Lauterbach: „Hitzeschutz ist Lebensschutz“

Am Montagnachmittag lädt Gesundheitsminister Karl Lauterbach zum „Hitzegipfel“, um über den Hitzeschutzplan zu sprechen. Nicht nur Lauterbach, sondern auch die Sozialverbände fordern eine zügige Umsetzung. Ein grüner Abgeordneter spricht von einer „Frage des Überlebens“.

IMAGO / Christian Spicker
„Hitzeschutz ist Lebensschutz“ – so hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gegenüber der Bild am Sonntag seinen Hitzeaktionsplan verteidigt. Während es vor ein paar Tagen noch hieß, es ginge nur um den Schutz von „Alten und Kranken“, so hat Lauterbach die Schutzzone nochmals vergrößert: Alte Menschen, Pflegebedürftige, Vorerkrankte, aber auch Kinder, Schwangere und Menschen, die sich beruflich oder privat viel im Freien aufhielten, seien gefährdet, wenn „Hitzewellen über Deutschland rollen“. Es werde noch nicht einmal registriert, dass jedes Jahr Tausende an Hitze stürben, so der SPD-Politiker. Laut Robert-Koch-Institut starben zwischen 2018 und 2020 mehr als 19.000 Menschen in Deutschland an Hitze.

Vor dem Treffen mit Vertretern von Pflege, Ärzteschaft, Kommunen, Ländern und Sozialverbänden am Montag hatte jedoch nicht nur Lauterbach neuerlich die Notwendigkeit von Hitzemaßnahmen betont. Der Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner (Grüne) forderte gegenüber t-online einen Hitzeschutzplan für jedes Krankenhaus, jede Kommune und jede Kita. Das RKI müsse auch seine Statistik für hitzebedingte Todesfälle verbessern. Entscheidend seien bauplanerischer Maßnahmen. Öffentliche Plätze müssten entsiegelt, Fassaden und Dächer begrünt, Bäume erhalten und neu gepflanzt werden. „Das kann auch mal bedeuten, dass ein Parkplatz einem Baum weichen muss“, erklärte Wagner gegenüber dem Portal. „Das ist eine Frage der Lebensqualität, aber auch des Überlebens, da die Hitze in Städten tödlich sein kann.“

Auch Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland, erklärte: „Jeder Hitzetote ist einer zu viel.“ Was früher ein Jahrhundertsommer gewesen sei, sei nun „Normalität“. Der Sozialverband VdK kritisierte, dass das Treffen am Montag deutlich zu spät komme. Die Präsidentin Verena Bentele forderte den raschen Einbau von Klimaanlagen für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Altersheime. Dem Plan müssten nun schnell Taten folgen, denn jede Verzögerung ginge auf Kosten der Betroffenen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert Investitionen in Milliardenhöhe. Vorstand Eugen Brysch sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass ein nationaler Hitzeschutzplan sonst nicht viel wert wäre. Neubauten ohne Temperaturbegrenzung auf maximal 25 Grad dürften nicht mehr in Betrieb gehen, das müsste im Plan verankert werden.

Der DAK-Vorstandschef Andreas Storm begrüßte das Vorgehen der Bundesregierung. „Es ist alarmierend, wie viele Menschen schon in den ersten Hitze-Wochen Gesundheitsprobleme hatten“, so Storm. „Unser Hitzereport zeigt, dass die Mehrheit der Befragten große Sorgen haben und die bisherigen Schutzmaßnahmen nicht ausreichend finden.“ Der Hitzereport zeige, dass ein Fünftel der Deutschen im Jahr 2023 unter extremer Hitze leide, die sich in Abgeschlagenheit, Kreislaufproblemen und Schlafstörungen äußerten. Bei den Über60-Jährigen sei sogar ein Viertel betroffen. Laut Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse machen Hitzewellen und Extremwetter zwei Drittel der Menschen große Sorgen. 72 Prozent der Deutschen forderten daher, es müsse mehr zum Schutz der Bevölkerung vor extremer Hitze getan werden.

