Rechtspopulismus-Vorwurf gegen bayrische FDP

Im Streit um die Verbreitung verzerrt-hoher Ungeimpften-Inzidenzzahlen in Bayern verhärten sich die Fronten zwischen den Parteien. SPD und FDP werfen der Bayerischen Staatskanzlei eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit vor. Grüne und Freie Wähler halten zu Söders CSU.

IMAGO / Emmanuele Contini
Markus Söder Ende November im Bayerischen Landtag
Am Dienstag fand auf Vorschlag der FDP im Bayerischen Landtag eine aktuelle Stunde zum Thema „Corona: Falsche Zahlen, beschädigtes Vertrauen – aufklären statt wegducken“ statt. Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, hatte die Plenumsdiskussion in die Wege geleitet, nachdem am vergangenen Wochenende publik geworden war, dass die unter anderem von Ministerpräsident Markus Söder verbreiteten Ungeimpften-Inzidenzen vom zuständigen Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) falsch erhoben worden waren, wodurch sie höher erschienen (TE berichtete). Das LGL hatte zu den Meldungen neu infizierter Ungeimpfter auch alle Fälle mit unbekanntem Impfstatus hinzugerechnet. Diese Erhebungsweise hatte zu grob verzerrten Zahlen geführt – wie das Amt gegenüber der Welt zeigte, war bei rund 70 Prozent der vermeintlichen gemeldeten Ungeimpften-Neuinfektionen der Impfstatus tatsächlich unbekannt gewesen.

Diese irreführende Zahlenerhebung des LGL sowie die Verbreitung durch Markus Söder und die Bayerische Staatskanzlei wollte die FDP am Dienstag im Bayerischen Landtag diskutieren. Von Interesse war dabei vor allem eine Äußerung von Markus Söder vom vergangenen Freitag: Bei einer Pressekonferenz hatte der bayerische Ministerpräsident die in Bayern neu beschlossenen 2G-Regelungen im Einzelhandel mit der deutlich höheren Inzidenz unter Ungeimpften begründet. Söder hatte von einer bayerischen Ungeimpften-Inzidenz von 1600 gesprochen, während die Inzidenz unter Geimpften nur bei 100 liege.

Matthias Fischbach, Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, fragte Markus Söder – der selbst nicht erschienen war, aber durch den bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) vertreten wurde – im Plenum, ob ihm zum Zeitpunkt dieser Äußerungen bereits die verzerrende Erhebung des LGL bekannt gewesen sei. Fischbach: „Können Sie ausschließen, dass Sie über den deutlichen Anstieg der unbekannten Fälle und die Folgen für die Zahlen informiert waren, als Sie diese Zahlen am Freitag in der Pressekonferenz weiter aktiv zur Begründung Ihrer Corona-Politik verwendet haben?“ Der FDP-Landtagsabgeordnete Martin Hagen warf der Staatskanzlei vor, Geimpften „mit falschen Zahlen eine trügerische Sicherheit vermittelt“ zu haben. Das Infektionsrisiko Geimpfter sei „systematisch kleingerechnet“ worden.

Auf ihre Fragen bekam die FDP in der folgenden Plenarrunde keine Antwort. Stattdessen wurden die Liberalen in den Redebeiträgen von CSU, Freien Wählern und Grünen als Rechtspopulisten abgekanzelt. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bezichtigte die FDP, sich „zum Sprachrohr“ der AfD zu machen. „Sie übernehmen heute die Position der AfD“, schimpfte Holetschek. Parteikollegin Dr. Beate Merk sprang ihm zur Seite und warf der FDP vor, „rechtspopulistisch“ zu operieren, und wünschte sich, dass die Liberalen sich „nach all dem, was Sie hier gebracht haben […] schämen“.

Markus Blume (CSU) beschuldigte die FDP, „Zweifel“ zu säen und damit das „System in Frage“ zu stellen. Blume: „Wollen Sie bezweifeln, dass Impfen vor Corona schützt? Wollen Sie bestreiten, dass die Verläufe bei Ungeimpften deutlich schlimmer sind und die Hospitalisierungsrate deutlich höher ist als bei Geimpften? Wollen Sie leugnen, dass die Intensivstationen voll sind?“ Die FDP betreibe, so Blume, „das Geschäft derjenigen, die hier ganz rechts außen sitzen“. Bernhard Seidenath (CSU) stellte die Liberalen in die Querdenker-Ecke und warf ihnen vor, mit dem Hinterfragen der Zahlen „das Spiel der Impfskeptiker oder sogar der Corona-Leugner“ zu spielen.

