Bei Anne Will lässt Ratlosigkeit keine Zuversicht aufkommen

Thema bei „Anne Will“: der Ukraine-Krieg. Eine missgestimmte Moderatorin will FDP-Chef Lindner provozieren. Der Konsens in der Verurteilung Putins und der neue Kurs der Bundesregierung verursachen bei Will und Co. Ratlosigkeit.

Screenshot: ARD/Anne Will

Allein die Miene der Moderatorin verriet, wie unangenehm Anne Will die aktuelle Verlagerung der Themenlage nicht nur in Deutschland ist. Mit einem Schlag hat Putins Angriff auf die Ukraine die vermeintliche Harmonie der vergangenen zwei Jahrzehnte, seit dem Wechsel von Jelzin zu Putin, in einem enttäuschten Nichts aufgehen lassen. Doch Wehmut oder gar Verständnis für die Handlungen des Kreml bringen die Redaktionen von ARD und ZDF nicht weiter. Sie müssen sich auf die neuen Realitäten einstellen.

Erstaunlich war, dass weder ein Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft noch ein Abgesandter von Linkspartei oder AfD als Unterstützer Putins eingeladen waren. Nachzuvollziehen ist, dass kein russischer Diplomat sich ins ARD-Studio wagte. Der große Meister in Moskau hat zumindest temporäres Schweigen angeordnet. Wenn einer redet, dann nur er, und da lässt er es auch gleich immer so richtig krachen. Gestern drohte er indirekt mit einem Atomkrieg, indem er eine höhere Alarmstufe für die nuklearen Raketen-Streitkräfte anordnete.

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Eigentlich wäre Will nichts anderes übrig geblieben, als die Runde – bestehend aus Bundesfinanzminister und dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, dem CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, dem lettischen Staatschef Egils Levits, der ukrainischen Politikwissenschaftlerin Ljudmyla Melnyk sowie dem Osteuropa-Historiker Karl Schlögel und der stellvertretenden Leiterin des Hauptstadtbüros des RND, Kristina Dunz – in ihrem alles in allem konsensual ablehnenden Urteil über das Vorgehen Russlands und die mehr oder weniger stark akzentuierte Zustimmung zum überraschenden Kursschwenk der Bundesregierung zu moderieren.

Aber Will wäre nicht Will, wenn sie sich nicht doch eine tückische Frage hätte einfallen lassen. So wollte sie von Lindner alsbald wissen, ob er mit der Drohung eines Atomschlages durch Putin gerechnet habe, als die Unterstützung mit Defensivwaffen für Kiew beschlossen wurde. Wäre der FDP-Politiker in diese Falle getappt und hätte einfach ja gesagt, wäre dieser innerhalb einer Sekunde als eigentlicher Auslöser eines möglichen Atomkrieges gebrandmarkt worden. Doch der Talk-Show-Profi ist viel zu smart, um auf diesem Eis auszurutschen. Mit einem klaren „Nein“ beantwortete Lindner die Frage und führte aus, dass das Prinzip der atomaren Abschreckung durch das westliche Bündnis solche Gedanken gar nicht erst aufkommen ließ.

Kurz daneben, liebe Anne Will, ist eben doch vorbeigeschossen. Das war dann auch der letzte Versuch der Moderatorin, eine Attacke gegen die Bundesregierung zu reiten. Fast satirisch wurde es, als sie inmitten einer sehr ernsthaften Analyse der militärischen Stärke der Ukraine gleich zwei Mal in vollendeter Gender-Sprache (Ukrainer und Ukrainerinnen) unfreiwillig die Lächerlichkeit dieser Marotte angesichts der wirklichen Herausforderungen unserer Tage demonstrierte.

Aufmerken ließen allerdings die mehr wie Fragestellungen als Argumente von Dunz formulierten Zweifel, ob denn die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter dem neuen deutschen Kurs der Aufrüstung stehe, und ob man – zweitens – nicht verstehen müsse, dass man Putin auch einen Erfolg zugestehen müsse, wenn er den Krieg beenden sollte. Hier konnte man schon die Tonlage aufkommender Debatten erahnen.

Insofern war „Anne Will“ eine interessante TV-Stunde – einerseits durch die Sachinformation und die aufwühlende Analyse der furchtbaren Lage des ukrainischen Volkes durch Karl Schlögel und andererseits durch die offenkundige Ratlosigkeit meinungsprägender „Journalist:innen“.

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Kommentare ( 83 )

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Axel Fachtan
2 Jahre her

Die öffentlich-rechtlichen sind für Wortspiele zuständig, nicht für Kriegsspiele. Und erst recht nicht sind sie einem echten Krieg gewachsen. Eine Waffenlieferung ist kein Kriegseintritt. Keine Nato dieser Welt wird sich dort direkt in den Krieg einmischen. Die 100 Milliarden sind erst mal eine Verpflichtungsermächtigung, also ein schnelles Signal nach außen. Wann jemals die wirklich ausgegeben werden, weiss noch keiner. Erdogan hat im Januar noch Drohnen an die Ukraine liefern lassen. Hat ihm niemand als direkten Kriegseintritt ausgelegt. Deutschland hat eine in wesentlichen Teile zivile und zivilisierte Antwort auf den völkerrechtswidrigen Einmarsch in die Ukraine gegeben. Mehr geht nicht. Keiner wird… Mehr

mediainfo
2 Jahre her

Die Eskalation dieses Konflikts hätte so leicht vermieden werden können, wenn nur eine minimale Bereitschaft vorhanden gewesen wäre, auch die Interessenlage der anderen Seite zu sehen und Zugeständnisse zu machen. Das lässt für mich nur den Schluss zu, dass es genau so gewollt ist wie es aktuell passiert. Man achte darauf wem es nutzt.

