Die „Süddeutsche“ weiß, wie man Bürger vom Auto befreit

Die Zukunft Münchens liegt im Lastenrad- und Rikschaverkehr. Zumindest für andere. So stellt es sich ein kleines feines Dominanzmilieu vor.

IMAGO / Westend61

Bei der Bundestagswahl hat die CSU in München keine Aussicht auf ein Direktmandat. Fast alle Wahlkreise dürften an die Grünen gehen. Im Norden der Stadt könnte der Sozialdemokrat Florian Post gewinnen, der allerdings auch gegen seine eigene Partei kämpfen muss, die ihn wegen seiner coronapolitischen Haltung konsequent mobbt. Die bayerische Landeshauptstadt grünt politisch auch deswegen, weil dort eine mediale Wahrnehmungsblase existiert, wie es sie ähnlich luftdicht eigentlich nur noch in Berlin gibt. Dazu trägt die Süddeutsche ihren Teil bei. Für ihre lokalen Seiten gilt unausgesprochen das gute alte Taz-Motto: „Was macht die Bewegung?“

Ein Text des Weltstadtblatts über die autofreie Zukunft der Münchner Viertel und den Segen von Lastenrädern zeigt beispielhaft, wie diese Blasenbildung perfekt funktioniert. Unter der Überschrift „Die Umwelt schützen und doch mobil sein“ berichtet eine SüZ-Journalistin von einer Veranstaltung mit dem Titel „Kein Auto und doch mobil – wie können wir das im Westend gestalten?“. Der Süddeutschen zufolge handelte es sich um eine „Diskussionsveranstaltung“. Aber keine Sorge: In eine Kontroverse artete der Abend nicht aus.

Nach 120 Jahren IAA
Der Mythos Auto ist am Ende
Auf dem Podium saß zum einen die Geschäftsführerin der „Münchner Initiative Nachhaltigkeit“ (MIN) namens Hannah Henker, zum anderen Christiane Weiss, die mit ihrer Firma „Lastenbike“ besser ins Geschäft kommen will, einer Verleihfirma für Lastenräder. Oben saßen also schon einmal die Richtigen. Allerdings, das bemängelt die Journalistin ganz am Rand, hätten sich zu der Diskussion über das Thema, wie der Münchner Westen am besten und schnellsten von Autos befreit werden kann, „allerdings gerade mal eine Handvoll Interessierter“ eingefunden. Warum sich dann im grünen München bei einem Thema, das angeblich die ganze Stadtgesellschaft bewegt, eigentlich nur ein kleiner Kreis von Aktivisten und Profiteuren zusammenfindet – dieser Frage geht die Autorin gar nicht erst nach.

aus der Süddeutschen Zeitung

Ebenso wenig, wie sie auf die Idee kommt, für ihren Text wenigstens einmal der Form halber einen Autobesitzer im Münchner Westen zu fragen, warum er oder sie den Wagen behalten möchte. Dafür könnte es ja Gründe geben. Die einen pendeln zu ihrer Arbeit, andere brauchen das Auto, weil sie als Selbständige zu wechselnden Einsatzorten fahren müssen. Handwerker haben Material zu transportieren. Die Chefin der Lastenradfirma erklärt ihrer Handvoll Zuhörer, aber dank Süddeutscher eben doch einem großen Publikum, wozu ein Lastenrad überhaupt gut ist: „Zum Transport von Einkäufen, für Fahrten mit den Kindern, für Fahrten zum Wertstoffhof. Auch sperrige Baumarkteinkäufe können damit transportiert werden.“ In dem Text kommt außerdem noch eine Ergänzung zum Lastenbike vor, die in Zukunft den Münchner Verkehr revolutionieren soll: „Neben Lastenrädern eignen sich auch Fahrten mit der Rikscha als umweltfreundliche Alternative zum Auto.“