Die Freien Wähler, Koalitionspartner der CSU in der Bayerischen Regierung, wählten nicht mildere Worte. FW-Politker Dr. Fabian Mehring riet den Liberalen, „sich nicht den Applaus von den Falschen zu holen“. Und auch die Grünen in der Opposition beschuldigten die FDP, mit ihrer Themenwahl der AfD „eine Paradebühne“ geboten zu haben.

Einzig die SPD sprang der FDP zur Seite – Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, griff den Ministerpräsidenten direkt an: „Gerade jetzt, in einer sehr sensiblen Situation, in der es darum geht, Impfskeptiker und -zögerer zu überzeugen, arbeiten Herr Söder und sein Landesamt für Gesundheit auch noch mit fragwürdigen Zahlen. Das ist einfach unseriös.“ Von Brunn erklärte, dass das eigentliche Problem bei der falschen Zahlenerhebungen des LGL doch darin bestehe, dass die Gesundheitsämter den Impfstatus abfragen, dort aber Personal fehle. Markus Söder, so impliziert von Brunn in seinen Ausführungen, sei für die Personalausstattung verantwortlich gewesen. Brunn: „Wir haben immer wieder gefordert, die Gesundheitsämter ordentlich auszustatten.“ Der Ministerpräsident sei aber damit beschäftigt gewesen, „sich […] permanent selbst ins Rampenlicht zu stellen“.

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Kommentare ( 65 )

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Winnetou
2 Jahre her

„Verschwörungstheoretiker, Rassist und Nazi – darauf sollte niemand mehr reagieren. Das sind ja ganz infantile Begriffe, mit denen man auf die Leute hinschlägt, die sich Gedanken und Sorgen über die Entwicklung machen.“ Peter Cornelius im Oktober 2017

eifelerjong
2 Jahre her

Die „RechtSpopulisten“ würden besser „RechTpopulisten“ genannt, vertreten Sie doch die Forderung nach einem funktionierendem Rechtstaat, wie ihn das GG vorschreibt..

Last edited 2 Jahre her by eifelerjong
Riffelblech
2 Jahre her

Warum wohl werden wir seit 2 Jahren in jeder Nachrichtensendung mit 8—10 verschiedenen Zahlen zur Coronalage malträtiert ? Nach der 3. Zahl kommen die meisten Leute nicht mehr mit ,die Folgenden erhöhen nur das Entsetzen . Die Nachrichten könnten in dieser Weise auch die Anzahl der Wollhandkrabben im Hamburger Hafen angeben ,die Wirkung bliebe gleich . Es soll Panik geschürt werden ,es soll Entsetzen unter den Menschen geben damit die Impfdosen weggespritzt werden können . Es ist doch mehr als offensichtlicher Beschiss ,wenn die Impfabstände immer mehr zusammenschrumpfen . Alle plärren den Unsinn nach und keiner der „ Meinungsmachern“ gibt… Mehr

chino15
2 Jahre her

Ein erneuter Beweis dafür, dass jede Stimme für die „Freien“ Wähler eine verschenkte Stimme ist. Vor der Wahl spielte sich Herr Aiwanger als Verteidiger der Grundrechte auf, jetzt steht man wieder fest hinter Söders Schikanen. Ich hoffe, die Wähler lernen daraus. Ähnliches gilt natürlich auch für die FDP: Lindners Totalausfall ist einfach nur noch peinlich.

Juergen P. Schneider
2 Jahre her

Wer im Reich der Lüge auf Wahrheit drängt, ist zwangsläufig der Feind. Wenn man weiß, wer der Feind ist, dann hat der Tag Struktur (V. Pispers). Die Impffanatiker haben sehr strukturierte Tage. Die Impfskeptiker sind im Nachteil, es ist eben leichter Menschen zu täuschen, als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht wurden (M. Twain). Wenn der Irrsinn alltäglich wird, erscheint er als die Normalität. Deutschland wird immer mehr zu einem Irrenhaus und eine große Mehrheit unserer Landsleute fühlt sich wohl darin. Es sieht nicht danach aus, dass wir alle bald aus diesem Alptraum erwachen.