Werner Geiselhart
2 Jahre her

Die vollständige Dekonstruktion der Verteidigungsfähigkeit dieses Landes hat Merkel mit ihrem Befehl an von Guttenberg, die Wehrpflicht abzuschaffen, angeordnet. Bis dahin waren z.B. ausgebildete Mechaniker, die eingezogen wurden, für die Wartung der Geräte und Fahrzeuge verantwortlich. Heute muss ausgebildet oder auf zivile Kräfte zugegriffen werden, die natürlich im Einsatz nicht dabei sind. Man konnte auch auf eine große ausgebildete Reserve zurückgreifen, die heute fehlt. Die Soldaten bleiben heute 12 Jahre oder länger bei der Armee und hören dann zum großen Teil auf. Es kommt also alles zusammen, zuwenig Soldaten, katastrophale Wartung der Technik und als Krönung natürlich seit 4 Perioden… Mehr

nichtsalsdieWahrheit
2 Jahre her

Putin lacht sich wahrscheinlich halbtot über die deutschen Waffenlieferungen! Wie sollen die denn in die Ukraine gelangen? per Post oder wie? Entspr. Lieferungen egal durch welches Verkehrsmittel werden von den russischen Truppen mit Sicherheit (in der Luft, im Wasser oder auf der Schiene; mehr Möglichkeiten gibt es nicht) abgefangen werden genauso wie die NATO Waffenlieferungen im Mittelmeer abgefangen hat! Was dann? Ja dann haben die Russen ein paar gut zu gebrauchende Waffen mehr

Wolfsohn
2 Jahre her

„Wir haben heute einen dreifachen Paradigmenwechsel der deutschen Politik erlegt: Waffenlieferung, #Swift Ausschluss und Steigerung der Militärausgaben.“
Röttgen, wie er leibt und lebt…

Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Danke für Ihren Kommentar, endlich mal einer, der sich mit der eigentlichen Sendung befasst. In der Tat war Röttgen mal wieder in seinem Geschwurbel unerträglich, anscheinend ist er der einzige, den die CDU noch für vorzeigbar hält, das spricht für sich selbst. Beeindruckend fand ich die Körpersprache von Kristine Dunz (Eine der sechs Blonden, die immer dabei sein müssen) und Stefan Lindner bei der Philippika des Historikers: Frau Dunz konnte in ihrem Sessel gar nicht weit genug sich zu Anne Will lehnen, während Lindner verschämt sich mit einem Taschentuch den Schweiß abwischte und seine Augen fahrig hin und her gingen.… Mehr

R.Baehr
2 Jahre her

Die Regierung ist verrückt geworden, tritt mit Waffenlieferungen in einen evt. Krieg ein, bei unserer jüngeren Geschichte hätte sich das von selbst verboten, aber bei der Dilettantentruppe in Berlin spielen derlei Überlegungen keine Rolle mehr, jetzt haben die plötzlich 100 Milliarden für die BW übrig, na so etwas, und im Übrigen glaube ich den Lügenmedien in Deutschland genau gar nichts mehr, seit 2 Jahren werden wir belogen und betrogen mit dem „C“ Wahnsinn, und genauso geht es mit dem Russland/Ukraine Konflikt weiter. 500000 konnten auf einmal demonstrieren und die größte Pandemie aller Zeiten spielte plötzlich keine Rolle mehr, soviel zur… Mehr

Wolfgang M
2 Jahre her
Antworten an  R.Baehr

Zur jüngeren Geschichte: Die Deutschen haben zuerst die Ukraine und dann Russland überfallen.

Dr. Rehmstack
2 Jahre her

Die lässt sie immer, wenn’s brenzlig wird, im Bällebad zurück; kaum aus zu denken, was eine grüne Energieexpertin zur Sprengung von Kühltürmen und zur Abschaltung von Moorburg sagen könnte.

Joama
2 Jahre her

In der Sendung forderte Herr Schlögel uns auf, mit „Internationalen Brigaden“ die Ukraine zu verteidigen wie 1938 die Spanische Republik. Sorry – dazu fehlt mir nicht nur der Mut, sondern auch die Motivation. Damals konnten sich die Interbrigadisten wenigstens noch einbilden, an einem exemplarischen Kampf Gut gegen Böse teilzunehmen. So wird es natürlich auch jetzt suggeriert. Die Runde war sich einig, dass es darum gehe, Westeuropas Demokratie und Freiheit gegen Putins Diktatur zu verteidigen. Ich frage mich indessen, ob Demokratie und Freiheit bei uns nicht nur noch auf dem Papier stehen. Die Herrschaft von Rot-Grün-Woke über alle Lebensbereiche ist inzwischen… Mehr

Wolfsohn
2 Jahre her
Antworten an  Joama

Unter „Demokratie“ verstehen unsere Politiker ihre eigenen Pfründe. Legt man diesen Gedanken zugrunde, erklärt sich vieles, was eigentlich nicht als logisch erscheint.

brandenburger-1
2 Jahre her

Wo sollen den die neuen Soldaten der BW herkommen,es gibt doch nur noch Nazis und andere Umstürzler in Deutschland.Deswegen der heldenhafte Kampf gegen Rechts