Die verblüffende visionäre Kraft des Robert Hugh Benson

Sein Science-Fiction-Klassiker „Der Herr der Welt“ gilt als Vorläufer der dystopischen Literatur des 20. Jahrhunderts, wie sie sich etwa in Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöne neue Welt“ ausprägte. Über 100 Jahre nach der Erstveröffentlichung liest sich Bensons Endzeitthriller aktueller denn je. Von Peter Seewald

Robert Hugh Benson schrieb in seinem kurzen Leben Bücher, wie andere Leute Hemden bügeln. Eines nach dem anderen. 15 Romane, dazu jede Menge Theaterstücke, Short Storys, Kinderbücher. Vor allem: Religiöses. Das meiste davon veritable Bestseller. Dabei hatte der Mann längst auch ohne seine Dichtkunst für Furore gesorgt.

Als Sohn des Erzbischofs von Canterbury wurde Benson mit 23 von seinem Vater zum Priester der Kirche von England geweiht. Neun Jahre danach, 1903, trat er zu den Katholiken über; eine Konversion, die im anglikanischen Establishment gewaltige Schockwellen auslöste. 1904 erfolgte seine Priesterweihe in der Basilika San Silvestro in Capite in Rom.

In die Geschichte ging Benson jedoch mit seinem Science-Fiction-Klassiker „Der Herr der Welt“ ein, dem Vorläufer der dystopischen Literatur des 20. Jahrhunderts. 100 Jahre nach der Erstveröffentlichung liest sich Bensons Endzeit-Thriller aktuell wie kaum zuvor.

Benson kam am 18. November 1871 im Wellington College in Crowthorne im englischen Berkshire zur Welt. In Eton erzogen, studierte er anschließend am Trinity College in Cambridge Theologie und Altphilosophie. Seine kirchliche Karriere begann er als Vikar und Prediger im Londoner East End. Doch dann der Bruch. Benson zweifelte an der Rechtmäßigkeit der anglikanischen Kirche, die Gründe für seine Konversion beschrieb er in dem meisterhaften autobiografischen Essay „Confessions of a Convert“.

Inzwischen katholischer Pfarrer in Cambridge und gefeierter Prediger, galt Benson als einer der hellsten Sterne am katholischen Literaturhimmel. 1911 verlieh ihm Papst Pius X. den Titel eines Päpstlichen Ehrenkaplans. Vorbild als Schriftsteller und katholischer Bekenner war ihm G.K. Chesterton, der große englische Essayist und Erfinder der Pater-Brown-Geschichten.

»Ein unverbrüchlich menschliches Buch«
George Orwell: Auf der Suche nach Wahrheit in einer Welt voller Lügen
Mit historischen Liebesromanen, etwa „Come Rack! Come Rope!“ aus der Zeit der elisabethanischen Katholikenverfolgung im späten 16. Jahrhundert, erntete Benson ersten Ruhm. Mit „Lord of the World“ gelang ihm schließlich 1906 der internationale Durchbruch. Er löste damit weltweites Echo aus. Und im Gegensatz zu Zukunftsromanen wie George Orwells „1984“ und Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“ führt Bensons Vision einer enthumanisierten Welt konsequent bis hin zum Ende der Geschichte, final exerziert durch die Vernichtung der Stadt Rom und der in der Bibel angekündigten letzten Schlacht von Armageddon.

In seinem Endzeitwerk beschreibt der Priester-Autor den Erfolg eines Antichristen, der als allgemein bejubelter Führer unter dem Deckmantel von Fortschritt, Menschlichkeit und Toleranz zum Herrscher der Erde aufsteigt. In dessen rein säkularem Reich tritt an die Stelle des Christentums eine moderne Humanitätsreligion. Menschliche Vernunft ist oberster Gradmesser und Lösungsansatz aller Probleme. Euthanasie wird enttabuisiert. Es ist eine Welt, in der traditionelle Moral, christliche Weltanschauung und generell der Glaube an Gott nicht mehr toleriert werden. Wer sich nicht zum neuen Evangelium der Eigenliebe und des Naturkultes bekennt und der ideologischen Gleichschaltung entgegenstellt, dem droht nicht nur gesellschaftliche Ächtung, sondern die Todesstrafe.

Eine unverzichtbare Voraussetzung für die wahre Entfaltung des Menschen und seiner Bedürfnisse sieht die neue Fortschrittsreligion in der Beseitigung der katholischen Kirche und ihrer „reaktionären“ Lehren. Massenhaft folgen auch Katholiken dem neuen Zeitgeist. Bis auf ein verbliebenes Häuflein von Getreuen, die sich um den letzten Papst sammeln und sich entschlossen der dämonischen Umwertung aller Werte entgegensetzen.

Bensons spannender Zukunftsroman zeigt die Unmenschlichkeit einer konsequenten Nur-Menschlichkeit, die glaubt, auf Gott verzichten zu können. Wie aber gelang es Autoren wie Orwell, Huxley und eben auch Benson, ihre verblüffende visionäre Aussagekraft zu entwickeln? Wohl dadurch, dass sie problematische gesellschaftliche Entwicklungen, die sie um sich herum erkannt hatten, konsequent weiterdachten und damit insbesondere verführerische säkulare Versprechungen entlarvten. Niedergeschrieben in der Hoffnung, eine Art heilsamen Schock auszulösen, um jene Zukunft zu verhindern, die aufmerksame Zeitgenossen bereits als das Menetekel an der Wand zu lesen begannen.


Robert Hugh Benson, Der Herr der Welt. Roman. Edition Credo, Hardcover mit Schutzumschlag, 343 Seiten, 16,80 €


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