In der Folge "Kammerflimmern" geht es im Tatort aus Zürich dramatisch zu: 56 Todesopfer, ein Schuldiger mit hehren Motiven und eine Komplizin mit Rachegelüsten – die eigentlichen Bösewichte sind gewissenlose gewinnorientierte Unternehmer im Gesundheitssektor. Wie so oft: Eine spannende Idee, umgesetzt als provinzielle Meinungsmache.
ARD Degeto Film / SRF / Sava Hlavacek
Die Schweizer Ausgabe des deutschen Krimi-Lastengauls trabt diesmal in der Fahrspur grosser IT-lastiger Kassenschlager, in denen Stars wie Keanu Reeves (Matrix), Leonardo di Caprio (Inception) oder Arnold Schwarzenegger (Terminator) sich schon mit den Tücken der vernetzten, verdrahteten und automatisierten Welt herumschlagen mussten.
Das Cybercrime Magazine aus Northport, N.Y, hat hier eine schöne Übersicht solcher Filme zusammengestellt.
Schade nur, dass die eigentlich gute Idee, wie bei der ARD üblich, mit Meinungsmache durchsetzt und auf ein provinzielles Niveau heruntergekocht wurde.
Der Katastrophenfilm mit am Ende nicht weniger als 56 Toten und 29 Schwerverletzten (ein neuer „Rekord“ nach Tatort-Kriterien) beginnt mit dem plötzlichen Herztod in denkbar harmloser Umgebung, beim Yoga, Gassi gehen und Radfahren. Reihenweise sacken Menschen einfach in sich zusammen, in der ganzen Stadt jaulen die Martinshörner, hektische Aktivität in den Notaufnahmen.
Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) und Kollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) werden mit der Untersuchung dieser Häufung außergewöhnlicher Todesfälle (im Behördenjargon AGTs) beauftragt.
Schnell wird klar, dass die Verstorbenen oder mit schwerer Herzinsuffizienz in die Spitäler Eingelieferten eins gemeinsam hatten: weil ihre Herzen unregelmäßig schlugen, hatte man ihnen einen ICD (Implantierter Cardioverter Defibrillator) unter die Haut gepflanzt, der bei Rhythmusstörungen automatisch einen Millisekunden dauernden Stromstoß in den Herzmuskel entlädt und den Herzschlag so wieder normalisiert. Es sind ausschließlich Patienten betroffen, die Geräte der Firma Lauber Cardio implantiert bekommen hatten.
Bei der Herstellerfirma lösen die massenhaften Herzanfälle natürlich helle Panik aus: Noch vor 32 Tagen hatte man die Software der automatischen Defibrillatoren erneuert, nun versucht man hektisch (Simon und Kilian Berger, gespielt von Martin Vischer und Elias Arens), diese auf den früheren Stand zurückzufahren (sog. „downgrade“). Die letzte Hoffnung, dass man die Lage selbst in den Griff bekommen kann, schwindet, als die eingesetzten Firmencomputer von einem Virus befallen werden, der frech die Botschaft verkündet, dass die Firma nur nach Zahlung von 317 Millionen US-Dollar die Herrschaft über ihre Defibrillatoren zurückerlangen wird.
Bei Polizei und Staatsanwaltschaft (Anita Wegenast, gespielt von Rachel Braunschweig) herrschen Bestürzung und Ratlosigkeit angesichts dieses unsichtbaren und übermächtigen Feindes, während die Todesfälle sich weiter häufen. Nur Computer-Experte Noah Löwenherz (Aaron Arens) behält die Nerven und den Überblick, entwirrt die Fakten: Nach etwa 3,5 Millionen Herzschlägen setzt der Defibrillator den tödlichen Elektroschock, daher dauert es bei jedem Opfer unterschiedlich lange, bis es angegriffen wird. Während die Kliniken anfangen, Geräte von LC in Notoperationen auszutauschen, werden den einzeln ohne Angabe von Gründen (man will eine Massenpanik vermeiden) einbestellten Patienten ohne Symptome Betablocker verabreicht, die die Herzschlagrate heruntersetzen und so den tödlichen Stromschlag herauszögern sollen.
Ein Hacker und Gentleman ?
Den Zuschauern wird derweil der Täter präsentiert: Hacker Albin Fischer („Fischer“ laut ARD-Liste, anderswo und im O-Ton aber Albin „Frey“, gespielt von Sven Schelker), wird gezeigt, wie er einem (der „feine BWL- Student“ Fabian, gespielt von Pablo Caprez, im V-Ausschnitt Tennispullover), wie er ihn nennt, „Fascho live“ mit „feiner Freundin, feinem Ruderclub, feinen Verbindungsbuddies“ die Prüfungsfragen der Uni vorab verkauft. Weil Fabian, wie Albin durch die Lektüre dessen Accounts festgestellt habe, „anonym ziemlich heftigen Rassistenshit poste“ zwingt er ihn, all seine Accounts zu löschen und verlangt statt der vereinbarten 500 Franken das Vierfache.
