Weidenfeld: Parteienlandschaft wird weiter zersplittern

Die Bundestagswahl findet statt in höchst unruhigen Zeiten, die den Titel „Demokratie in der Krise“ erhalten haben. Zur täglichen Erfahrung wurden populistische Vorwürfe, frustrierte Ratlosigkeit, konzeptionelle Ermüdung, innere Aushöhlungen. Wird der Ausnahmezustand zum Dauerzustand?

IMAGO / Sven Simon

München. Der Politologe Professor Werner Weidenfeld rechnet bei der kommenden Bundestagswahl mit einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft. Die großen Parteien würden sich nicht um die großen Fragen kümmern, sondern böten nur ein Sammelsurium von Details. „Was die Parteien im Wahlkampf programmatisch bieten, führt zu einer Fortsetzung dieser Zersplitterung, nicht zur Überwindung“, schreibt Weidenfeld in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift Tichys Einblick. „Die umfangreichen Wahlprogramme der Parteien bieten jeweils Ansammlungen von unendlich vielen Details, nicht das große visionäre Zukunftsbild der Republik. Nach der Wahl werden dann diverse Parteien versuchen, aus diesen Detailsammlungen wieder einen höchst detaillierten Koalitionsvertrag zu schneidern – bevor dann wieder die Konflikte des Regierungsalltags beginnen.“

Auch bei den Kanzlerkandidaten sieht Weidenfeld große Schwächen. Unionskandidat Armin Laschet habe zwar „mit seinem spezifisch freundlichen Stil die politischen Verwundungen in beiden Unionsparteien“ vergessen gemacht, aber keine neuen Wähler angezogen. „Sein «Sowohl-als-auch», sein «Weiter so» und zugleich «neuer Aufbruch» erschöpft sich in seiner Freundlichkeit“, so Prof. Weidenfeld. Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock habe nicht nur mit Fehlern im Lebenslauf, in ihrem Buch sowie mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit ihres Stipendiums zu kämpfen. „Sie verbreitet den Eindruck einer gewissen Überforderung.“ Schließlich ist Weidenfeld auch nicht vom SPD-Kandidaten überzeugt. „Olaf Scholz verbindet trockene finanzpolitische Erfahrungskompetenz mit einer hanseatischen Rhetorik. Damit aber ist die SPD nicht aus ihrem stabilen Tief zu befreien.“

Die Folge: „Das bunte Vielparteiensystem wird seine Unkalkulierbarkeit weiter steigern“, erwartet der Politologe. Während die Komplexität der Welt und der Herausforderungen wachse, werde der „Orientierungsbedarf politisch nicht einmal ansatzweise befriedigt“, so Prof. Weidenfeld. „Das Ergebnis heißt Konfusion. Das führt zu dieser nun von uns erlebten Zersplitterung der Parteien- und Wählerlandschaft.“


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Kommentare ( 65 )

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Peter Gramm
2 Jahre her

Kann man unterschreiben. Wird aber nie passieren. Die zur Wahl anstehenden sind vorher entsprechend eingenordet worden. Listen gehören abgeschafft. Insbesondere bei CDU und Grünen merkt man die Amerikahörigkeit ganz stark.

Andreas aus E.
2 Jahre her

Weder Laschet, Baerbock, Scholz werden eine erforderliche Mehrheit erlangen.
Man wird also nach mehrmonatiger, quälender Merkelverlängerung einen neuen Kandidaten benennen, und das wird Daniel Günther sein.
Dieser Albtraum aus Schleswig-Holstein dürfte für Union, Sozen, FDP, SED und „Grüne“ gleichermaßen kompatibel sein.

Wohlgemerkt: Nicht meine Wunschvorstellung, sondern Befürchtung.

Alfonso
2 Jahre her

„Weidenfeld: Parteienlandschaft wird weiter zersplittern“

Es gibt derzeit die große links-grüne Partei, die CDU/CSU.SPD.GRÜNE.FDP.LINKE, die die Zustimmung von mindestens 75 % der Wähler hat. Diese Einheitspartei braucht keinerlei Sorgen um die Zustimmung durch die Wähler zu machen.

Offen ist lediglich, welche Personen aus der Riege dieser Einheitspartei die Regierung bilden. Das spielt jedoch nur eine Rolle für die davon betroffeneren Politiker, für die Bürger ha5 das jedoch keine entscheidenden Auswirkungen.
Es handelt sich hier nur um eine Jobrotation unter Ihrsgleichen.

Was spielt es dann für eine Rolle, wenn es daneben noch mehrere kleine, unbedeutende Parteien gibt?

jopa
2 Jahre her
Antworten an  Alfonso

Also, die nationale Front unter Führung der Arbeiter- und Bauernklasse, repräsentiert durch die SED, halt: die gibst nicht mehr, dann aber unter Führung der Bolschewisten= Grünen. Nennt sich das dann das 4. Reich oder die 2. DDR? Eigentlich egal, beides zum weglaufen.

Felicitas21
2 Jahre her

Laut aktuellen Umfragen ist Scholz als Kandidant
nun auf Platz eins vorgerückt. Und die SPD hat Stimmen dazu gewonnen. Keine Ahnung, warum ausgerechnet dieser Finanzminister, veranwortlich für Millarden Schulden im dreistelligen Bereich, nun unser Land aus der wirtschaftlichen Dauerkrise führen soll.

