Maischberger zeigt die Spaltung der deutschen Linken

Die Linken sind gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine, die Grünen dafür. So gesehen hat Maischberger wenig Neues gebracht. Doch die Talkshow hat aufgezeigt, wie gespalten die politische Linke durch den Krieg ist.

Screenprint: ARD/maischberger

Der September 2021 scheint heute wie eine längst vergangene Zeit: Die Medien feierten Angela Merkel (CDU) als eine Bundeskanzlerin, die wir ob ihrer Führungsstärke einst vermissen würden. Borussia Dortmund glaubte, Bayern München die Meisterschaft klauen zu können. Und SPD, Grüne und Linke schlossen im Wahlkampf eine gemeinsame Koalition im Bund nicht aus.

Neun Monate später kommt diese Koalition nicht mehr in Frage. Wäre es tatsächlich zu dieser Mehrheit gekommen – sie wäre in Folge des Ukraine-Krieges in einer schweren Krise. Wenn nicht sogar schon längst am Ende. Denn die Partei Die Linke hat sich in alten, ideologischen Schützengräben eingebuddelt: keine Waffenlieferungen an die Ukraine, keine Aufrüstung der Bundeswehr. Den Angriffskrieg mit Friedensgesprächen stoppen.

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Für die Linken ist Janine Wissler im Studio. Unter ihrem Vorsitz ist die Linke aus dem Bundestag geflogen. Eigentlich. Drin gehalten wird die Linke durch drei Direktmandate. Zwei davon hat sie in Berlin geholt. Bei einer Wahl, die unter irregulären Umständen stattgefunden hat. Es folgten Wahldebakel im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Im Westen ist die Linke tot. Wissler sitzt Anton Hofreiter gegenüber. Er ist mit den Grünen als designierter Minister in die Koalitionsverhandlungen gestartet – aber letztlich leer ausgegangen. Also bleiben bei Maischberger zwei Verlierer unter sich. Trotzdem bringt die Sendung Erkenntnisgewinn. Darüber, wie weit sich die Wege der beiden (ursprünglich) linken Parteien getrennt haben.

Schon die räumliche Anordnung ist großartig. Zwar sitzen beide nebeneinander – aber nicht gleichberechtigt. Wissler ist ohnehin kleiner als Hofreiter. Der Kamerawinkel verstärkt diesen Effekt noch. Sodass Hofreiter mit seinen langen Haaren wie ein Erklärbär wirkt, der der kleinen Janine die Welt erklärt: Da ist ein Imperealist, und der hat einen Kolonialisierten überfallen und da muss man als Linker doch auf der Seite der Kolonialisierten sein.

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Zu Wisslers Problemen zählt, dass sie dem nichts entgegenzusetzen hat. Grundsätzlich. „Putin ist der Aggressor“, muss sogar die Linken-Vorsitzende einräumen. Was das Thema zu einer Sackgasse für die Partei macht. Am deutlichsten wird das, wenn Sandra Maischberger es der Linken-Vorsitzenden schwer macht und sie nicht nur über andere Parteien meckern lässt, sondern nach eigenen, linken Lösungen fragt. Etwa zu Hilfen für die Ukraine: „Wir müssen darüber reden, wie Sanktionen umgesetzt werden.“ Oder zur Stärkung der Bundeswehr: „Wir müssten uns das Beschaffungswesen anschauen.“

Darüber reden. Anschauen. Das wirkt so, als ob Wissler keine richtigen, inhaltlichen Vorschläge hat. Das sieht aus wie eine Flucht ins Unbestimmte. Und genau das ist es auch. Unter Wissler ist die Linke der Osterspaziergang geworden: Drei Dutzend Menschen, die sich mit fünf Dutzend Fahnen samstags in der Innenstadt versammeln – und in der shoppenden Menge untergehen würden, wenn nicht die Kameras auf sie draufhalten würden.

Anton Hofreiter steht für eine linke Partei, die sich angepasst hat. Die Maischberger-Redaktion beweist Gespür für Symbolik. Während Hofreiter mit Wissler streitet, prangt das Nato-Emblem hinter seinem Rücken. „Ich habe nunmal etwas Nerdiges an mir“, antwortet er Maischberger auf die Frage, warum er sich so intensiv zum Thema Panzergattungen eingelesen habe. Dieses neue Fachwissen macht den Nicht-Minister zum beliebten Talkshow-Gast in diesen Tagen. Eben weil er sachkundig ist, aber halt auch, weil er für den grünen Wandel steht.

Die Grünen haben ihre friedenspolitischen Positionen aufgegeben. Dass er mit früheren Positionen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine daneben gelegen habe, räumt Hofreiter ohne jedes Zögern ein. Bei Ostermärschen bräuchten sich die Grünen so nicht mehr sehen zu lassen. Doch bei der shoppenden Menge scheint das anzukommen, wie Ergebnisse und Umfragen zeigen.