Storm betonte, es brauche „Sofortmaßnahmen“ noch für diesen Sommer. „Es ist richtig, dass der Minister schnell handelt und hier ein breites Bündnis bildet“, so Storm. „Vor allem Kinder, Kranke und ältere Menschen müssen besser vor Hitze geschützt werden.“ Man könne nicht noch zwei Jahre auf flächendeckende Maßnahmen warten. „Wir brauchen jetzt kurzfristige Maßnahmen und ein Hitzewarnsystem“, forderte Storm. „Deshalb könnte ein Stufenplan mit einem Sofortschutz und mittelfristigen Maßnahmen sinnvoll sein.“ Für den Hitzereport befragte Forsa rund 1.000 Bundesbürger.

Der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Martin Sichert, kritisierte den Hitzeschutzplan. Es handele sich um „populistischen Irrsinn“ und habe mit Lebensschutz nichts zu tun. Vielmehr hätten noch im letzten Jahr Kinder und Jugendliche bei hochsommerlichen Temperaturen mit Maske in Unterrichtsräumen sitzen müssen. Das Vorhaben sei an „Scheinheiligkeit nicht zu überbieten“. Der Hitzeschutzplan sei „vollkommen unnötig“. „Es ist offensichtlich, warum Lauterbach dieses Vorhaben auf die Tagesordnung setzt: Als Teil der Ampel-Regierung muss er seinen Part dazu beitragen, um den Menschen Angst vor einer angeblich menschgemachten Klimaveränderung zu machen und so die ideologisch verblendete ‚Klimarettungspolitik‘ zu stützen“, so Sichert.

Am Montagmorgen hatte sich Lauterbach bereits mit seinem französischen Amtskollegen Francois Braun über den Hitzeplan besprochen. „Frankreich hat mit dem vorbildlichen Hitzeschutzplan in den letzten Jahren Tausende Menschen jeden Sommer gerettet. Seit 2004. Jetzt ziehen wir nach“, erklärte Lauterbach auf Twitter. Der Hitzeschutzplan soll nicht nur sein Ministerium betreffen: in einer Arbeitsgruppe sollen auch die Ministerien für Inneres, Arbeit, Umwelt, Verkehr und Bau an dem Plan mitwirken. Bezeichnend, wer nicht involviert ist: nämlich das Ministerium für Wirtschaft und Klima von Robert Habeck. Dabei könnte nach dem flächenmäßigen Einbau von Wärmepumpen auch der größere Einsatz von Klimaanlagen ein Thema sein, das die Stromversorgung und die Klimapolitik in Deutschland betreffen würde.

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Kommentare ( 151 )

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Irdifu
10 Monate her

Herr Gallina , wie könnte man dem Ungesundheitsminister beibringen, dass man an Hitze nicht stirbt sondern maximal an einer Erkrankung bei der die Hitze evtl.eine Rolle spielt. Wäre NORMALE Sommerhitze in Mitteleuropa tödlich, dann müssten zB. alle Bewohner Südeuropas, Arabiens, Afrikas, Südostasiens usw. umfallen und tot sein. Ich selbst war einmal im Sommer in Dubai, Temperaturanzeige im Auto zeigte 51 Grad Celsius, ich habe niemanden tot auf der Straße liegen sehen. Griechenland Spanien.usw. Sommertemperaturen seit ewigen Zeiten jenseits der 30 Grad, kein Massensterben. Was Lauterbach da abzieht ist nur noch lächerlich. Auf das nächste Angstundpanikmachprojekt nach Klima von dem Lebenslaufbetrüger… Mehr

Julius Schulze-Heggenbrecht
10 Monate her

Ich frage mich ernsthaft, wie die Menschheit bisher ohne Hitzeschutzpläne, SPD und Ampelkoalition überleben konnte. Wie haben die Menschen bisher in Ungarn, der Türkei, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal überlebt?
Übrigens – wenn Politiker wie Lauterbach sagen, dass sie uns “schützen” wollen, bekomme ich Angst …
Hitzeschutzpläne? Klingt für mich wie:
“Seien Sie solidarisch und cremen Sie sich mit Sonnencreme ein, damit andere keinen Sonnenbrand bekommen!”

Last edited 10 Monate her by Julius Schulze-Heggenbrecht
bfwied
10 Monate her

Ein Blödsinn jagt den anderen! Und der Blödsinn wird immer noch dämlicher und einengender. Warum haben denn die ca. 7 Mrd. Menschen in den sehr viel wärmeren Klimazonen keine Hitzeschutzgesetze, warum die in den subpolaren und polaren Breiten keine Kälteschutzgesetze? Der Mann ist doch verrückt.

