Berlusconis Leute räumen bei ProSiebenSat.1 auf

Die italienische Mediengruppe MFE übernimmt bei ProSiebenSat.1 die Kontrolle und ordnet die Führungsspitze neu. Der Machtwechsel markiert eine Rückkehr zu betriebswirtschaftlicher Nüchternheit und könnte für die programmatische Selbstinszenierung des Senders ein Ende bedeuten.

picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann
Fotomontage der Unternehmenslogos MfE und ProsiebenSat1

Die Machtverhältnisse bei ProSiebenSat.1 haben sich grundlegend verschoben. Nachdem sich die Mailänder Holding Media For Europe (MFE) – das Medienimperium der Familie Berlusconi – in den vergangenen Monaten eine Dreiviertelmehrheit an dem börsennotierten Konzern gesichert hatte, folgt nun der personelle Schnitt. Vorstandschef Bert Habets, dessen Vertrag erst im Frühjahr bis 2028 verlängert worden war, muss das Unternehmen verlassen. Die Leitung übernimmt Marco Giordani, langjähriger Finanzvorstand der Berlusconi-Gruppe.

Auch Finanzvorstand Martin Mildner muss seinen Hut nehmen – ebenfalls mit frischer Vertragsverlängerung, ebenfalls „im besten gegenseitigen Einvernehmen“.

Bob Rajan übernimmt die Finanzgeschäfte als Interim, um den Konzern zu verschlanken und wieder auf Profitabilität zu trimmen. Damit zieht die neue Eigentümerseite die logische Konsequenz: Die Italiener übernehmen nicht nur die Aktienmehrheit, sondern auch die Kontrolle über die Richtung.

Giordani ist in der MFE kein Unbekannter. Der 63-Jährige aus Mailand steuert seit über zwei Jahrzehnten die Finanzen des Berlusconi-Imperiums, zu dem Fernsehsender in Italien, Spanien und nun auch Deutschland gehören. Unter seiner Mitwirkung wurde MFE zu einem der größten privaten Medienhäuser Europas. Seine Ernennung zum ProSiebenSat.1-Chef gilt als Zeichen, dass Pier Silvio Berlusconi die deutsche Tochter künftig enger in die Konzernstruktur einbinden will.

Für ProSiebenSat.1 bedeutet der Wechsel auch einen Bruch mit der bisherigen Linie. Habets hatte versucht, den Konzern auf Internationalisierung und gesellschaftspolitische „Signalformate“ auszurichten … mit Ergebnissen, die an der Börse wie beim Publikum zunehmend Fragen aufwarfen. Unter Giordani soll nun wieder gerechnet statt erzählt werden. MFE verfolgt einen klaren Kurs: Effizienz, Rendite und Programmqualität statt ideologischer Selbstdarstellung.

Schon im Zuge des Übernahmeangebots hatte MFE erklärt, eine „paneuropäische Mediengruppe“ biete erhebliche Synergien und strategische Vorteile. Übersetzt heißt das: einheitliche Strukturen, weniger Kosten, mehr Wirtschaftlichkeit. Von bis zu 150 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr ist die Rede. Für einen Konzern, der mit rund 1,3 Milliarden Euro verschuldet ist und dessen Online-Beteiligungen wie Parship-Meet oder Flaconi kaum Gewinne abwerfen, kommt diese Neuordnung gerade zur rechten Zeit.

Dass die Berlusconi-Familie in Europa nach wie vor einen medienunternehmerischen Kompass besitzt, zeigt sich in dieser Entscheidung. Während der ProsiebenSat1-Konzern die letzten Jahre immer mehr auf moralische Selbsterhöhung und identitätspolitische Kampagnen setzte, zielt MFE auf solide Erträge und klare Strukturen. An die Stelle einer Sendeleitung, die sich in allerlei Diversity-Themen und Haltungsdebatten komplett erschöpfte, tritt ein Management, das wieder Fernsehmacher ansprechen dürfte, nicht Gesinnungspädagogen.

Damit verbunden könnte sich nun auch der kulturelle Kurs des Senders ändern, freuen sich verprellte Zuschauer, die in den letzten Jahren vermehrt über Bord gegangen sind. Ein Haus, das sich jahrelang als Vorreiter des „woken“ Mainstreams inszenierte, wird nun auf Wirtschaftlichkeit und Reichweite getrimmt. Für viele Zuschauer, die das Dauerpredigen satt haben, könnte das ein Befreiungsschlag werden: weniger Umerziehungs- und Belehrungsformate, die wirken, als würden sie sich an das Intranet der taz bzw. Grüner Parteizentrale richten – und vor allem wieder mehr Unterhaltung.