Andreas aus E.
2 Jahre her
Antworten an  Felicitas21

Platz eins ist ja nach wie vor Kandidat „Keinervondenen“.
Wenn Scholz nun von den dreien vorn liegt, dann wohl nur, weil Laschet und Baerbock sich aktuell weit prominenter verunmöglicht haben, Scholzens Fehltritte (vorsichtig formuliert) sind schlicht nicht mehr so präsent. Aber keine Sorge, die medialen „Grünen“fans werden nicht alle rasch begreifen, was nun Linie ist und vor lauter Annalenabesoffenheit noch Scholzens Leichen im Keller hervorkramen.

haasel
2 Jahre her

Jetzt fehlt nur noch die glorreich Einmischung aus Brüssel, die 5% Klausel sei nicht EU konform, sondern die 3%… dann wird es noch bunter!

IJ
2 Jahre her

Sorry, aber ich finde die Diagnose „die Parteienlandschaft wird weiter zerplittern“ weder neu, originell noch inspirierend (insb. im Vergleich zu den sonstigen Artikeln und Leserkommentaren bei Tichyseinblick). Sie ist eher banal und konsensmässig weichgespült im Sinne der aktuellen etablierten Parteien. Denn einmal mehr wird ja – zumindest indirekt – dem Wähler die Schuld für den Niedergang zugeschoben (P.S. Für mich sind indes der Linksruck Merkels und der Grün-Linke Aufruf zum Kampf gegen Rechts die Hauptursachen für den Niedergang unseres bisherigen politischen Systems). Kann es sein, dass sich hier jemand mit unscharfer Minimalkritik am aktuellen Parteiensystem seine Auftraggeber nicht verschrecken will… Mehr

HBS
2 Jahre her

Deutschland hat 80 Millionen Einwohner und diese 3 Figuren (Laschet, Baerbock, Scholz) sollen die „Besten der Besten“ sein, die das Land politisch führen sollen – Unglaublich.

Aber auch die 2 Reihe mit Söder, Norbert Walter-Borjans oder Saskia Esken (SPD) oder ein Habeck sind nicht viel besser – typische Berufspolitiker ohne Bindung zur normalen deutschen Gesellschaft.

Michael M.
2 Jahre her
Antworten an  HBS

Besser, die 2. Reihe ist ja noch viel gruseliger als die 1., der schlimmste von allen ist dabei der Franke aus Nürnberg, der personifizierte Opportunismus und zwar im komplett kompetenzloser Form.

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

 „Das bunte Vielparteiensystem wird seine Unkalkulierbarkeit weiter steigern“ Was an dieser links-grünen Einheitssauce bunt sein soll, müsste der Politologe erst einmal näher erklären. Unser Wahlrecht gehört auf den Prüfstand. Je mehr sich ein Wahlsystem von dem Prinzip „one man, one vote“ entfernt, umso mehr wird die Demokratie in Gefahr geraten. Unser kombiniertes Wahlrecht erzeugt einen Parteienstaat, der sich immer weiter von der Gesellschaft abschottet und ein Eigenleben mit zum Teil absurden Zielsetzungen führt, dass an den Interessen weiter Kreise der Gesellschaft vorbei geht. Ein reines Mehrheitswahlrecht würde hier sicher zu einer neuen Identifikation der Gesellschaft mit ihren politischen Vertretern führen.… Mehr

Ostfale
2 Jahre her
Antworten an  Juergen P. Schneider

Herr Schneider, prima Beitrag, der letzte Satz enttäuscht, warum nur träumen? Davon ändert sich nichts, da m u ß etwas geschehen. Sage niemand, der Änderungen erreichen möchte, es gehe nicht, die Landsleute in der Ehemaligen haben unter viel rüderen Bedingungen in ihrem Staate, diesen aus der Bahn zu werfen. Das Problem ist m. E. die satte Faulheit primär der Westdeutschen, die, solang„Dass ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.“ (Botho Strauss, 1993)e ihre Vorstellungen von Leben… Mehr

StefanB
2 Jahre her

„Die umfangreichen Wahlprogramme der Parteien bieten jeweils Ansammlungen von unendlich vielen Details, nicht das große visionäre Zukunftsbild der Republik.“

Die Wahlprogramme vielleicht nicht wörtlich (man muss insofern zwischen den Zeilen lesen), die Realpolitik dagegen sehr wohl. Für den ökosozialistischen Einheitsparteienblock gibt es überhaupt kein Zukunftsbild der Republik mehr, denn sie arbeiten ja mit Hochdruck auf deren Abschaffung hin (erst EU-Zentralstaat, dann „Eine Welt“). Der marginale Rest, die AfD, steht für das Gegenmodell, also den Nationalstaat, wobei das auch nicht mehr klar herüberkommt, wie viele andere ursprüngliche Ziele auch nicht.

Warte nicht auf bessre zeiten
2 Jahre her

Da wäre ich ohne professorale Hilfe nie daruf gekommen. Danke! Ich meditiere jetzt mal ein wenig über Feigheit im politischen Raum.