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Auch weil sie Wirtschaftspolitik mittlerweile über Menschenrechte stellen. Etwa wenn der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck zu anderen Schurken reist, zum Beispiel nach Katar, um russische Rohstofflieferungen auszugleichen, wie Maischberger einstreut. Immerhin gibt es noch gemeinsame Linien in Sachen Aufrüstung. Die Linken, sagt Hofreiter zu Wissler, müssten doch daran eigentlich gut finden, dass die Aufrüstung mit Schulden bezahlt wird.

Gänzlich zerrüttet ist die deutsche Linke durch den Ukraine-Krieg aber noch nicht, wie sich am Journalisten-Panel zeigt. Das ist dieses Mal deutlich besser besetzt als am Dienstag und sorgt so für spannende Momente. Etwa wenn Sonia Mikich ihre alte Weggefährtin Alice Schwarzer verteidigt, trotz unterschiedlicher Meinungen zu Waffenlieferungen: „Wir können Alice Schwarzer nicht absprechen, dass sie sich enorme Gedanken zu dem Thema gemacht hat.“

Zudem hat Mikich, die Waffenliererungen befürwortet, Spannendes zur Debattenkultur in Deutschland zu sagen. Wo mittlerweile selbst Journalisten sachliche Beiträge nur noch als Pro-Ukraine-Gut oder Pro-Russland-Pfui wahrnehmen und die Welt in diese beiden Kategorien sortieren: „Es gibt in Deutschland etwas so Selbstgerechtes. Und wir sehen auch vieles schwarz.“ Solche Arroganz tue der Sache nicht gut. Denn Russland sei das größte Flächenland der Welt und könne auf Dauer nicht umringt werden wie Nordkorea. Es gehe darum, Putin loszuwerden. Mit allen Mitteln. Neben Sanktionen und militärischem Druck würde sich Mikich auch für Sabotage aussprechen.

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Kommentare ( 43 )

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Jens Frisch
1 Jahr her

„Es gehe darum, Putin loszuwerden. Mit allen Mitteln. Neben Sanktionen und militärischem Druck würde sich Mikich auch für Sabotage aussprechen.“

Es ist zum schießen: Wahrscheinlich hat keiner dieser roten, grünen oder blutroten Sozialisten jemals gedient, meinen aber, ihre Meinung zu diesem Thema sei von Belang. Ist das Chuzpe oder Größenwahn?

Dr. Rehmstack
1 Jahr her

Bei der kleinen Bundestagswahl in NRW katapultiert sich die Linke in den Block der Splitterparteien und nun erscheint sie mit ihren Repräsentanten Janine Wissler und Gesine Lötzsch gleichzeitig im Staats Fernsehen, und das ist TE keines Kommentars wert?

flin
1 Jahr her

Ich habe im ÖR, insbesondere bei Maischberger, Lanz etc, eigentlich noch nie eine Zusammensetzung einer Diskussionsrunde gesehen, wo tatsächlich Pro und Kontra zu Themen gleichwertig, fachlich und sachlich ausgewogen vertreten waren. Abgesehen von der Moderationsführung, welche man als Meinungssteuerung einordnen kann. Dieses hat sich auch bei der jetzigen Diskussion Hofreiter und Wisler wunderbar wieder gezeigt, das es nicht um einen Meinungsaustausch, sondern um eine Meinungsdeutung seitens OR handelt. So etwas kann man auch schon in Teilen als Propaganda einordnen. Dagegen empfehle ich Diskussionen des Senders Servus, wo mit einem echten Moderator, welcher sein Handwerk versteht, Gegenteilige Positionen sachlich (geht auch)… Mehr

erwin16
1 Jahr her

Man sehe sich eine alte Harald Schmidt Folge an, da hat er eine Wahlumfrage unter seinen Mitarbeitern gemacht. Im privatwirtschaftl. Sektor…….hat SPD gewonnen, danach Grüne und PDS……
2001 !!!!!!!

er hat sich noch mehr oder weniger „entschuldigt“ weil ja auch nicht wahlberechtigte mit abstimmen konnten…….

Leute da seht ihr, wo der Hammer hängt.
FRau Henning Welsow hat sich ja vom Acker gemacht, vermute sie hat schon geschnallt, wie die Westzicken das ganze Gebilde in den Abgrund reiten.
So wie Nahles große Klappe, aber das wars dann auch

Stormaner
1 Jahr her

Sollen doch zunächst mal alle Grünen, Journalisten und sonstige Scharfmacher in Sachen Ukraine Krieg ihren Wehrdienst nachholen. Solange dies nicht geschehen ist, kann ich deren Debattenbeiträge nicht wirklich ernst nehmen. Ich meine allerdings, unsere Bundeswehr hat nach wie vor ein Nachwuchsproblem, d.h. die Grün/innen und Konsorten stehen dort offenbar nicht Schlange und auch deren Nachwuchs der Generation Schneeflöckchen rettet lieber das Klima als die Demokratie. Dies sollen vielmehr die Hilfsvölker wie die Ukrainer machen. So etwas hatten wir in Europa schon einmal vor rund 1500 Jahren. Danach kam das finstere Mittelalter.

Elysium
1 Jahr her

„Die Linke“ soll durch Bildschirmpräsenz im Staatsfernsehen wieder deutlich über die 5% Hürde gehoben werden.