Ganz zum Schluss nähern sich die Aktivistinnen und die Autorin der Süddeutschen gemeinsam der Frage, warum im Münchner Westen und in der Stadt überhaupt immer noch so viele Menschen an ihrem Auto festhalten, obwohl die Individualverkehrsmittel der Zukunft – Lastenrad, Rikscha – längst bereitstehen. Und sie finden auch heraus, was die Leute noch ans Automobil kettet. „Auf die Frage von Hannah Henker, was Anwohner wohl daran hindere, ihr Auto abzugeben, hatte Christiane Weiss eine verblüffende Antwort. Vermutlich seien die Parkgebühren zu günstig. Erst wenn diese erhöht würden, wären die Menschen gezwungen, sich nach Alternativen umzusehen.“

In der Tat, verblüffend, was die Leute hindert, das grüne Paradies zu betreten: Sie wollen einfach noch so lange wie möglich die niedrigen Parkgebühren genießen.

Bei Utopien handelt es sich nun einmal um Paradiese, in die störrische Bürger mit Flammenschwertern hineingetrieben werden müssen. Können sich der Berufspendler und die selbständige Altenpflegerin das Parken erst nicht mehr leisten, steigen sie schon noch aufs Lastenrad um.

Gefahr auf drei Rädern
Mein gefährlicher Freund, das Lastenfahrrad!
Das grüne Milieu stellt außer in einzelnen Straßenzügen Schwabings und der Maxvorstadt nirgends eine Mehrheit. Aber Wahlkreise lassen sich schließlich mit 25 bis 30 Prozent der Stimmen gewinnen. Vor allem dann, wenn medial – in der Süddeutschen, aber auch im frisch ergrünten Bayerischen Rundfunk – fast nur noch Stimmen aus diesen 25 bis 30 Prozent zu Wort kommen, während Medienschaffende für den etwas größeren Rest einfach die Stummtaste drücken.

Die Ausgabe der Süddeutschen mit dem Lastenrad- und Rikscha-Text und vielen anderen Berichten über die Proteste gegen die Internationale Automobilausstellung in München lag übrigens stapelweise gratis im Flughafenbus aus, offenbar in der Erwartung, dass auch der eine oder andere eingeflogene IAA-Besucher zugreift. Damit macht es das süddeutsche Blatt ganz ähnlich wie die Münchner Grünen: Die stimmten im Stadtrat für die Durchführung der IAA; die grüne 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaben besuchte das Bankett zur IAA-Eröffnung – während praktisch zeitgleich führende Grünenpolitiker in der ersten Reihe der Demonstrationen gegen die IAA standen.

Wo auch immer Katrin Habenschaden wohnt: ins Unbezahlbare geschraubte Parkgebühren belasten sie nicht persönlich. Für sie gibt es einen Dienstwagen. So kommt frau auch flotter vom Automessen-Bankett zur Protestveranstaltung dagegen und wieder zurück, und kann zwischendurch noch bei der Süddeutschen vorbeischauen, um zu erklären, wie die grüne Zukunft für alle funktioniert.

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Kommentare ( 34 )

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WandererX
2 Jahre her

Grüne sind seit den 1990ern gutbürgerlich und weiblich, wie kommen da die jungakademischen Tussies aus dem elterlichen Arzt- oder Juristenhaushalt dazu, sich als Politiker um das Sozialpolitische in der Breite und gar unten zu kümmern?

WandererX
2 Jahre her

Klar, eine neue verkommende Elite, die Grünen- Spitze, die skrupellos und abwechselnd ihre Gesinnungs- oder Macht- Interessen durchsetzen. So etwas wie Recht und Geradlinigkeit gibt es für diese Spitzendame der Grünen wohl kaum. Sie ist eine Schlange.

