Merkels kurzer Aussetzer: Die geknickten „Ausreiseverbote“

Wie konnte ausgerechnet der früheren DDR-Bürgerin Angela Merkel so ein Lapsus passieren? Vielleicht auch weil der Schrecken des Wortes Ausreiseverbot für sie eben nicht ganz so schrecklich war.

imago images / photothek

Wie ist diese erstaunliche Instinktlosigkeit Angela Merkels zu erklären? Angesichts ihres – beziehungsweise ihres Kanzleramtsministers – Vorstoßes, „Ausreiseverbote“ für ganze Landkreise zu ermöglichen, erweckte sie den Eindruck, dass ihr nicht bewusst war, welche negativen Emotionen ein solcher Begriff und seine Bedeutung gerade bei jenen Deutschen auslösen muss, die vor 1990 in dem Staat auf deutschem Boden leben mussten, der ihnen gewaltsam die Ausreise verbot. Merkel hat den Vorstoß erst zurückgenommen, als die beiden ostdeutschen Ministerpräsidenten ihrer eigenen Partei, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer, sie daran unausgesprochen erinnerten.

Und das passiert ausgerechnet einer Politikerin, die ihr erstes Leben bis 1990 in der DDR lebte! Das Fremdeln Merkels mit diesem spezifisch ostdeutschen und zweifellos sehr nachvollziehbaren Widerwillen war vielleicht eine der seltenen Gelegenheiten, in denen die Meisterin der persönlichen und politischen Verschleierung unabsichtlich einen kurzen Blick auf ihre Wirklichkeit zuließ.

Sichtbar wurde da vielleicht der Unterschied zwischen „normalen“ Ex-Bewohnern der DDR und der damals schon höchst privilegierten Wissenschaftlerin, FDJ-Sekretärin und Tochter eines regimenahen Theologen, der auch als „der rote Kasner“ bekannt war und in den Westen reisen durfte. Merkel selbst durfte auch schon vor dem 9. November 1989 ausreisen, nicht nur ins sozialistische Ausland, sondern 1986 auch in die Bundesrepublik, kurz nach ihrer Physik-Promotion, zu der wie bei allen Promotionen in der DDR üblich auch eine Prüfung in Marxismus-Leninismus gehörte. Der Schrecken des Wortes Ausreiseverbot war für sie persönlich wohl einfach nicht gar so schrecklich, wie für diejenigen, denen die innerdeutsche Grenze nahezu unüberwindbar war.

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Kommentare ( 151 )

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baul
3 Jahre her

eher auf dem Stuhl, der des Ministers maximale Überforderung offenbahrt.

Pessimist
3 Jahre her

Es ist eigentlich alles gesagt, es ändert sich aber nichts. Trotzdem sollten keine beschönigenden Worte mehr verwendet werden. Hören Sie bitte auf diese widerliche Kreatur als Wissenschaftlerin zu bezeichnen. Wenn die Wissenschaftlerin ist, bin ich Einstein und der Weihnachtsmann in einer Person. Wie solche Kreaturen geschaffen werden, kann ich momentan live erleben. Ich habe vor mehr als 30 Jahren an einer deutschen Hochschule studiert und promoviert. Über den Sport bin ich über das Geschehen an dieser Hochschule noch leidlich im Bilde. Zwei Drittel dieser sogenannten Studenten hätten in den Sechzigern/Siebzigern des letzten Jahrhunderts knapp die Realschule geschafft. Jetzt kann an… Mehr

moorwald
3 Jahre her

Worauf beruht Merkels Autorität? Wie kann sie sich so lange an der Macht halten? Man schaut viel zu intensiv auf die Person. Die ist eigentlich ganz uninteressant und dazu höchst langweilig. Zwar werden oft die dummen Wähler verantwortlich gemacht. Aber des Rätsels Lösung muß ganz woanders liegen. Denn Merkel findet ja zwischen den Wahlen stets Zustimmung. Da unter Merkel die politische Auseinandersetzung eingeschläfert wurde, kann es nicht ihre Politik sein, die zur Debatte steht und die die Befragten beurteilen. Was dann? Wohl doch die Person – aber nicht kraft ihrer Persönlichkeit, ihrer Fähigkeiten, ihres Charakters, ihrer Intelligenz. Es ist wohl… Mehr

Korner
3 Jahre her

Aber sicherlich hat sie uns alle lieb.

WandererX
3 Jahre her

Natürlich hatte Merkel ein ausgesprochenes Elitendenken, genauso wie ihr Vater, und so jemand sieht sich nicht als Opfer der DDR- Verhältnisse, auch nicht zu DDR- Zeiten, sondern als Akteur auch vor 1989, als Mitgestalterin der „Errungenschaften“ der DDR.(was für sich noch nicht verwerflich ist) Deshalb konnte sie ja auch so schnell bei Westeliten landen, man findet sich eben ähnlich. Nur wird diese Elitetatsache von vielen anderen Medien gerne verschwiegen, doch ist das soziologisch gesehen interessant, um ihre extrem schnelle Karriere im Westen zu verstehen. Auch, dass sie eine Frau ist, spielt da eine Rolle, denn die sind doch meist sozialtechnisch,… Mehr

Peter Pascht
3 Jahre her

Es wird langsam wieder abartig in unserem Lande. Zu viele Wölfe die sich einen Schafspelz umgehängt haben, in der Hoffnung dieser würde wie eine Tarnkappe wirken. Das gilt sogar für den deutschen Bundestag, zu viele Wölfe (Parteisoldaten) die sich den ergaunerten demokratischen Pelz der Direktmandate umgehängt haben. Zur Zeit haben wir einen „zwei Kasten Bundestag“. Das sind einmal die Minderheit der verfassungsmäßig erworbenen Direktmandate, direkt vom Volk gewählt und dann die Mehrheit der heimlich inkognito erworbenen Parteisoldaten-Mandate, deren Namen auf keinem Wahlzettel erscheint, erworben über „Parteilisten“, die verfassungswidrig als „Wahllisten“ bezeichnet werden. Weil sie in der Mehrheit sind im Gesetz… Mehr

moorwald
3 Jahre her

Viellleicht lassen wir uns doppelt täuschen: Merkel lügt und verstellt sich womöglich gar nicht. Sie redet nur in einer Sprache, die wir nicht beherrschen.
Uns fehlt ein entsprechendes Wörterbuch.

