Wolf Biermann singt und spricht im Bundestag und ärgert Norbert Lammert

Man muss Biermann nicht lieben, aber dass er es voll drauf hat, steht fest. Und wer sagt es der Linkspartei sonst?

Der sonst so coole Bundestagspräsident Norbert Lammert unterbrach Biermanns kleine Ansprache heute mit einem Hinweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages. Biermann dürfe nicht reden, er müsse singen. Lammert sagte das genau in dem Moment, als Biermann ansetzte die Linkspartei auseinander zu nehmen.
Allerdings könnte Lammert einen gravierenden Irrtum in der Anspannung des Biermann-Auftritts produziert haben, den man ausgerechnet Lammert so gar nicht zugetraut hätte. Sein Hinweis darauf, dass Biermann, weil er zunächst sprach statt sofort los zu singen, gegen die Geschäftsordnung des Bundestages verstoßen hätte und nur reden dürfte, wenn er ein gewähltes Mitglied des Bundestages wäre, ist so nicht richtig. In der jüngeren Vergangenheit sind auch nicht gewählte Persönlichkeiten in den Bundestag zum REDEN eingeladen worden, die auch geredet haben. Das war in früheren Zeiten sicher anders, heute ist es aber so.

Marcel Reich-Ranicki, Nelson Mandela, der Papst und vielleicht sonst noch wer haben im Bundestag gesprochen, und das ist auch vollkommen in Ordnung.
Wenn Biermann nur zum Singen eingeladen wurde, also nur eine Art Singevertrag hatte und keinen Redevertrag, dann kann man ihn vielleicht wegen Vertragsbruches ermahnen, aber sicher nicht wegen eines Verstoßes gegen die Geschäftsordnung des Bundestages. Klar, dass Biermann die Vorlage des Präsidenten launig ausnutzte und mit viel Ruhe der Linkspartei eins in die Magengrube versetzte.

P.S. Ich habe mal, nach einem Besuch bei der betagten Emmi Biermann, einen ganzen Abend mit Wolf Biermann und Eva Maria Hagen in seinem Haus in Hamburg verbracht. Das war Mitte der achtziger Jahre, und damals waren Wolf Biermann und seine Eva in einer furchtbar weinseligen ostalgischen Stimmung. Es ging um die Mauer, den Kommunismus, den noch schlimmeren Kapitalismus und um viele Schicksale, Menschen, Frauen, Kinder, Freunde, Verräter und die ganze Welt. Wenn ich dann heute Biermann im Bundestag sehe, war er vitaler, spritziger und fröhlicher als vor dreißig Jahren, dann sage ich: Hut ab!

Und ich sage: Deutschland braucht solche Biermänner heute dringender denn je.

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