Klingbeil und Söder bei Caren Miosga: Scheinduell

„Wie viel Stillstand kann sich Deutschland leisten?“ Gute Frage. Aber welche Politiker, welche Parteien könnten wohl am besten darüber diskutieren? Richtig geraten! Und genau die waren alle nicht da. Stattdessen: SPD und CDU, die Stillstandsträger höchstselbst. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Es treten an: SPD-Co-Chef Lars Klingbeil, sichtlich angeschlagen, und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sichtlich selbstbewusst. Der Chef des bajuwarischen CDU-Anhängsels muss seinen neuen Chef Friedrich Merz vertreten. In Zeiten, da sich das deutsche Parlament einfach mal spontan eine ganze Sitzungswoche freinimmt, hat Merz vermutlich Besseres zu tun, als bei einer ehemaligen Nachrichtensprecherin im Studio rumzuhocken. Vielleicht düst er gerade mit seinem Privatflieger in sonnige Gefilde. Da springt Söder doch gerne ein. Schließlich gilt es, im anstehenden Bundestagswahlkampf noch ein paar Personality-Punkte zu machen. Und wer hat daran mehr Spaß als ein Söder?

Es ist sicher kein Zufall, dass man ihm an diesem Abend Lars Klingbeil als angeschossenes Opfer zur Seite gestellt hat. Der Sozialdemokrat ist in der Defensive, gerät rhetorisch an seine Grenzen, stammelt und wirkt so klein wie seine Partei mittlerweile ist. Er sagt Sätze, die keiner versteht, und er schlägt allen Ernstes das Ende der Demokratie vor. Zwischen den Zeilen natürlich nur.

Glauben sie nicht? Bitteschön, wir zitieren Lars Klingbeil wortwörtlich: „Daniel Günther, der jetzt nicht SPD-Mitglied ist, hat einen Brief geschrieben und hat einen langen Vorschlag gemacht auch mit Dingen, die er vorschlägt, die wir doch lösen sollten, um Wirtschaft zu stabilisieren.“

Hä? Und es geht noch weiter. Klingbeil: „Ich kann von uns nur sagen: Wir sind dazu bereit. Trotz Wahlkampf zu zeigen, dass wir mit CDU, CSU, FDP, Grünen und SPD in der Lage sind, in einem gemeinsamen Konsens sich um Menschen wie Herrn Gläser zu kümmern. Warum wollen wir da ein halbes Jahr warten und das nicht jetzt sofort machen im Sinne der Menschen in diesem Land?“

Er schlägt also einen Zusammenschluss politischer Kräfte vor, die zwar kaum gegensätzlicher sein könnten, sich aber unter Umgehung jeglicher demokratischer Abläufe vor jeder Abstimmung absprechen sollen. So wie es im übrigen auch CDU-Chef Friedrich Merz gerade verlautbart hat. Längst vergessene DDR-Vibes kicken ganz hart rein. The Return of the Blockpartei.

Mit dem „Herrn Gläser“ meint Klingbeil übrigens einen Gärtner, der gerade in einem Einspieler zu sehen war. Der Mann hat einen ansehnlichen Betrieb und steht trotzdem kurz vor der Insolvenz. Zugrunde gerichtet durch die Ampel und durch die Große Koalition, die den Ausstieg aus der Kernenergie angezettelt hat. Ergebnis: Gläsers Kosten sind explodiert, er weiß nicht mehr weiter.

Und wie will Klingbeil dem Mann nun helfen? „Das, was wir tun müssen, ist, die Energiekosten runterzudrücken. Aber ich kann jetzt hier als Parteichef nichts versprechen, weil wir keine Mehrheit mehr haben.“ Puh, der Mann ist politisch wirklich genau so am Ende wie der Herr Gläser wirtschaftlich.

Es ist sicher nur Zufall, dass Söder derweil weiter punkten darf, wie es eben so seine Art ist: bayerisch derb und schamlos selbstverliebt. Er selbst und höchstpersönlich hätte das aktuelle politische Debakel verhindern können, wenn man ihn nur gelassen hätte: „Wenn ich damals angetreten wäre, wäre das vielleicht anders ausgegangen 2021, und Deutschland hätte sich vielleicht manches ersparen können.“ Schaut Friedrich Merz in diesem Moment zu? Er würde wohl den Steuerknüppel verreißen. Gab’s irgendwo ein Mayday-Notsignal am Sonntag gegen 22.20 Uhr? Mal den Funkverkehr im Sylt Tower und bei Bahama Flight Control checken.