Bleibt am Ende noch eine spannende Frage: Was bedeutet dieser Kurswechsel für die prominentesten Gesichter des alten Systems – Joko und Klaas? Ihre Formate galten unter der alten Senderführung als ähnlich unantastbar wie Böhmermann für ZDF-Himmler, als Symbol einer Haltung, die längst über das Programm hinausreichte. Ob die neuen Herren aus Mailand auch darin ein „Synergiepotenzial“ sehen oder doch eher eine sehr teure Marotte, dürfte bald sichtbar werden. Für Joko und Klaas wird sicherlich immer ein Plätzchen unter dem durch abgepressten Zwangsgebühren finanzierten ÖRR-Rock sein.

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Kommentare ( 26 )

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palimpalim2020
1 Monat her

Was sollte nach den beiden Clowns auf Pro7 kommen? Dämlichen Schlagermusikhorror haben wir schon genug auf den ÖR-Sendern bei Kiwi & Silbereisen .Italienische katholische Soaps will keiner in D sehen.

Wilhelm Roepke
1 Monat her

Tolle Nachricht! Die Italiener sind viel weniger woke als die bisherige Führung, das Programm kann daher nur besser werden, und dass Frau Meloni deswegen Druck auf die Konzernmutter in Italien machen wird, können die deutschen Politiker vergessen. Faktisch ist das ein Rechtsruck eines wesentlichen Teils des deutschen Privatfernsehens, und das ist gut so.
Joko und Claas sollten m.E. als nächstes gefeuert werden. Es muss ja nicht gleich wieder Sendungen mit jungen sexy Frauen regnen, aber es wäre schon viel gewonnen, wenn die Werbung nicht mehr so woke ist.

jopa
1 Monat her

Es gilt für alle, RTL, ÖRR und P7S1: Was bleibt übrig, wenn man Wiederholungen, Quize und Kochsendungern abzieht? Ein Kanal mit Sendezeit von17.00 bis 22.00

Index
1 Monat her

An ihren Nachrichten(-Sendungen) werden sie sich künftig messen lassen müssen. ALLEIN DAS zählt aus meiner Sicht.
Eine Verbesserung sollte also nicht schwerfallen, Frage ist nur, wie sehr sich dort gebessert wird.

Nibelung
1 Monat her

Bleibt zu hoffen, daß der Mainstream dadurch etwas zurückgedrängt wird und es nicht nach dem Motto des Geldes wegen verläuft: Morgens gibts Seifenopern mit Popcorn und trivialer Sauce und übermorgen Sauce mit Popcorn und trivialen Seifenopern, denn nicht vergessen, wer die Dummheit pflegt ist kein Freund besserer Entwicklungen, sondern stellt das Gegenteil dar, wo man damit keinesfalls weiter kommt und sich durch die Gesellschaft gefressen hat, was man überall sehen und fühlen kann und wenn dann ein Teil der dummen Gänse auch nicht sehen will, wie der Fuchs durch die Landschaft streift und fette Beute macht, dann wäre der Punkt… Mehr

Juergen P. Schneider
1 Monat her

Die Veränderungen im links-grün-woken Medienkomplex verlaufen sehr langsam, aber sie finden statt. Das allein ist schon ein Hoffnungsschimmer.

Ein Mensch
1 Monat her

Ich kann mich ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal Pro7 geguckt habe. Ich habe es nicht vermisst und das wird auch erstmal so bleiben. Wenn Sendungen wie Galileo wieder über Wissenschaft berichten und nicht über woken Müll, dann sehe ich es mir vlt. wieder an.

Nibelung
1 Monat her
Antworten an  Ein Mensch

Die Fernsehprogramme von heute taugen nicht einmal mehr zum einschlafen und wer sich nicht hinters Licht führen lassen will bedient sich des Internets und ist nur eine Frage der Verkabelung von wenigen Metern und den Fernseher kann man abhaken, wo nicht einmal mehr das Wetter sachlich erklärt wird, sondern sofort mit dem Hinweis verbunden wird über das veränderte Klima, was kein Mensch bezweifelt, denn Wetter und Klima gehören zusammen und waren schon immer stetige Wechsel und die Sintflut war ein Teil davon, wobei ich die nächsten Jahre davon ausgehen kann es nicht zu erleben, weil die Atombombe wahrscheinlicher ist als… Mehr

karlotto
1 Monat her

Was Haim Saban und die KKR versaut hat , wird nur mit dem Kärcher wieder sauber.
Aber vorsicht Marco , die ADL schaut jedem auf die Finger.
Herr Musk , kennt das Lied.

Micci
1 Monat her

“ … um den Konzern … wieder auf Profitabilität zu trimmen.“

Da bin ich ja fast neidisch auf den Job – so einfach, wie der ist:

Senden (bzw. schreiben), was ist.
Das genügt bereits, und der Laden wird eine Goldgrube!

Wegen: Alleinstellungsmerkmal.

H. Priess
1 Monat her

Joko und Klaas sind für mich die Vetreter des Unterschichtenfernsehens. Von irgendein Niveau sprechen zu wollen verbietet sich von selbst. Die Latte kann gar nicht niedriger gelegt werden und die Italiener verpassen der Sendergruppe ein Frischzellenkur groß falsch machen können sie nichts.