Om – wie enttäuscht ist die Bundeskanzlerin vom Dalai Lama?

Merkels Enttäuschung muss groß sein, wo sie eben in buddhistischer Gelassenheit den Ängstlichen im Lande so rührend naiv empfahl, einen Menschen, der zu uns geflohen ist, einfach mal persönlich kennenzulernen.

© Thomas Lohnes/Getty Images

„Andererseits sind es mittlerweile zu viele. Deutschland ist Deutschland. Europa, zum Beispiel Deutschland, kann kein arabisches Land werden.“ Meint der Dalai Lama im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zur aktuellen Flüchtlings- und Einwanderungskrise in Deutschland.

Ist das nun vollendete Weisheit oder nur ein schnöder Seitenhieb auf die Einladungspolitik der deutschen Bundeskanzlerin?

Oha, jetzt wird’s eng, wenn sogar der Dalai Lama Deutschland empfiehlt, sich in seiner Zahl der Asylbewerber zu beschränken und darauf zu achten, dass wir kein arabisches Land werden. Ja ist der gute Alte jetzt Wortführer einer Dalagida? So etwas kann natürlich nur jemandem einfallen, der gänzlich unbedarft ist, was die deutschen Verhältnisse angeht. Ausgerechnet eine moralische Instanz wie der Dalai Lama!

So viele über jeden Zweifel erhabene Seher und Mahner hat die Welt ja nicht mehr. Nelson Mandela tot, Gandhi schon länger und Mutter Teresa leider ebenfalls. Wer soll da nun noch nachkommen, wenn schon seine Heiligkeit den heiligen Akt der deutschen Flüchtlingshilfe auf diese Weise in Zweifel zieht? Der aktuelle Papst jedenfalls wird noch ein Weilchen brauchen, bis er den Status des Weisen aus Wadowice erreicht hat – wenn überhaupt. So lange warten? Haben wir die Zeit?

Erinnern Sie sich noch an das Jahr 2007? Damals, als sich die neue deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel über jede Kritik aus der SPD hinwegsetzte, selbstbewusst den Dalai Lama in ihrem Kanzleramt empfing und anschließend sogar Peking aufforderte, mit seiner Heiligkeit das heilige Gespräch zu suchen? Schon damals deutete sich übrigens eine erste buddhistische Allianz zwischen der Kanzlerin und den Grünen an, als Claudia Roth ihr in Sachen Dalai-Lama-Empfang schützend zur Seite sprang.

Und zum Dank gibt der religiöse Führer der Tibeter jetzt den Seehofer? Zwei Seelenverwandte? Der bayrische Landesvater ist jedenfalls durchaus  meditationserfahren. Und beim Tenzin Gyatso scheint alles möglich. Keine Berührungsängste. 2008 sonnte sich sogar der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler im Schatten des Heiligen und hielt ihm zu Ehren eine Rede am Brandenburger Tor mit dem merkwürdigen Titel: „Deutsche Politik für Tibet – Gegen Intoleranz und Unterdrückung“. Für den musikalischen Background sorgte damals die Band „2raumwohnung“ mit Texten, wie aus der reinen buddhistischen Lehre: „Doch wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wär es der Moment in dem wir nur wir selbst sind und jeder sich erkennt.“

Angela Merkel bekam von Lhamo Döndrub (sein Geburtsname) als Gastgeschenk einen blütenreinen weißen Friedensschal umgehängt, dieser symbolträchtigen Alternative zum hawaiianischen Blumenkranz. Also eigentlich alles Friede, Freude, Eierkuchen zwischen den beiden. Und nun das: der Göttliche im Sound des ungarischen Miesepeters Victor Orban, der sich nun aus heiligen Höhen bestätigt sehen darf mit seiner viel gescholtenen Behauptung, die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin sei „nicht alternativlos“.

Angela Merkels Enttäuschung muss jetzt auch deshalb groß sein, weil sie doch schon so lange in geradezu buddhistischer Ruhe und Gelassenheit unermüdlich die Friedensbotschaft verbreitet. Das ist ihre Stärke. Daraus speisen sich dann wieder so rührend naive Empfehlungen wie gerade erst, als sie der „Bunten“ erklärte: „Jedem, der Angst verspürt, empfehle ich, wenn sich dazu irgendwie Gelegenheit bietet, einen Menschen, der zu uns geflohen ist, einfach mal persönlich kennenzulernen. Es sind Menschen, die vieles erlebt und erlitten haben und genauso wie wir ihre Sorgen und Hoffnungen haben.“ Empfehlungen, zu denen so ein geschäftstüchtiger Weltreisender wie der Dalai Lama gar nicht mehr selbst in der Lage zu sein scheint.

Aber ach, wenn‘s der weiße Schal nicht mehr tut, geben wir der guten Seele aus Berlin doch zum Abschied und zur erbaulichen Stütze noch einen Gandhi mit auf den Weg:  “Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du.”

Diesen Gandhi muss Angela Merkel allerdings von hinten nach vorne lesen: Zuerst gewinnst du, dann bekämpfen sie dich, dann lachen sie über dich, dann ignorieren sie dich. Kein schönes Schicksal.

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