Wo Söder gerade so schön in Erinnerungen schwelgt: „So schlimm war die GroKo übrigens nicht“, sagt er. Und selbst dieses vergiftete Lob für die Große Koalition nimmt der völlig verunsicherte Klingbeil gern an. Söder wirft es ihm wie Brosamen hin, und dennoch dankt es ihm der SPD-Mann mit einem geradezu verliebten Blick. Wie schlimm muss es wohl wirklich stehen um die 15-Prozent-Absturzpartei namens SPD? Die Antwort liegt in Klingbeils Augen.

Es ist sicher nur Zufall, dass Klingbeil nochmal ausführlich Stellung zu der Frage nehmen darf, ob der unbeliebte Olaf Scholz wohl der rechte Kanzlerkandidat ist. Darüber herrsche Konsens, sagt Klingbeil, doch Söder ätzt: „Konsens schließt zwar Nonsens nicht aus, aber das ist Sache der SPD.“

Es ist sicher nur Zufall, dass Söder ungehindert weiter austeilen darf. Über die Ampel: „Das was da jetzt die letzten Monate passiert ist, war unwürdig für die Demokratie, schlecht fürs Land, und das muss sich ändern.“ Über die letzten Worte des Kanzlers zum gefeuerten Finanzminister Christian Lindner: „Das war ein unwürdiges Schauspiel.“ Sich selbst scheint Söder hingegen noch immer allergrößte Chancen auszurechnen, auch gegen Friedrich Merz. Und überhaupt, Umfragen, pah! Alles Schall und Rauch: „Am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler, und das kann keiner vorhersagen.“

Auch das Telefonat zwischen Olaf Scholz und Wladimir Putin hat für Söder keinerlei Gewicht: „Jetzt mal ganz nüchtern gesprochen: Ich glaub, dass niemand in Moskau eine solche Regierung noch ernst nimmt.“ Und mehr noch: Söder bezweifelt sogar, dass es das Telefonat überhaupt gab. „Wenn ein Telefonat stattgefunden hat – da wird ja schon drüber spekuliert, war das überhaupt ein Telefonat? – ich glaub, dass das gar nix bewirkt, ganz im Gegenteil.“ Grundsätzlich aber hält er es „für richtig, dass man mit Putin spricht“. Bringen würde das allerdings nichts, denn: „Die ehrliche, knallharte Analyse ist: Es wird in Washington entschieden. Alles.“

Der letzte Europäer, der nachweislich mit Putin gesprochen hat, war der ungarische Staatschef Orbán. Grund genug für Carmen Miosga, ihn im Vorbeigehen gebührend zu framen: „Der Letzte, der sich da eingemischt hat, war der Putinfreund und -versteher Viktor Orbán.“

Es ist sicher nur Zufall, dass Söder auf ähnlich bodennahem Niveau noch ein derbes Konkurrenten-Bashing verstreuen darf. In Richtung AfD und Bündnis Sahra Wagenkecht (BSW) sagt er: „Es ist das erste Mal, dass zwei Parteien kandidieren, die direkte Kommunikation nach Moskau haben. Zwei Putinparteien treten an mit dem Ziel, unsere Demokratie zu destabilisieren.“

Es ist sicher nur Zufall, dass Söder sogar den bemerkenswerten Satz sagen darf: „Ohne mich gibt’s keine Regierung, also ohne die CSU. Das muss man einfach wissen.“ Spätestens in diesem Moment dürfte Friedrich Merz mit einem veritablen Strömungsabriss kämpfen.

Es ist sicher nur Zufall, dass das Logo der Sendung Carmen Miosga irgendwie an das Logo der DDR-Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“ erinnert.

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Kommentare ( 38 )

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W aus der Diaspora
15 Tage her
November Man
15 Tage her

Nicht nur CDU Merz, sondern nun auch der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck hat angekündigt, dass er im Fall einer Wahl zum Regierungschef Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern würde. Damit haben sich beide für den Job deutscher Bundeskanzler endgültig disqualifiziert. Die Kriegsgefahr ist mit solchen Leuten einfach zu groß. Die Deutsche wollen keinen Krieg mehr. Sie wollen Frieden.  

Kassandra
15 Tage her
Antworten an  November Man

Lindner hat das auch verlautbart – wodurch er auch unwählbar wird.
Aber bis zur Wahl wird das dort eh alles anders sein, da Potus 47 dann schon mehr als 30 Tage gut vorbereitet im Amt sein wird – und der Kongress bereits ab dem 3. Januar seine Arbeit aufgenommen haben wird.