Julius Schulze-Heggenbrecht
10 Monate her
Antworten an  bfwied

2023: Im verregneten, grauen Mitteleuropa brauchen wir unverzüglich einen HITZESCHUTZPLAN gegen die paar heißen Tage, auf die wir uns das ganze Jahr freuen …

Rob Roy
10 Monate her

starben zwischen 2018 und 2020 mehr als 19.000 Menschen in Deutschland an Hitze

Im gleichen Zeitraum starben 720.000 Menschen an Krebs. Einige hätten vielleicht noch leben oder länger leben können, wenn man Vorsorge und Behandlung intensivieren würde, anstatt unser Gesundheitssystem kleinzusparen.

HDieckmann
10 Monate her

Vordringlich sind jetzt Reiseverbote. Die Ferienzeit beginnt und es soll doch tatsächlich noch Menschen geben, die Reisen in Richtung Süden geplant haben: Spanien 37°, Italien und Griechenland 32° … . Die Grenzen zu Ländern mit einer Inzidenz ab 30° sollten geschlossen und der Flug- und Bahnverkehr eingestellt werden.

wackerd
10 Monate her

Er ist wieder da! Und er hat ein neues Thema: Hitzenotstand, in Deutschland! Oh Gott, wie furchtbar. Und ich habe mich auf einen schönen Sommer gefreut. Flankiert wird der Unsinn von F. J. Wagner (BILD), meinem Lieblingskommentator „Man beginnt die Sonne zu hassen, die unser Leben, unser Tod ist. Ich ziehe meine Vorhänge zu. Lieber im Dunkeln, lieber im Schatten.“ Jetzt noch schnell den Stethoskop-Hänger Hirschhausen gegoogelt und die Sommerparty kann beginnen. Achtung: Viel trinken! PS Info an „den Cem“: Es gibt auch Fleisch.

Manfred Lichtblau
10 Monate her

Anhand der Sterbefälle Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen, Geschlecht und Bundesländern für Deutschland vom statistischen Bundesamt lässt sehr leicht erkennen, dass nicht im Sommer die meisten Menschen sterben sondern im Winter (Sterbefälle – Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen, Geschlecht und Bundesländern für Deutschland 2016 – 2023 – Statistisches Bundesamt (destatis.de). Also kann man den sogenannten Arzt gleich wieder beim Lügen überführen.

Donostia
10 Monate her

Frage:“Gibt es in Spanien, Italien, Südfrankreich, Griechenland einen Hitzeschutzplan?“
Gibt es den in Afrika, Mittelamerika, Indien?

Rob Roy
10 Monate her
Antworten an  Donostia

Ja, sicher, nennt sich Vernunft und Erfahrung. Viel trinken, langsam bewegen, Siesta halten, und überhaupt seine Lebensweise an den Sommer anpassen. So können auch im heißen Italien und Spanien die Menschen trotz Hitze sehr alt werden.

puke_on_IM-ERIKA
10 Monate her

Lügen-Kalle „Impfung hat überhaupt keine Nebenwirkungen“ reitet wieder.
Woher nimmt der Oberpaniker seine 20.000 Hitzetoten ? Wieder des Nächtens HAAAVAAAD Studien gelesen ? Klar, nach drei Jahren war ja immer noch keine Zeit, anständige Statistiken zu erstellen – an oder mit Corona gestorben, aber Hauptsache, wieder die Klappe ganz weit aufreissen und die Horrorwelle reiten !
Wir werden morgen alle verdampfen, gell Kalle ?! Zumindest die Ungeimpften, die seit März 22 nicht alle tot sind…….

Rob Roy
10 Monate her

Politiker haben Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat. Dieser ganze Hitzeschutzkram ist dabei nicht mal auf dem eigenen Misthaufen gewachsen, man kupfert das bei den Franzosen ab. In Frankreich geht es aber vor allem um Arbeitschutz und die Verkürzung von Arbeitszeiten im Hochsommer. Also um so eine Art Hitzefrei für Bauarbeiter.
Dem Gefühl nach geht es bei uns dagegen darum, irgendwas wieder mal verbieten und vorschreiben zu können.

Kassandra
10 Monate her
Antworten an  Rob Roy

Es ist reine Angstmache.
Menschen in Panik können nicht richtig denken.