John Sheridan
2 Jahre her

Sehr schön wie sich auch die „Freien Wähler“ demaskieren, vielleicht begreifen das ja endlich Mal die Wähler. Nebenbei: Mindestens sechs „Schüsse“ gehören in 2022 zur Erwerbung eines „Zertifikates“, das ist wie die Fleissurkunde für besondere Unterwürfigkeit durch die Politbonzen. Ggfls. natürlich noch mit dem unbrauchbaren „negativen PCR-Test“.

JamesBond
2 Jahre her

Wir werden leider ständig belogen; jetzt kommt der Biontec Chef mit der Nachricht: Boostern schon nach 3 Monaten. Der Drosten erzählt was von Omnikron ist ganz schlimm und die Tatsachen: Es sterben viele Menschen wie auch an der Grippe vor allem mit Vorerkrankungen und am Ende Ihres Lebens. Mit Booster massive Ansteckungen auch schon ohne Omnikron. Beides wird aber wenn überhaupt nur kurz regional berichtet. Es hilft kein Impfstoff, der wirkt offensichtlich nicht dafür hat er Nebenwirkungen. Und jetzt werden Ungeimpfte als Staatsgegner beschimpft und es wird Hass und Hetze betrieben gegen Menschen mit eigener Meinung. Reine Ablenkungsmanöver vom Politikversagen.… Mehr

Last edited 2 Jahre her by JamesBond
Britsch
2 Jahre her
Antworten an  JamesBond

Alle 9Monate Impfen wäre schon ein gutes Geschäft, alle 6Monate impfen noch besser na und erst wenn alle 3Monate geimpft wird Abe die ganzen Hysteriker merken daran nicht mal daß die So genannten neuen Impfsoffe einfach nicht wirken wie angegegeben und wie propagiert schon gar nicht. Im Labor wurde ein Virus verändert. dessen Schädlichkeit wurde erfolgreich verstärkt. Mit der forschung und entwicklung eines Gegenstoffes klappt es nicht. In was für einer Welt leben wir? Was für Menschen sind das denen die Masse der Weltbevölkerung eigentlich egal ist wenn sie nur ihre „Visionen“ „Forschungen“ umsetzen können. Die Nazis im Dritten Reich… Mehr

eifelerjong
2 Jahre her
Antworten an  JamesBond

Wenn der Biontec-Chef mit „Boostern nach 3 Monaten“ auftaucht, heißt dies für mich, der glaubt, dass der Impfstoff maximal, falls überhaupt, eine Wirkung über diesen Zeitraum hat.
„Wenn überhaupt“ deshalb, weil mir keine EINZIGE Studie bekannt ist, die die Wirksamkeit des Impfstoffes beweist.

elly
2 Jahre her

Wer kritisiert ist Nazi, Rechtspopulist. Das hat seit Jahren Methode.
Dass die Zahlen der Gesundheitsämter, des LGL und auch des RKI nicht ganz richtig sind, ist auch seit Anbeginn der Pandemie bekannt. Das hat schon einen Grund: die Bevölkerung glaubt an Zahlen.

MartinKienzle
2 Jahre her

Die Problematik ist, dass nicht nur die CSU bezüglich der “Corona“-Statistikfälschung ruiniert ist, sondern das komplette Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland mit dessen Institutionen hat während der geplanten Corona-Pandemie (Event 201) dermaßen mit gespaltener Zunge zum Deutschen Volke gesprochen, dass es sämtliche Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, das wiederum lediglich eine Handlung möglich macht: Dessen Abwicklung und anschließender Neuaufbau staatlicher Strukturen!

Last edited 2 Jahre her by MartinKienzle
ben12
2 Jahre her

„Grüne und Freie Wähler halten zu Söders CSU.“ Ich bin gerade aus alle Wolken gefallen, als ich das gelesen habe. Waren die freien Wähler nicht eher eine konservative Partei? Hab ich damit komplett daneben gelegen? Oder ist das so ein „Vor der Wahl / Nach der Wahl“-Phänomen?

Michael M.
2 Jahre her
Antworten an  ben12

Letzteres und die Freien Wähler sind analog zur CSU derzeit, vermutlich auch auf Jahre bzw. für immer, unwählbar.