November Man
15 Tage her

… in einem gemeinsamen Konsens sich um Menschen wie Herrn Gläser zu kümmern. Warum wollen wir da ein halbes Jahr warten und das nicht jetzt sofort machen im Sinne der Menschen in diesem Land?“
Das sagen genau die Leute, die Herrn Gläser erst in diese missliche Lage gebracht haben.
Man kann sich vor solchen hinterhältigen und verlogenen Politikern des Kartells nur noch angewidert abwenden.

November Man
15 Tage her

Klingbeil SPD: „Das, was wir tun müssen, ist, die Energiekosten runterzudrücken. Aber ich kann jetzt hier als Parteichef nichts versprechen, weil wir keine Mehrheit mehr haben.“ Eine mittlerweile übliche, ganz billige Ausrede. So billig darf man diesen SPDler nicht davonkommen lassen. Die SPD und die Grünen hatten 3 Jahre lang die Mehrheit im Parlament. Statt die Energiekosten runterzudrücken, haben sie auf Wunsch der Grünen die Energiekosten mit voller Absicht so weit wie aktuell nur möglich nach oben gedrückt und dafür sogar Milliarden-teure Kraftwerke wie im Rot-Grünen Hamburg in die Luft gesprengt. Wir leben doch nur noch in einer Lügenblase. Die… Mehr

Mikmi
15 Tage her

Ich kann keinen mehr ernst nehmen und das ist keine Beleidigung, dafür haben diese Leute selber gesorgt. Die Wirtschaft in Deutschland braucht dringend günstige Energie, sofort, also, wofür werden diese Leute bezahlt, für`s labern?
Gesprengte Kühltürme kann man auch wieder aufbauen, es muss nur die Einsicht da sein und ein schnelles Handeln.

Christa Born
15 Tage her

Das Logo ähnelt verblüffend dem der „Aktuellen Kamera“. Ist mir auch schon aufgefallen. Nur die Melodie dazu stimmt nicht ganz. Die Inhalte aber wohl. Diese Scheinduelle sind an Inhaltsleere nicht zu unterbieten. Es läuft ganz klar auf eine neue Groko raus. Wer CDU wählt, wählt Rot-Grün

Johann P.
15 Tage her

Sehr passend Ihre amüsanten Einsprengsel bezüglich der Flugkünste des Privatpiloten Merz, lieber Herr Plog!
„Es ist das erste Mal, dass zwei Parteien kandidieren, die direkte Kommunikation nach Moskau haben. Zwei Putinparteien treten an mit dem Ziel, unsere Demokratie zu destabilisieren.“ Diese Aussage Söders zeigt überdeutlich, auf welch gleichermaßen populistischer wie kindischer Klaviatur er spielt.

HPs
15 Tage her

„Grosse Furcht“ – lächerlich.

afd ist kein „Nazikrokodil“, auch nicht „bürgerlich-konservativ“.
afd ist schlicht eine russische Partei auf deutschem Boden, genauso wie BSW eine russische Partei ist.

Ich möchte nicht, dass solche Parteien in Deutschland Verantwortung haben.

November Man
15 Tage her

„Es ist das erste Mal, dass zwei Parteien kandidieren, die direkte Kommunikation nach Moskau haben.“
Gut wäre das für unser Land, die Wirtschaft und den Frieden.
Dann stellt sich noch die Frage: Hat jetzt Herr Scholz mit Herrn Putin in Moskau telefoniert oder Frau Wagenknecht oder Frau Weidel?

Dellson
15 Tage her

Fazit der Sendung: Wer am Wahltag noch in die Kabine geht, um seinen Zettel auszufüllen hat etwas zu verbergen! Nach der Haltung diesesTriumvirat*innen ist alles schon gelaufen. Nur für die Kulisse wird noch die Kömödie good cop und bad cop weitergespielt. We love to entertain you! §1 der Wirt hat immer recht §2 sollte das nicht der Fall sein tritt automatisch §1 in Kraft! Das ist sogar juristisch klar geregelt. Wenn dem Wirt die Nase des Gastes nicht gefällt, darf er ihn ohne Angabe von Gründen seines Lokals verweisen und ihm lebenslängliches Hausverbot erteilen. Jetzt sollte doch alles wohl alles gesagt… Mehr