kaum verbergen, die sie auf ihren Konkurrenten projizieren. Die unschöne Fratze des Machtkampfes schmücken die Verantwortlichen mit hehren Zielen: Anti-Sexismus und Kampf gegen Rechts. Dagegen war die Bild immer ehrlich.

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Kommentare ( 49 )

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usalloch
2 Jahre her

Springer hat schon weitaus schwierige Phasen gemeistert. Und ein Vermächtnis gibt ein Verlag dieser Bedeutung nicht einfach so an der Garderobe ab. Was 1968 richtig war, ist auch Heute noch gültig. Die Linken heute, nicht mehr als Straßen Dampfwalze unterwegs, sind nur konzilianter, aber weiterhin hart in der Sache geblieben. Cleverer auch deswegen, weil sie dieses Mal Halbwüchsige vorausschicken.

Bummi
2 Jahre her

Springer wird auch noch 100 Prozent auf Linie gehen. Was man in der Welt liest passt doch schon zu 70 Prozent. Und der Spiegel ist nur noch ein primitives Propagandablatt wo Geschichten einseitig berichtet, verdreht oder sogar erfunden werden. Wer bitte zahlt für so etwas. Analog Stern und Focus. Letzterer ist inzwischen derartig mit Werbung und Boulevard durchzogen, dass man das nicht mehr ertragen kann.

RUEDI
2 Jahre her
Antworten an  Bummi

Er wurde wohl mittlerweile „freigestellt“. Der Unterschied zur DDR war Stasi-Knast oder Ausbürgerung, für die Prominenten und jenen, die sich der Partei-und Staatsführung widerspenstig zeigten. In Betrieben wurden „Ausreisewillige“ an andere unterqualifizierte Stellen versetzt und zum großen Teil mussten sie dort jahrelang schmoren.
Es ist noch viel Platz auf der offenen „GERICHTETEN SKALA“.

Thorsten Maverick
2 Jahre her

Der Autor übersieht den Hintergrund des Problems. Springer als deutsches Unternehmen hat Politico übernommen. Das mögen die patriotischen Amerikaner überhaupt nicht. Deshalb war die Übernahme Monsantos durch Bayer auch ein kapitaler strategischer Fehler. Das bekommt der Verlag jetzt zu spüren. Trump wurde ja auch nicht mit Argumenten bekämpft, weil da nichts zu holen war. Biden macht jetzt teilweise genau sein Politik. Früher war Springer bei den Linken verhaßt, weil die Zeitungen antisozialistisch waren. Sie waren ein Leuchtturm der freien Welt. Außerdem hatte Bild immer ein gutes Gefühl für die Meinung des einfachen Manns auf der Straße und hat seine Bedürfnisse… Mehr

DM
2 Jahre her

Die Naivität von Herrn Döpfner ist erschreckend. Hat er denn geglaubt die linksradikalen Medien mit dem Bauernopfer Reichelt und seiner Entschuldigung zu befrieden? Er hätte Rückgrat zeigen müssen.

thinkSelf
2 Jahre her

Döpfner hat den entscheidenden Fehler gemacht, Appeasement-Signale gegenüber seinen Angreifern abzusondern. Das war nicht nur gegenüber seinem Angestellten schäbig, sondern vor allem auch ein schwerer taktischer Fehler.
Denn er zeigt erstens, das Döpfner ein schwacher Charakter ist und sorgt zweitens dafür das er den Krieg bereits verloren hat.
Döpfner bei Bild ist bereits Geschichte. Er weiß es nur noch nicht.

P.S. Um zu dieser Einschätzung zu kommen muss man Reichelt übrigens nicht mögen und er ist keineswegs der aufrechte Kämpfer für Wahrheit, als der aktuell gerne von alternativen Medien hingestellt wird.

StefanSch
2 Jahre her

So sehe ich das auch. Deshalb wurde Reichelt entfernt. Ich habe aus diesem Grund mein Abo bei der Bild gekündigt. Es macht keinen Sinn mehr. In Deutschland haben die Linken die Deutungshocheit erlangt und machen was sie wollen. Die Massenmedien sind ihre Waffe. Damit bügeln sie jeden nieder. Es ist aussichtslos. Gegen diese Leute kann man nicht gewinnen. Man kann nur lernen mit der Situation umzugehen.

Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Ich gebe Ihnen völlig recht, aber wie sie selber schreiben: “ Die geschlossene Linke wird sie einzeln vernichten“, sind die Machtverhältnisse inzwischen so verschoben, dass eine offene Versammlung von bekennenden Konservativen keinen Veranstaltungsraum finden würde, da wäre alle von Antifa bis Omas gegen Rechts aber sowas von auf den Beinen.

Beobachterin
2 Jahre her

Vielleicht sollte man die Opfer des Herrn Reichelt einmal genauer unter die Lupe nehmen. Lange vor der MeToo-Bewegung gab es die Affäre Dominique Strauss-Kahn. Wir lernten ihn als eine Art Bestie kennen. Er soll damals ein Zimmermädchen brutal vergewaltigt haben. Andere Frauen folgten mit schweren Anschuldigungen. Er wurde in Handschellen abgeführt und musste sich gegen den Vorwurf schwerer Zuhälterei verteidigen. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Die Aussicht auf das Präsidentenamt und der Vorsitzt im IWF waren futsch. Jetzt war er bis auf die Knochen ruiniert (, ähnlich wie Herr Kachelmann, der ebenfalls unschuldig im Gefängnis saß). Dass es sich… Mehr

thinkSelf
2 Jahre her
Antworten an  Beobachterin

Aber es bleibt halt immer was hängen. Und da die intellektuell völlig unbewaffneten Massen im Grunde genau so ticken, wie die Massenpropagandisten ist das völlig ausreichend und funktioniert gerade in der deutschen Neidgesellschaft hat das immer funktioniert und wird immer funktionieren.

LM_978
2 Jahre her

Seit Herr Reichelt weg ist, dreht die BILD wieder ihren Corona-Kurs.

Es kann wirklich auf wenige Personen ankommen.

Einige Zeit Ruhe, um sich mit Anwälten eine Strategie zurechtzulegen und sich nicht zu früh in die Karten schauen zu lassen sind total verständlich.

Aber ich warte fast verzweifelt, dass hier ein grosser Gegenschlag kommt.

Ich möchte die Leistungen Tichys Einblick keinesfalls schmälern, aber es fehlt an Reichweite, um einflussnehmende Wirkung zu erzielen. Das konnte ich mir am Ende nur von BILD erhoffen.

Wenn da nichts mehr passiert, sehen wir kein Land mehr.

Dr. Rehmstack
2 Jahre her
Antworten an  LM_978

Noch sind die Weiden zu grün, warten Sie mal ab, bis alle ihre Stromrechnung erhalten haben; mein Versorger bittet um eine 25-prozentige Erhöhung!

LM_978
2 Jahre her
Antworten an  Dr. Rehmstack

Ich fürchte, Sie haben noch zu viel Vertrauen in die Menschen. Haben doch die letzten 2 Jahre überdeutlich gezeigt, dass die, die Böses tun, eben gar nicht angegangen werden. Hass wird immer auf Sündenböcke gelenkt….am Ende war Jemand nicht solidarisch genug, zu kapitalistisch, zu egoistisch, zu reuch, zu weiss….egal was. Verstehen Sie, was ich meine. Ohne Hilfe von Aussen oder einer anderen einflussreichen Macht wird das Nichts, befürchte ich. Und wer sollte das sein? Ich glaube, es müssen sich die Wenigen, leisen, leidenden, irgendwie vernetzen und organisieren. Klein anfangen, ganz praktisch: Eltern, die sich mit Ihren Kindern zum spielen treffen,… Mehr

Beobachterin
2 Jahre her
Antworten an  LM_978

Das ist mir auch aufgefallen. Ich habe aber festgestellt, dass viele kritische Themen zu Bild TV abgewandert sind. (Kann man auch ohne TV sehen.) Heute hat mich besonders die Karikatur zu „Grünzilla“ amüsiert – Habeck und Baerbock zertrampeln als grüne Monster Autos und werfen sie durch die Luft …Perfekt getroffen die beiden!

Last edited 2 Jahre her by Beobachterin
abel
2 Jahre her

Mir ist mittlerweile der Axel Springer Konzern zu sehr auf Linie gebracht. Der letzte große Medienkonzern welcher noch nicht vollständig von den Linken übernommen wurde. Die Zukunft sieht wohl aber leider so aus das man nicht nur auf den ÖRR verzichtet sondern auch auf die großen Blätter der Medienlandschaft. Warum auch wenn keine unterschiedlichen Meinungen und Aussagen mehr aufeinandertreffen.