Silke Behr
2 Jahre her

Von Dekadenz zeugt auch, dass man die Bedürfnisse Alter und Kranker völlig außer Acht lässt. Oder soll dann ein Lastenfahrrad diese Menschen zu Ärzten und Supermärkten kutschieren? Nun ja, es passt halt zur übrigen NWO-Strategie, dass „unproduktive“ Mitmenschen nicht mehr in diese Welt gehören. Am besten sollte man wohl deren Renten ganz streichen und das Geld in Fahrradwege investieren.

kdm
2 Jahre her

München und Berlin wird so aussehen wie chinesische Städte in den Fifties,
und das heutige China ist voller moderner Technik auf Straßen und Schienen.

Verrückte Welt, verrückte Ungebildete.

Christian S.
2 Jahre her

Vor allem können die Städter ja auch ihre Lebensmittel selber anbauen… auf dem Balkon oder mal eben den Park umgraben und schon is der Salatkopf erntereif… Deutschland schafft sich ab? Na mit dem Hirn hat es schon gut angefangen…

old man from black forrest
2 Jahre her

Achtung Ironie! Mir fällt auf: Die Fahrer des Fortbewegungsmittels der Zukunft sind auf den Werbebildern glückliche weiße Männer. In den Werbespots für E-PKW sind die Fahrer/innen glückliche POC. Ein Menetekel?

Biskaborn
2 Jahre her

Es ist unglaublich welche Irrlichter hierzulande den Diskurs bestimmen, immer öfter sind es hysterierende Frauen, so mein Eindruck. Allerdings bemerkenswert geringes Interesse bei dieser nur absolut unterirdischen Veranstaltung in München, ein kleiner Hoffnungsschimmer?

the ministry of silly walks
2 Jahre her

Aber Herr Schäuble hat doch gesagt, dass die Bürger vor steigenden Benzin-, Heizungs-, Lebensmittel-, sowiesoundalles-Preisen keine Angst haben müssen. – jaja. Mal ernsthaft: bitte mal aufhören mit der ständigen Entschuldigung für das Autofahren – schwere Lasten, Kinder, Gehbehinderung, Handwerker, Leben auf dem Lande, pflegebedürftige Personen in der Familie, kein ÖPNV, schlechte Zugverbindung, blöder Arbeitsplatz. Mit eingeschalteter Vernunft und Zulassung von Forschung und technischer Innovation ist Autofahren genauso rechtfertigungsfrei wie Zähneputzen, Fussball gucken, klassische Musik hören oder SZ-lesen…

Last edited 2 Jahre her by the ministry of silly walks
the ministry of silly walks
2 Jahre her

Ich kenne jemanden mit 7.500 €-Monatsnetto, der sich – besitzt 2 PKW – gerade ein 4.000 €-Lastenrad mit 1.000 € aus städtischem Zuschuss (= Steuermittel) angeschafft hat und damit die 2 Kiddies bei schönem Wetter in die Kita transportiert – ein vorbildlicher Retter des Weltklimas. Was könnte jemand mit 2.500 €-Monatsnetto und einer 4-köpfige Familie dazu sagen… Richtig, diese Menschen schaffen es gerade, ihren Fiat Tipo zu leasen und werden als Umwelt-Sünder beschimpft. Bitte mal ehrlich beantworten, wer sind die wirklich Bekloppten in diesem Lande…

Last edited 2 Jahre her by the ministry of silly walks
Harvey
2 Jahre her

Bei schönem Wetter. Und wenn es regnet, muss der SUV als Kiddie-Transport herhalten, nehme ich an.

W aus der Diaspora
2 Jahre her

Apropo Parken – haben sich die Damwen denn auch schon Gedanken darüber gemacht wo die Teile geparkt werden sollen?
In Mehrfamilienhäusern konnte man früher nicht mal ein normales Rad über Nacht im Hausflur abstellen, abr ok, das konnte man als junger Mensch ja noch in den Keller tragen. Das wird beim Lastenrad etwas schwierig werden. Vor den Häusern ist meist auch kein Platz, erst Recht keine Möglichkeit so ein Teil diebstahlsicher abzustellen 🙂
Somit dürften die Räder nur von Leuten eingesetzt werden, die ein Einfamilienhaus mit Garage oder ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage bewohnen.