Staatsrechtler Scholz: CDU ist keine Volkspartei mehr – Konservativen Flügel wieder stärken

Der frühere Verteidigungsminister und Verfassungsrechtler Rupert Scholz rückt ein paar Dinge gerade. Die CDU hat in Thüringen nicht die AfD gewählt, sondern einen Mann der FDP.

imago images / photothek
Rupert Scholz

Der Staatsrechtler Rupert Scholz rät der Union, die AfD politisch zu stellen und nicht länger auszugrenzen. Ansonsten sieht Scholz keine Chancen mehr für Union und FDP, konservative Mehrheiten zu gewinnen. „Nach den Umfragen liegt die AfD bei rund 15 Prozent bundesweit, inzwischen vor der ehemaligen Volkspartei SPD. Im Osten liegt sie bei 25 Prozent. Parteien in solchen Größenordnungen kann man doch nicht völlig ausgrenzen“, erklärt Scholz im Gespräch mit dem Meinungsmagazin Tichys Einblick. „Man muss sich politisch mit denen auseinandersetzen, das ist klar. Aber man kann sie nicht total ausgrenzen, weil das letztlich auch in eine Wählerbeschimpfung mündet. Das halte ich für hochgefährlich und hochproblematisch.“

Es gehe auch darum, ob die Union den rot-rot-grünen Koalitionen eine eigene Mehrheit entgegensetzen kann. „Die Union läuft gemeinsam mit der FDP Gefahr, permanent auf die Oppositionsbänke verbannt zu werden, es sei denn, sie würde sich mit der AfD arrangieren. Das will sie nicht. Gut, das mag heute auch kein Thema sein. Aber längerfristig muss sich die Union schon überlegen, wie sie insgesamt koalitionsfähig und damit auch mehrheitsfähig sein will. Mit der jetzigen Politik macht man sich Optionen kaputt.“

Für die Sozialdemokratisierung der Union durch Bundeskanzlerin Angela Merkel zahle die Partei einen hohen Preis, so Scholz. „Konservativ-liberale Stammwähler gingen von der Fahne: zunächst ins Nichtwählerlager, dann haufenweise zur AfD. Will die Union größere Teile dieser Wähler zurückgewinnen, dann muss sie ihren konservativen Flügel wieder reaktivieren, programmatisch wie personell.“ Den Status einer Volkspartei habe die CDU verloren. „Die Union sieht sich im Gegensatz zur SPD noch als Volkspartei. Nach den desaströsen 11,2 Prozent der CDU bei der Hamburg-Wahl klingt das fast wie von gestern“, so Scholz. Eine Volkspartei vereinige wenigstens 30 Prozent der Stimmen. „Bereinigen wir das Unionsergebnis heute um das Ergebnis der bayerischen CSU, dann liegt die CDU in Deutschland bei gerade mal 22 oder 23 Prozent. Die CDU allein ist keine Volkspartei mehr.“


Das gesamte Interview in Tichys Einblick Ausgabe 04-2020 >>>

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Kommentare ( 95 )

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moorwald
4 Jahre her

Die Ära Kohl ging zuende, als die Leute zwar noch CDU wählen wollten, aber nicht mehr Kohl. Die Wähler waren seiner überdrüssig. Kohl verschwand, die CDU überlebte es.

Dann kam Merkel. Bald wählten die Leute immer weniger CDU als vielmehr Merkel. Nun verschwindet die CDU, und Merkel überlebt bis heute.

Kohl über Merkel: die macht mir meine CDU kaputt…

Für Kohl war die Partei alles, seine Heimat. Für Merkel ist die Partei als solche bedeutungslos.