Mit dem sich nun anschließenden Telefongespräch zwischen ihm und einer Unbekannten nimmt das Drehbuch (André Küttel und Petra Ivanov) den ICD-Todesfällen den Ruch des geplanten Mordes: Albin reagiert bestürzt auf die Mitteilung, dass hier „Menschen sterben“ und überprüft das sofort auf seiner gehackten Webseite über die die Züricher Notfallmeldungen eingehen, verspricht, das „zu checken“ und radelt hastig, ohne auf Fabians Geld zu warten, davon. In Panik versucht er reuig, als Raumreinigerin verkleidet, den rettenden Computerschlüssel bei LC zu deponieren, wird aber durch die anrückende Polizei vertrieben.
„Wo keiner sich hin wagt, dort segeln wir“ (Wahlspruch der Gebrüder Lauber)
Bei Lauber Cardio liegen mittlerweile die Nerven blank, die beiden Eigentümer gehen wenig brüderlich auf einander los, Kilian, der die Firma „für den Börsengang radikal auf Umsatz getrimmt habe“ setzt seinen nervösen Bruder Simon, den Entwickler der Defibrillatorensoftware, unter Druck, sein Englischsprachiges Team auf Trab zu bringen und die Katastrophe, „das Blutbad, am Montag, wenn die Börse aufmacht“, noch zu verhindern. Der Tatort lässt durchblicken, dass bei LC nur „Sparsamkeit um konkurrenzfähig zu sein“ und „Marktwirtschaft und Geld“, nicht die Menschen, im Vordergrund gestanden hätten, immer seien die „schuld“, nicht die Maschinen. Und Simon sei sogar so weit gegangen, das „Repository“ der Software umzuprogrammieren, das sei „wirklich ernster shit“. Hier liegen auch die Ursprünge der Abneigung des politisch so sensiblen Hackers Albin, der früher bei LC als IT-Programmierer angestellt war und die Firma verließ, als er sich von Simon (dem „Wackeldackel“ seines Bruders, wie ihn alle dort genannt hätten) zu unlauteren Softwaremanipulationen genötigt gefühlt sah.
Die Hacktivistin und der Spekulant
Ott und Grandjean bekommen Wind davon, dass jemand auf den Absturz der LC – Aktie eine Börsenwette abgeschlossen hat und erhalten von Otts reichem Vater (Gustav Ott, gespielt von Oscar Bingisser, dessen bescheidene Yacht von seiner Bescheidenheit als Investor zeugt). Insiderinformationen über den Spekulanten; Es handelt sich um Billie Zogg (Nadège Meta Kanku), Mitglied einer Schweizer „Hacktivistinnengruppe“ namens „Darius“, die unter anderem durch die Offenlegung der Schwachstellen der Baseler Ampelschaltungen auf sich aufmerksam gemacht habe.
Billie wiederum gibt den entscheidenden Hinweis auf Albin, der auf einer Houseparty mit dem Wissen angegeben hätte, dass LC „bald absaufen werde“. Nur: Simon hatte bereits zufällig bei seinem abspenstigen ehemaligen Mitarbeiter vorbeigeschaut, um sich dessen Programmierkünste einzukaufen und war dabei auf dessen Fluchtvorbereitungen gestoßen. Darufhin hatte er eins und eins zusammengezählt und Albin im Streit um den rettenden Schlüssel für das Computervirus erwürgt – Ott und Grandjean können nur noch den Tatort sichern, ein abgerissenes Kettchen führt sie aber direkt zu Simon.
Diffizil: Darius, Delibes, Dolignon ?
Langsam entwirrt sich das Puzzle, nur um noch etwas verwirrender zu werden. Die Umprogrammierung der Software durch den ehemaligen LC-Mitarbeiter Albin sollte die Betroffenen „nur einen kleinen Stich verspüren lassen“, mutierte aber durch Pfusch in der LC-Software von harmlosen 5 Millisekunden zu einem tödlichen 5-Sekunden-Stromschlag. Eigentlich wollten Albin und seine Komplizin, die Journalistin Paula Bianchi (Annina Walt) doch nur den Ruf der Firma Lauder mit einem „shitstorm“ ruinieren. Das Computervirus ließ sich, wie der Super-Polizei-ITler Noah herausfindet, durch das Abspielen eines Musikstücks abschalten. Paula hatte aber noch ganz handfeste Gründe, die Firma Lauber zu hassen: Ihr Vater Yann Delibes hatte einen automatischen LC-Defibrillator, der aber während eines Ausflugs zur Oma (sie war damals 12) fehlerhaft auslöste und den Wagen der Familie in einen Unfall verwickelte, der nicht nur ihre Eltern, sondern auch noch 9 Insassen eines Busses das Leben kostete. Der Unfall passierte auf der Straße D 317, daher die absurde Summe der Lösegeldforderung. Aus rücksichtsloser Profitgier verschleierten Kilian und Simon Berger ihre Mitschuld an dem Unfall durch rückwirkende Fälschung der Software ihrer ICDs.