Das öffentlich-rechtliche Staatsfernsehen startet eine mediale Framing-Kampagne für „Die Linke“ – betreutes Denken ist weiterhin en vogue in DE.

Dr. Rehmstack
1 Jahr her
Antworten an  Elysium

Absolut korrekt beobachtet: gleichzeitig bei Maischberger Janine Wissler und in der Phoenix Runde Gesine Lötzsch (diesmal nur in nappaledergraurosa), Fragen zur Legitimität der Wahl in Berlin wurden nicht gestellt, von der AfD keine Spur!

Nun ja
1 Jahr her

Die Verluste der Ukraine an der Front sind seit Wochen nicht mehr akzeptabel (falls sie es denn je waren) . Täglich mindestens 600 Tote und Verwundete allein im Donbas laut Selenskij (konkret sprach er von 60-100 Toten und etwa 500 Verwundeten täglich), wahrscheinlich sind es deutlich mehr. Die Lücken müssen jetzt schlecht ausgebildete und ausgerüstete Territorialkräfte füllen. Das hat schon was von Volkssturm 2.0. Offenbar agieren die meisten Brigaden der Ukraine nicht mehr als geschlossener Verband. Die hohen Verluste zwingen sie zur Zusammenlegung von Resten der Brigaden zu Kampfgruppen (auch das erinnert an die deutsche Seite in WK2). Statt Waffenlieferungen… Mehr

Weiss
1 Jahr her
Antworten an  Nun ja

Es kursiert im Moment auch das Gerücht, dass die Russen erneut auf Sumy und Kiev zumarschieren könnten, dass also eine neue Front im Norden aufgemacht wird ? Ob das stimmt, kann ich aber nicht bestätigen. Selbst die Washington Post hat jetzt erstmals nach 3 Monaten eingeräumt, dass es im Osten nicht gerade rosig für die Ukraine ausschaut: Ukrainian volunteers in the east feel abandoned as Russia advances – The Washington Post Die BBC bläst jetzt plötzlich ins gleiche Horn: ‚I watched from afar Russia’s latest merciless assault on Severodonetsk‘ – BBC News In UK haben beide Meldungen geradezu Schockwellen ausgelöst:… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Weiss
Manfred T.
1 Jahr her

Und einmal mehr ist eine Partei in einer der vielen ÖR Talkshows vertreten welche im Prinzip aus dem Bundestag herausgewählt wurde (falls die Wahl in Berlin wiederholt wird, was ich nicht glaube, fliegt diese Partei hoffentlich endgültig raus), während eine Partei welche mehr als doppelt so viele Stimmen erhielt weiterhin nicht stattfindet!
Und das nennt man dann demokratisch.

Freigeistiger
1 Jahr her

Die einst pazifistischen Grünen sind zu den schlimmsten Kriegstreibern dieses Landes geworden.Damit bedienen sie als neue Obervasallen direkt die Interessen Washingtons und des militärisch-industriellen Komplexes der USA. Nicht genug, daß sie mit ihrer Migrations-, Klima-, Sanktions- und Inflationspolitik Deutschland wirtschaftlich und sozial an die Wand fahren, setzen sie unsere Bevölkerung dem zunehmnden Risiko eines (atomaren) Krieges aus.
Eine solche Politik zeugt nicht nur von fast grenzenloser Dummheit und Verantwortungslosigkeit, sondern auch von einem skrupellosen, hoch gefährlichen ideologischen Fanatismus, der mit Zwang, Gewalt und Destruktion einhergeht.

Weiss
1 Jahr her
Antworten an  Freigeistiger

Deshalb zähle ich ja auch die Kriegstreiber von den Grünen zu den Rotfaschisten, die von Naomi Wolf mit Hilfe von 10 Kriterien hier näher beschrieben werden: Fascist America, in 10 easy steps | Naomi Wolf | The Guardian Frau Baerbock und Herrn Habeck ordne ich aber auch den Architekten der von Klaus Schwab anvisierten Weltregierung zu. Herr Schwab sagte beim letzten WEF-Treffen in Davos, dass er die Zukunft der gesamten Erde mitgestalten wolle, es geht also um globale Herrschaft des westlichen Machtkartells über den gesamten Globus. Ab Minute 5:30 hört man Schwab in seiner aktuellen Rede in Davos, wie er… Mehr

Last edited 1 Jahr her by Weiss
Lotus
1 Jahr her

Für mich ist schon sehr verwunderlich, dass Politiker*** __* ***INNNNEN der Linkspartei überhaupt noch eine Bühne im ÖRR bekommen. Bei der Ergebnisübersicht nach der NRW-Wahl lief die Linke unter „andere Parteien“, und da gehören die Linksextremen auch hin.

„Doch die Talkshow hat aufgezeigt, wie gespalten die politische Linke durch den Krieg ist.“

Die Leserkommentare u. a. hier auf TE zeigen mir immer wieder, wie gespalten auch das konservative Lager bzgl. Russland/Putin/Waffenlieferungen ist.