Wenn linke Faschisten und rechte Achtundsechziger Wahlkampf machen

2017 sind wir wieder da, wo wir 1968 schon einmal waren: Pöbeln und Bedrohen als Wahlkampfmittel. Nur dass die Anti-Demokraten und Anti-Diskutanten nicht mehr ausschließlich links stehen, sondern auch ganz rechts.

Wer Wahlkampf macht, muss mit Störern rechnen. Bei Gerhard Schröders letzter Schlacht 2005 protestierten vor allem Agenda-Gegner. Bei Angela Merkel versuchten früher meistens Linke zu stören, vor vier Jahren in erster Linie „Piraten“. (Für Jüngere: Diese Partei saß einmal in vier Landtagen, existiert angeblich noch). Helmut Kohl hatte die ihn begleitenden, brüllenden, tobenden und geifernden Linken gerne als „Fußkranke der Weltrevolution“ begrüßt, was seine Anhänger immer wieder jubeln ließ.

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In diesem Wahlkampf ist manches anders. Wer sich für einen Anti-Faschisten hält und damit – implizit – ein Gegner der Meinungsfreiheit ist, der versucht AfD-Veranstaltungen zu verhindern. Falls das nicht gelingt, dann werden sie zumindest massiv gestört. Aus Sicht dieser „Antifaschisten“ ist man dann ein lupenreiner Demokrat, wenn man andere niederbrüllt oder deren Plakate mit der Axt zerstört. Da weiß man wenigstens, wer die Demokratie nicht verteidigt. Denn diese so genannten Anti-Faschisten sind in Wirklichkeit linke Faschisten.

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Neue Erfahrungen machen auch die CDU und Angela Merkel. Wo immer die Kanzlerin auftritt, wird sie von rechts außen angepöbelt. Besonders ausfällig und lautstark treten die an ihren Plakaten und Transparenten zu erkennenden AfD-Anhänger in den neuen Ländern auf. Aber auch im Westen der Bundesrepublik toben sich AfD-Fans, Pegida-Anhänger und NPD-Glatzen aus, schreien aus geschwollenen Hälsen, pusten mit rot angelaufenen Gesichtern in ihre Trillerpfeifen, stoßen mit vor Hass funkelnden Augen möglichst üble Schimpfwörter aus. „Hau ab“, „Volksverräter“, „Lügner, Lügner“, schallt es Merkel da entgegen. Das sind die noch zitierfähigen Sprüche.

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Ob wildgewordenen Kleinbürgern und Hard-Core-Rechtsradikalen eigentlich bewusst ist, wessen Erbe sie da angetreten haben? Kein anderes, als das der Achtundsechziger! Damals, vor fünf Jahrzehnten, galt es als Ausdruck ideologischer Fortschrittlichkeit, den politischen Gegner mundtot zu machen, ihn niederzubrüllen, seine Versammlungen zu sprengen, Redner und Anhänger zu bedrohen. Die Achtundsechziger wähnten sich im Besitz der allein selig machenden Wahrheit, fühlten sich im Recht und gleichwohl unterdrückt, weil die werktätigen Massen sich von ihnen partout nicht befreien lassen wollten.

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2017 sind wir wieder da, wo wir 1968 schon einmal waren: Pöbeln und Bedrohen als Wahlkampfmittel. Nur dass die Anti-Demokraten und Anti-Diskutanten nicht mehr ausschließlich links stehen, sondern auch ganz rechts. Was für ein Triumph für die Alt-Achtundsechziger: Der rechte Pöbel hat die Kampfmethoden des linken Pöbels übernommen. Demokraten, hört die Signale!

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Wahlkampfweisheit zum Tage: Wer Politik mit dem Kehlkopf statt mit dem Kopf macht, hat es einfacher – er muss nicht denken.

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Kommentare ( 76 )

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6 Jahre her

Ihnen sei dies hier empfohlen:

https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/spahns-spitzwege/was-oezoguz-will/

Was Ötzogutz will, ist eine einzige große Entgleisung.