Delcarlo
4 Jahre her
Antworten an  moorwald

Für Merkel ist die Partei als solche bedeutungslos. Das kann man bei

Delcarlo
4 Jahre her
Antworten an  moorwald

„Für Merkel ist die Partei als solche bedeutungslos.“ Das kann man bei Vera Lengsfeld nachlesen, wenn sie beschreibt, wie Frau Merkel sich die Partei ausgesucht hat. Rein opportunistisch.

moorwald
4 Jahre her
Antworten an  Delcarlo

Und Merkel hat es sogar selbst gesagt im Interview mit Hugo Müller-Vogg: „Da bot sich eine hübsche Karrieremöglichkeit.“

Kein Politiker aus Berufung würde je so denken und reden.
Da Elend der CDU rührt genau daher, daß sie sich hat benutzen lassen. Wer mag es zuerst bemerkt haben? Und nun zahlt sie den angemessenen Preis dafür.

moorwald
4 Jahre her

Immer wieder die Frage: warum ist Merkel angesichts ihrer nicht wegzuleugnenden schweren Fehlentscheidungen nicht längst davongejagt worden, ja nie ernstlich in Gefahr gewesen?
Gewiß spielt da der Eigennutz der Gefolgsleute eine große Rolle. Es leben einfach zu viele von der Politik und nicht für sie.
Aber es dürfte hinzukommen, daß so viele trotz besserer Einsicht den richtigen Zeitpunkt zum Absprung bzw. zum Gegensteuern verpaßt haben. Sie haben mitgemacht und würden ja nun vor sich selbst als absolute Versager dastehen.
Es ist ein bißchen wie beim Glücksspiel: da fällt es dem Verlierer auch schwerer aufzuhören als dem Gewinner…

paulrabe
4 Jahre her

Man sollte realistisch bleiben. Ca. die Hälfte der Union, das Merkel Lager, wird niemals mit der AfD zusammenarbeiten, nicht mal indirekt. Ähnliches gilt auch in der FDP. Bei der FDP kommt noch erschwerend hinzu, daß diese, würde sie an der AfD Zusammenarbeits-Frage zerbrechen, sofort unter der 5% Hürde landet. Für eine Regierungsmehrheit müssten also Union/2 + AfD über 50% landen. Das dürfte bis auf weiteres völlig unrealistisch sein. Realistischerweise wird es also einen Wechsel zwischen schwarz-grünen und grün-rot-roten Bündnissen in den nächsten Jahrzehnten geben, wobei die Grünen mehr und mehr zu einer bürgerlichen Partei der Mitte mutieren, also zu genau… Mehr

fatherted
4 Jahre her

Heruntergebrochen ist die ganze Sache doch recht einfach. Wenn die CDU sich dazu durchringt wieder konservative Politik rechts der Mitte zu machen, dann ist die AfD auf Dauer wieder unter 5%. Das weiß jeder in der CDU, das weiß auch jeder in der AfD…Gauland hat zu Beginn der AfD Erfolge sogar selbst darauf hingewiesen. Nur ist die CDU eben nicht bereit zu diesem Schritt….und wird daran kaputt gehen. Der nächste Wahlkampf 2021 wird es zeigen….sollte man da noch auf Merkel Kurs sein….geht das Schiff unter….mit Mann und Maus.

Albert Pflueger
4 Jahre her

Der Rat, die AfD politisch zu stellen, ist wohl kaum wohlmeinend für die CDU. Der Versuch, die eigene moralingetränkte Politik gegen rationale Argumente zu verteidigen, müßte zwangsläufig nach hinten losgehen. Es gibt kein einziges Politikfeld, auf dem die Koalition vorzeigbare Ergebnisse vorweisen könnte.