Überflüssige Appetithäppchen am Rande
Kommissarin Ott soll seit nun gefühlt 5 Folgen Tatort an der Gründung einer Stiftung durch ihre Mutter mitwirken. Mutti hat auch einen ICD von Lauber, sitzt aber auf einem abgeschiedenen Bergbauernhof. Exmann Gustav Ott macht sich zu Fuß im Dunkeln auf, um sie zu informieren, dass ihr der plötzliche Herztod drohen könnte. Sie wird gerettet und ist nun endlich mal stolz auf ihre Tessa, die vor lauter Sorge um Mama dem Vorschlag mit der Stiftung zugestimmt hat.
Die leitende Ärztin am Züricher Herzzentrum (Dr. Esme Sahin, gespielt von Beren Tuna) ist eine Namensvetterin des deutschen Professors und Gründers der Firma BioNTech. Im Wartebereich des Züricher Klinikums gibt es offenbar (wie in einigen deutschen Kliniken bereits üblich) uniformierte Security Mitarbeiter (schreiten gegen die rabiate Journalistin Bianchi ein).
Wer das zu verwirrend fand, den wird evtl. (in Schwizerdütsch mit Untertiteln) die ganz sehenswerte Dokumentation entschädigen, die der SRF zum Hintergrund gedreht hat.

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Wenn man sich klar macht, welche Unsummen die drei Staaten D-A-CH in diese Klamotte stecken, wird einem klar wie schlecht die Qualität des Produkts überhaupt ist: Es gibt keine Erzählstränge über Folgen hinweg (etwas das private Produktionen vor über 20 Jahren erkannten), keinerlei Tiefe, oder sonstige schauspielerische Leistungen oder bemerkenswerte Filmhandwerkskunst. Die einzigen Duftmarken sind indes immer höhere Budget-Töpfe und noch flachere, realitätsferne Regierungsnarrative (Gab es beim Tatort schon springerstiefelnde Bio-Deutsche die öffentliche Freibäder terrorisieren, während sie gezielt Drogen verkaufen an Flüchtlingskinder? Nein? Man würde denken, damit währe bereits genug Stoff für ein halbes Jahr dieser Schmierenstücke geschrieben). Der Kontrast… Mehr
Ach, Göttli…
Interessante (und auch etwas verstörende) Idee.
War einer der ‚besseren‘ Schweizer TATORTE.
Andererseits muss man auch mal erkennen, dass das Publikum seit über 50 Jahren inzwischen fast jeden Sonntagabend einen neuen Plot erwartet.
Zeitgemäß, nervenkitzelnd, zum Mitraten, emotionsgeladen, nicht zu konstruiert, blabla…
In der Masse funktioniert das schlicht und ergreifend nicht.
Da werden dann auch die Sonntagskrimis zur Massenware und leiden unter Qualitätsabstrichen – wie auch immer ‚Qualität‘ definiert wird.
Der Tatort ist stinkend langweilig, verursacht nur Gähnen. 2 weibliche Kommissare, die quasi einen kleinen Bürgerkrieg managen. Das Frauenbild im TV ist total lächerlich. Die Realität ist das weibliche Versagen bei der Polizeiarbeit.
Warum spielen da überhaupt noch Männer mit? Achso, irgendeiner muss ja der Böse sein.
Gut, dass die plötzlichen und unerwarteten Todesfälle und die Fehlgeburten der letzten Jahre nichts mit der Genmanipulation der Covid Impfung zu tun hatten. Das wäre ein eigener Krimi gewesen. TE müsste eigentlich ein Drehbuch dafür haben.
Nach den ersten Sätzen dachte ich schon, es wäre um die Covid Impfungen gegangen. Naiv von mir.
Es war wohl wie immer nur ein weiteres fischgerüchiges Zewa Wischundwegtuch aus der ideologisch autoerotischen Medienszene, das dem Zwangsgebührenzahler in die Visage geworfen wurde.
Im Westen nichts Neues.