Gerd Dammhirsch
6 Jahre her

Sorry, aber diese pauschale Kennzeichnung mache ich mir bei allem Ärger über einige seiner Formulierungen nicht zu eigen.

Rabulistiker
6 Jahre her

Meine Sehnsucht nach einem Bürgerkrieg steigt ins Unermessliche, nachdem alle Diskutierversuche und alle Demonstrationen der letzten Jahre ins Leere gelaufen sind und nur dazu geführt haben, mich und meine wohldurchdachte Meinung zu schmähen und zu kriminalisieren.
Auch durch Leute wie Sie, Herr Müller-Vogg.

Jetzt will ich die Entscheidung auf der Straße.

Ralf Pöhling
6 Jahre her

Doch, das glaube ich schon. Der Bürger weiß nur nicht wirklich, wer es mit ihm ehrlich meint und wer nicht. Ab dem Moment, wo der Bürger selbst über bestimmte politische Entwicklungen entscheiden kann und die Entscheidung nicht an Dritte abtreten muss, setzt sich der Fokus beim Wähler automatisch auf das Problem als solches. Es geht dann nicht mehr um die Glaubwürdigkeit irgendeines Kandidaten, sondern um das Problem selbst. Was meinen Sie? Hätte die deutsche Bevölkerung für, oder gegen den Euro gestimmt? Und hätte sie für, oder gegen die Flutung dieses Landes mit „Flüchtlingen“ gestimmt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass… Mehr

Skepsis
6 Jahre her

Nein, ich bin potentieller Wähler der AfD, der extrem genervt ist von den ständigen taktischen Fehlern von Spitzenleuten in den Partei.

Gauland muss doch wissen, was das für Wellen schlägt.

Sonni
6 Jahre her

Kein guter Vergleich, AfD-Anhänger und „NPD-Glatzen“!
Vergessen Sie nicht, lieber Herr Müller-Vogg, welch unterdrückte Wut sich bei den Anti-Merkel-Demonstranten angestaut hat.
Auch wenn ich sagen muss, dass ich bei der Lautstärke der Pfiffe und Sprechchöre beim Merkel-Auftritt in Gelnhausen fast Mitleid mit der Kanzlerin hatte, war da so heimliches Gefühl der Schadenfreude, dass Merkel, die nie ein Wort über die undemokratischen Aktionen gegen AfD-Plakate bzw. Auftritte verlieren würde, das gleiche Schicksal wenigstens in leichterer Form jetzt auch teilt.

Franz Branntwein
6 Jahre her

Herr Müller-Vogg, Sie bezeichnen die Bürger, die lautstark ihren Unmut gegen Merkel äußern, als rechten Pöbel. Ich sehe in diesen Bürgern mutige, politisch interessierte Menschen, deren Sorgen um unser Vaterland (darf man das noch schreiben, Heiko Maas?) mittlerweile so groß geworden sind, dass sie ihrem Unmut zwingend freien Lauf lassen müssen. Reißen diese Bürger Merkel das Rednerpult von der Bühne? Bewerfen sie, so wie vor kurzem in Offenbach am AfD-Stand geschehen (siehe Offenbach Post online vom 21.8.2017), den Wahlkampfstand, Politiker und Passanten der anderen Parteien mit dem türkischen Joghurt-Getränk Ayram und rufen „Ayram gegen die CDU“? Also seien Sie mal,… Mehr

Steffen Schöps
6 Jahre her

Warum sind wir wieder da? Weil man auf dem normalen Weg nichts durchsetzen kann und die Obrigkeit macht was nur sie will.

Dieter Rose
6 Jahre her

Dem CDU-Kandidaten meines Wahlkreises ist das Gesundheitswesen
ein Herzensanliegen. Über die Flüchtlings/Asylanten/Migrantenpolitik
spricht er wenig bis gar nicht. Da sieht er wohl keine Verbindung,
die Mehrkosten in seinem Bereich, verursacht durch seine Kanzlerin,
erkennt er nicht.
Da kannste nur pfeifen und hauab rufen, auch mit zornesrotem Kopf.ö

Dieter Rose
6 Jahre her

dududu, böse Frau Merkel flüstern?