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Noch nie was von „Merkelsprech“ gehört?
Es ist die Sprache die man heute in Deutschland beherrschen muss, wenn man erfolgreich sein will.
Wie jede Sprache dieser Welt ist auch sie mit Wörtern der Ursprungsprache der Urbewohner vermengt, welche die geschichtliche Herkunft der heutigen Sprecher belegen, sagen Linguisten.

So gelangen dann auch ungewollt, Wörter wie „Ausreiseverbot“, „Zusammenrottung“, „Hetzjagten“, „Verschwörungstheoretiker“, u.a. aus der Ursprungssprache des/der Sprecherin, in die neue „Merkelsprache“, welche dann auch den geschichtlichen Ursprung, die Herkunft, der Sprechern belegen..
In unserem falle ist die Urspringsprache, die SED-Sprache der Agitation und Propaganda der einstige Urbewohner des Parteipalastes der DDR.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Peter Pascht

Wir brauchen uns nicht in sprachwissenschaftliche Höhen zu begeben. Merkel spricht ja keine Fremdsprache, sondern Deutsch. Es ist nicht der Wortschatz, sondern der Gebrauch, der uns fremd ist. Ein Zeichen dafür ist es auch, daß Merkels Reden so seltsam leer, aber auch unbeholfen anmuten. Das ist nicht einfach sprachliches Unvermögen.

Aber wir, die wir nicht in der Merkel-Welt sozialisiert wurden, und das heißt auch und vor allem: sprachlich erzogen, können uns einfach nicht vorstellen, daß öffentliches Reden weit über gewöhnliche Politiker-Gepflogenheiten hinaus fast ausschließlich der Verschleierung dient, derDeutung und Umdeutung bedarf.

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

„Merkel spricht ja keine Fremdsprache, sondern Deutsch.“
Sind sie sich da vollkommen sicher. Oder klingt es nur so?
Ich fühle mich regelrecht genötigt den TV abzuschalten wenn diese Frau spricht, denn ich höre nur sprachliches Gestammel ohne Inhalt.
Vielleicht bin ich blos nicht intelligent genug um es zu verstehen.
Bin ja blos Akademiker ohne leninistisch-marxistische Ausbildung.
So hat halt ein jeder sine Mängel in der Ausbildung.

moorwald
3 Jahre her
Antworten an  Peter Pascht

Vielleicht können wir uns darauf einigen: sie spricht einen Dialekt… oder ein sog. Plansprache wie Esperanto.

TV – ich lebe schon seit Jahren totalabstinent. Obwohl ich mir früher gern natur – und länderkundliche Sendungen angesehen habe.
Aber der Gewinn an „Lebensqualität“ ist enorm. Desgleichen höre ich auch keine Radio-Nachrichten. Schaue mal bei TE vorbei, was so läuft…

Nur die Lokalzeitung lese ich täglich – man muß ja sehen, wer gestorben ist… Außerdem wird da am wenigsten gelogen und geframed.

Peter Pascht
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

„Die Verwirrtheit der Sprache ist die Verwirrtheit der Gedanken“

Peter Pascht
3 Jahre her

Kann mir das jemand erklären, dass jemand Zuhause angerufen wird, von einem Umfrageinstitut, welches ihnen Fragen stellen will um die Stimmung im Land zu ermitteln?
Hallo? Was geht da ab?

moorwald
3 Jahre her

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann bekanntlich die – politische, wirtschaftliche gesellschaftliche – Gegenwart nicht verstehen.

Man kann dies auch auf Personen anwenden:

Merkels erste 35 Lebensjahre sind nach wie vor in Nebel gehüllt. Und doch ist gerade diese Person, die aus sehr eigenen Motiven ein ganzes Volk mißbraucht, nur aus ihrer Biographie zu verstehen. Es gibt das verdienstvolle Buch von Reuth/Lachenmann. Aber Merkel hat seinerzeit eine Mitarbeit daran verweigert…
Ihr liegt wohl doch sehr daran, ein Image von sich zu hüten, von dem ganz entscheidend ihre Macht abhängt. Und unsere Qualitätsmedien fallen bis heute darauf rein.

horrex
3 Jahre her
Antworten an  moorwald

Zu erwähnen auch „Die Patin“ schon 2012(?) von Gertud Höhler.

Peter Pascht
3 Jahre her

Es gibt Menschen die glauben an Zufälle andere wiederum nicht, weil sie so selten wären. Aber in der Tat gibt es Zufälle die so selten sind, dass sie schier unglaublich sind. Da benennt ein Geheimdienst im Jahre 1989 und davor, einen seiner IM-Spitzel genau mit dem gleichen Namen den 30 Jahre später eine deutsche Bundeskanzlerin trägt. Gemäß Akten der Stasi Unterlagenbehörde sollten mehrere IM mit der Ehrenmedaille zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 durch das MfS ausgezeichnet werden. darunter, welch mathematisch unglaublicher Zufall, auch ein IM »Merkel« (XV 1499/65). Wer kennt sich den gut mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen aus?… Mehr