Die Ausgrenzung der AfD ist für diese Versager wirklich alternativlos.

paulrabe
4 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

„Die Ausgrenzung der AfD ist für diese Versager wirklich alternativlos“
Sie ist auch aus rein taktischen Gründen alternativlos, denn mit der AfD zusammen würde es nie zur Kanzlermehrheit reichen.
Um am Ende kurz vor den Grünen „durchs Ziel“ zu gehen und damit das Recht der Kanzlerschaft zu bekommen, muss die Union, rein taktisch, probieren möglichst viele Wechselwähler direkt von den Grünen abzuwerben, also dort politische Angebote zu machen wo man schwarz-grüne Wechselwähler „fangen“ kann.

moorwald
4 Jahre her

Irgendwie bezeichnend sind auch die ewigen Blazer plus Hosen. Man könnte sie wohl als eine Art von Dienstkleidung, ja Uniform deuten. – Nehmen wir an, gefallen zu wollen, sei ein starkes Motiv weiblicher Selbstdarstellung (was Frauen u.a. so liebenswert macht…), so sehen wir bei Merkel nichts davon. Aber einmal ging ein Rauschen durch den Blätterwald. Da präsentierte sie sich für ihren Bayreuth-Besuch mit einem äußerst üppiges Decolleté. Auf mich wirkte es wie der schüchterne, leicht trotzige Versuch eines verspäteten Teenagers: Seht her, auch ich habe was zu bieten… Es war einfach eine peinliche Entblößung. Kleidung als Ausdrucksmittel gibt es auch… Mehr

Engelmann Hans
4 Jahre her

Nun, der (Organisation) Kirche war das Geld wichtiger als der Glaube… und das wird auch so bleiben!

Falk Kuebler
4 Jahre her

Herrn Scholz empfinde ich als äusserst honorigen Mann und bin (für Deutschland) in Trauer, dass er nur noch Vergangenheit hat, aber keine Zukunft mehr… Mit diesem hohen Respekt möchte ich trotzdem einigen seiner Einlassungen widersprechen, denn mit einem anderen Blickwinkel (nicht unbedingt mein persönlicher Wunsch-Blickwinkel) könnte man dem mMn zu Recht etwas entgegenhalten. Ich versuche es mal als Advokatus Diaboli: „Die Union läuft gemeinsam mit der FDP Gefahr, permanent auf die Oppositionsbänke verbannt zu werden, es sei denn, sie würde sich mit der AfD arrangieren“ Das gilt nur dann, wenn sich die CDU so sieht, wie sie es mal klassisch… Mehr

Albert Pflueger
4 Jahre her
Antworten an  Falk Kuebler

So eine Art neue FDP? Dazu gehören aber zwei etwa gleich starke Volksparteien, die nahe an der 50% – Grenze liegen und gemeinsam mit dem kleinen Koalitionspartner eine Mehrheit erringen können. Sollen diese Rolle die Grünen einerseits und eine Neue SED aus Linken und SPD andererseits übernehmen? Die sind davon meiner Meinung nach weit entfernt!

Falk Kuebler
4 Jahre her
Antworten an  Albert Pflueger

„So eine Art neue FDP? “ Nein, eher nicht (ich nehme an, dass Sie „neue“ im Vergleich mit der „alten“ klassischen FDP gemeint hatten). Das würde eine so von mir skizzierte „weiterentwickelte“ CDU auch dann nicht schaffen, wenn sie es anstreben würde… Ihr Einwand zu den Prozenten ist natürlich nicht ganz unberechtigt, aber warum soll eine grüne Volkspartei nicht 35% oder sogar einen Tick mehr bekommen? Und die grüne CDU 10 bis 15%. Zur Not könnte man ansonsten ja noch die SPD-Reste dazunehmen. Oder die Linke. Zu den „gleich starken Volksparteien“ glaube ich, dass es die nicht mehr geben wird.… Mehr

Gerda Hesse
4 Jahre her

Wer sein eigenes Volk ablehnt, ist keine Volkspartei.

Arthur Dent
4 Jahre her

Herr Scholz begeht einen Denkfehler: er glaubt, dass CDU und FDP (immer noch) konservative Parteien sind. Aber beide sind inzwischen kein bisschen mehr konservativ, auch wenn noch viele Mitglieder das glauben.