Kritik an Liefers & Co. wächst – aber auch der Zuspruch wird größer

Die Aktion "allesdichtmachen" zieht immer größere Bahnen. Während die Zustimmung in der allgemeinen Öffentlichkeit wächst, nimmt der Druck auf die beteiligten Schauspieler zu - bei manchen zeigt das offenbar Wirkung.

Screenshot Youtube

Die Kunstaktion „allesdichtmachen“, mit der die bekanntesten deutschen Schauspieler gegen die Corona-Maßnahmen protestiert haben, verbreitet sich immer schneller. U.a. Sahra Wagenknecht lobte nun die Initiative, Jens Spahn bot „Gespräche“ an. Das Video mit Jan Josef Liefers erreichte allein auf YouTube ohne weitere Promotion mittlerweile über 700.000 Aufrufe. Die Meinung der Zuseher scheint eindeutig zu sein: Auf rund 4.000 negative Bewertungen kommen über 27.000 Daumen nach oben. In der allgemeinen Öffentlichkeit scheint das Stimmungsbild klar zugunsten der Initiative auszufallen – die geballte Prominenz wirkt.

Doch zugleich wächst der Druck auf die beteiligten Schauspieler aus der eigenen Branche. Der frühere Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen und aktuelle WDR-Rundfunkrat Garrelt Duin forderte eine Beendigung der Zusammenarbeit mit den Schauspielern: „Die zuständigen Gremien müssen die Zusammenarbeit – auch aus Solidarität mit denen, die wirklich unter Corona und den Folgen leiden – schnellstens beenden“, twitterte er.

Brancheninsider berichten davon, dass in mehreren Öffentlich-Rechtlichen Anstalten nun Forderungen aufkommen, die Schauspieler unter Druck zu setzen oder gar von weiteren Projekten auszuschließen. Es gibt bereits mindestens eine Online-Petition mit dieser Forderung an die Intendanten von ARD und ZDF.

Möglicherweise auch aufgrund von Vorgängen wie diesen haben einige der beteiligten Schauspieler ihre Videos zurückgezogen. Von ursprünglich 53 stehen nur noch 47 Videos, u.a. Heike Makatsch, Meret Becker und Ken Duken ließen ihre Videos löschen und distanzierten sich. Entgegen anderer Medienberichte ist das Video von Richy Müller auf dem offiziellen YouTube-Kanal der Initiative bis dato verfügbar.

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Beobachter erinnert der Versuch, die Initiative per großflächiger Diffamierung zu stoppen an das 11. Plenum des ZK der SED vom 16. bis 18. Dezember 1965, das als sogenanntes „Kahlschlag-Plenum“ in die Geschichte einging: es diente vor allem der Säuberung in der DDR-Kulturpolitik von kritischen Kunstwerken und Künstlern. Das damalige Politbüromitglied Erich Honecker warf einer Reihe von Regisseuren, Drehbuchautoren und Schriftstellern „Nihilismus“, „Skeptizismus“ und „Pornografie“ vor. Als Folge des Plenums wurde die halbe Jahresproduktion der staatlichen DDR-Filmproduktionsfirma Defa verboten. „Unsere DDR“, so Honecker damals, „ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte.“

Die Autorin Brigitte Reimann („Franziska Linkerhand“) notierte in ihr Tagebuch:
„Heute war die Rede Honeckers auf dem ZK-Plenum abgedruckt. Die Katze ist aus dem Sack: die Schriftsteller sind schuld an der sittlichen Verrohung der Jugend. Destruktive Kunstwerke, brutale Darstellungen, westlicher Einfluß, Sexualorgien, weiß der Teufel was – und natürlich die böse Lust am Zweifeln. Die Schriftsteller stehen meckernd abseits, während unsere braven Werktätigen den Sozialismus aufbauen.“

Von dem Plenum 1965 führte eine direkte Linie zu dem Ausschluss zahlreicher Autoren aus dem DDR-Schriftstellerverband 1979, die sich drei Jahre vorher mit Wolf Biermann solidarisiert und gegen dessen Ausbürgerung protestiert hatten. Einige zogen unter Druck ihre Unterstützung Biermanns zurück. Diejenigen, die dabei blieben, warf der Schriftstellerverband unter Leitung des ZK-Mitglieds Hermann Kant schließlich hinaus, darunter Stefan Heym und Reiner Kunze.

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